Es geht darum, dass wir das von Anfang an mitdenken. Es ist doch nicht zu viel verlangt, dass wir für Neubauten von Bürogebäuden festlegen, dass sie von Anfang an barrierefrei sein sollen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Das ist doch geltende Rechtslage! - Jens Nacke [CDU]: Der GBD hat das im Rechtsausschuss eindeutig ausge- führt! Das ist die schlichte Unwahrheit, was Sie hier sagen! - Gegenruf von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Ja, Herr Nacke! Wer lesen kann! - Mi- riam Staudte [GRÜNE]: Lesen Sie doch das Protokoll! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Man muss an den Ausschusssitzungen auch teilneh- men! - Weitere Zurufe von der CDU und von den GRÜNEN)
(Hans-Henning Adler [LINKE]: Der Blutdruck von Herrn Nacke muss erst mal reguliert werden! - Björn Thümler [CDU]: Sie müssen das mal lesen und verstehen, was der GBD Ihnen auf- schreibt! Aber das ist ja zu viel ver- langt in diesem Haus!)
Jetzt hat sich Herr Kollege Riese von der FDPFraktion zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herzlichen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Dr. Biester für die Klarstellung zu dem Thema barrierefreie Erreichbarkeit von Arbeitplätzen dankbar. Was er gesagt hat, ist völlig richtig. Das ist im Sozialausschuss auch nicht anders dargestellt worden, sondern es ist dargestellt worden, dass das individuell hergestellt werden kann.
Meine verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bauordnung ist ein Tummelfeld, auf dem wir Landesrecht setzen können, aber auch gut beraten sind, zu schauen, was sonst in Deutschland los ist. Denn an Niedersachsen grenzt eine ganze Reihe anderer Bundesländer.
Diejenigen, die hauptsächlich mit der Bauordnung arbeiten müssen, wie Entwurfsverfasser, Architekten und Bauingenieure, wollen sich in ihrer Tätigkeit häufig nicht durch Landesgrenzen beschränkt sehen, sondern an der Landesgrenze auch im benachbarten Bundesland tätig sein.
Wir gehen mit dieser Novelle der Bauordnung einen Schritt in Richtung Musterbauordnung, der es zumindest einfacher macht, unterschiedliche Regelwerke benachbarter Bundesländer im Blick zu behalten und rechtlich sicher anwenden zu können.
Trotzdem bringen es die Eigenstaatlichkeit des Landes Niedersachsen und bestimmte Verhältnisse, die das Land Niedersachsen charakterisieren und auszeichnen, mit sich, dass einige traditionelle Regelungen beibehalten werden. Beispielsweise spielt die Landwirtschaft im Lande Niedersachsen eine andere Rolle als in Hamburg oder Bremen, und zwar sowohl mit Blick auf ihr Ausmaß als auch
auf die Art, in der sie ausgeübt wird. Und der Gebrauch von Fahrrädern - um ein anderes Beispiel zu nennen - wird sich im relativ ebenen Lande Niedersachsen - große Teile befinden sich in einer Ebene - anders darstellen als in Hessen oder in Bayern. Aus dieser Tradition heraus erklärt es sich, warum das Landesrecht nicht 1 : 1 die Musterbauordnung abbildet, sondern eigenständige Regelungen zu finden waren.
In den Abwägungsprozessen hat die FDP-Fraktion immer Wert darauf gelegt, die Regelungen im Zweifelsfall so zu fassen, dass kommunale Gestaltung noch möglich bleibt, dass die Klammern also nicht zu eng werden, die das Land den Kommunen auferlegt, und natürlich dass im Zweifelsfall diejenigen, die Verantwortung tragen, wie Entwurfsverfasser, aber auch Bauherrinnen und Bauherren, Gestaltungsraum haben und nicht zu sehr eingeengt werden.
Einige Beispiele, warum das richtig und gut ist, sind in der Debatte deutlich geworden, beispielsweise geht es um die Frage der einzurichtenden Spielplätze an Wohngebäuden mit nur wenigen Wohneinheiten. Es erschließt sich ja nicht der Logik, warum an einem Wohngebäude mit drei Wohneinheiten, in dem nur Erwachsene deutlich unterhalb des Rentenalters wohnen, zwingend eine Spielfläche eingerichtet werden sollte. Ich glaube, wir dürfen davon ausgehen, verehrte Damen und Herren, dass sich Eltern, die Verantwortung für ihre Kinder tragen - auch wenn sie über sechs Jahre alt sind -, sehr wohl Gedanken darüber machen werden, wo Bewegungsraum vorhanden ist und wie sie ihn gestalten. Das allerdings mit einer Baulast zu belegen, wäre sicherlich bei Weitem zu streng.
Andere detaillierte Regelungen, wie sie gerade von der Fraktion der Grünen noch einmal vorgestellt worden sind, sind nicht geeignet, um die Umstände des Einzelfalls genügend zu berücksichtigen. Überregelungen, meine Damen und Herren, sollten wir in der Bauordnung tatsächlich vermeiden.
Es ist berechtigt ausgeführt worden: Das Ziel der Novelle der Bauordnung ist es, Bürokratie zu vereinfachen, die Anzahl der Genehmigungserfordernisse zu reduzieren und mehr verfahrensfreie Bauvorhaben zu ermöglichen. Das ist mit diesem runden Gesetzentwurf in intensiven und lang andauernden Beratungen gelungen. Ich bitte um Zustimmung.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Riese. - Zu einer Kurzintervention auf Ihren Beitrag hat sich Frau Helmhold für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben für anderthalb Minuten das Wort.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Kollege Riese, Sie sind ja zu Anfang Ihrer Ausführungen auf die Äußerungen meiner Kollegin Staudte eingegangen und darauf, welche Büