Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es gibt zwei Wahrheiten zur Asse. Die eine Wahrheit ist - dazu habe ich am Dienstag eine ganze Menge gesagt -, dass es in der Tat eine Betroffenheit gibt. Die andere Wahrheit betrifft die Frage - da muss man nachfragen -: Wie ist es, bitte schön, diesem kleinen Landkreis Wolfenbüttel gelungen, hier Licht ins Dunkel zu bringen? Wie ist das gelungen?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja, das ist eine interessante Frage!)

Ich will Ihnen die Antwort gleich mitliefern - es geht ganz einfach -: Man muss nachfragen, nur nachfragen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Besser als die Staatsanwalt- schaft!)

Danach folgte ein reger Mailverkehr zwischen dem Landkreis und dem Helmholtz-Zentrum, es folgte eine Pressemitteilung des Asse-II-Koordinationskreises. Nun ist es jeweils der Kommune als auch der Bürgerinitiative gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen, nicht etwa dem Helmholtz-Zentrum, nicht etwa dem LBEG und erst recht nicht dem MU.

Im Helmholtz-Zentrum - so will ich das einmal sinnbildlich darstellen - hat man im Koma gelegen, was Kommunikation anbelangt; im LBEG mindestens im Tiefschlaf und im MU, Herr Kollege Sander, hat man gepennt.

(Beifall bei der SPD und bei den Grü- nen - Zustimmung von Kurt Herzog [LINKE] - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Dann haben Sie nicht zuge- hört, Herr Bosse!)

Nun ist es gelungen, die Beteiligten wachzurütteln, letztlich ohne Frühstück wachzurütteln und sie unter die eiskalte Dusche zu stellen, meine Damen, meine Herren. Aber der unverdauliche Müll liegt letztlich noch schwer im Magen.

(Zustimmung bei der SPD)

Man muss die Fragen stellen: Warum hat die Aufsicht so versagt?

Da wundert mich auch etwas: Wir haben im Umweltausschuss immer gehört, das MU wusste erst am 12. Juni von den Vorkommnissen. Es gibt einen Artikel im Weserkurier vom 11. Juni und auch in der Braunschweiger Zeitung. Dann dürfte man doch wohl unterstellen, weil hier auch Herr Bluth zitiert wird, dass man sich darüber schon am 10. Juni unterhalten hat. Ich frage mich: Was ist da, bitte schön, los in diesem Haus? Das würde mich schon sehr interessieren. Kann das MU seiner Atomaufsicht möglicherweise gar nicht nachkommen? Diese Frage muss sehr deutlich gestellt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Noch eines: Spätestens nachdem die drei Ministerien sich geeinigt haben - das Bundesforschungsministerium, das Bundesumweltministerium und das NMU -, hätte man doch wach werden müssen und nach Verantwortlichkeit, nach Sachverhalt und nach Transparenz fragen müssen. - Man hat es

nicht getan. Jeden Tag kamen neue widersprüchliche Meldungen mit steigenden Werten.

Ich glaube, wir sind uns alle einig: Das, was dort passiert ist, sind Dinge, die niemals, aber wirklich niemals passieren hätten dürfen.

Man sprach von Formfehlern, die begangen worden sind. Formfehler? - Man hat gegen die Strahlenschutzverordnung verstoßen!

Wir haben uns regelmäßig getroffen, LBEG und MU. - Ich frage mich: Was wurde da gemacht? Wurde aus dem Fenster geguckt? Hat man sich darüber unterhalten, wie schön das Wetter ist? Dabei wurde auch noch versäumt, ein Protokoll zu schreiben. Das ist ein Stück auf dem Tollhaus, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Da sitzen hoch bezahlte Beamte, die Aufsicht führen sollen, hoch bezahlt, die der Steuerzahler bezahlt. Und die Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, dass diese hoch bezahlten Beamten auch Aufsicht führen und bei irgendwelchen Gesprächen nicht nur aus dem Fenster gucken. Die Erwartungshaltung darf man haben.

Wir werden - das sage ich hier auch -, wenn es nötig ist, in der Sommerpause durchtagen. Wir werden am 8. Juli mit Sicherheit nicht die erste und damit letzte Sitzung haben, sondern werden mit Sicherheit auch in der darauf folgenden Woche tagen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wie kommt es zu dieser miserablen Steuerung und letztlich zu diesem - ich will es einmal so nennen - Kommunikations-GAU?

Was ist in der Asse passiert? - Dort sind Entwicklungsabfälle aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe billig entsorgt worden. Wir wissen heute, dass die Asse den Steuerzahler 100 Millionen Euro im Jahr kostet. Für die kritische Begleitung - das muss man ja auch mal sagen -, für die kritischen Wissenschaftler, die den Landkreis dort kompetent begleiten, waren gerade mal 0,1 % dieser Summe übrig. Das war wahrscheinlich zur Gewissensberuhigung. Ich nenne das schlichtweg eine Schande.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Ich hatte schon als 13-, 14-Jähriger die Möglichkeit, in die Asse einzufahren. Ich wohne nur 5 km davon entfernt. Damals habe ich Folgendes gehört: Der geologische Aufbau des Asse-Sattels und das darin angelegte Grubengebäude Asse II lassen tatsächlich keinen Wasser- oder Laugeneinbruch von außen befürchten. Die Gefährdung sei als minimal anzusehen bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar auszuschließen.

Da gab es überall so schöne Aufkleber, auf denen stand „Atomkraftgegner überwintern bei Dunkelheit mit kaltem Hintern“. Das war in den 70er-Jahren und Anfang der 80er-Jahre, meine Damen, meine Herren.

Jetzt ist man schlauer geworden.

Ich sage Ihnen, was das war: Das war nichts anderes als eine Lobbyisten-Zentrale zur Nutzung der Kernenergie in Deutschland, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN )

Die Asse galt und gilt immer noch als Eignungsuntersuchungsgebiet für den Salzstock Gorleben als Endlager.

Aus der Asse müssen wir auch Lehren ziehen, und zwar von Dauer. Ich weiß, dass viele in diesem Hause - da gucke ich mal nach rechts - das anders sehen. Atomenergie ist erstens teuer. Zweitens ist sie nicht sicher, weil diese Materie vom Menschen nicht beherrschbar ist. Und drittens - das ist das Wichtigste -: Sie ist dreckig, meine Damen, meine Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Erfahrungen mit Asse II und der völlig gescheiterten Entsorgung sind mit Sicherheit ein guter Grund für eine völlige Neubewertung der Atomenergie nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit.

Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Bosse hat sich Herr Oesterhelweg gemeldet. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Marcus Bosse, in Anwesenheit unseres Landrats Jörg Röhmann vorgestern hörte sich das etwas anders an. In Anwesenheit unseres Landrats Jörg Röhmann haben wir deutlich gemacht, dass wir gerade vor Ort an einem Strang ziehen. Ich bedauere es sehr - auch als Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion in Wolfenbüttel; dort sind wir ja Kollegen -, dass der Kollege Bosse heute diese gemeinsame Linie verlassen oder zumindest den Anschein dazu erweckt hat,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wieso das denn?)

eben dass der Konsens nicht mehr da ist und dass wir wieder Schuldzuweisungen auf den Tisch bringen und möglicherweise fragen: Wer hat wann regiert? Wer hat wann was genehmigt? - Diese Zeit, meine Damen und Herren, sollte für uns eigentlich schon lange vorbei sein.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Stimmen Sie doch dem PUA zu! Dann haben wir Konsens!)

Hier geht es nicht um Vergangenheitsbewältigung, lieber Marcus Bosse. Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in Wolfenbüttel erwarten nicht, dass wir uns irgendwelche Daten gegenseitig um die Ohren hauen, sondern sie erwarten, dass wir gemeinsam die Probleme der Menschen im Landkreis Wolfenbüttel und darüber hinaus lösen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Bosse hat sich zu einer Erwiderung gemeldet. Auch Sie haben anderthalb Minuten Redezeit. Bitte schön!

Lieber Kollege Oesterhelweg, ich sage einmal: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Wir gemeinsam können im Landkreis Wolfenbüttel dafür sorgen, dass wir vorankommen. Ich lasse mir von Ihnen aber nicht meine persönliche Meinung zur Atomkraft verbieten. Diese kann und werde ich hier darstellen.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist Herr Bode von der FDPFraktion. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bisher ist es schlicht unvorstellbar gewesen, dass der Betreiber des Forschungsbergwerks Asse - kein anonymes Zentrum, sondern eine nachgelagerte Institution der Bundesregierung, also eine staatliche Institution, die die hohe Verantwortung für den Umgang mit dem wohl gefährlichsten Giftmüll hat, den wir kennen - derartig unsensibel mit dem Betrieb einer solchen Anlage umgeht.

Nachdem jetzt erstmalig öffentlich geworden ist,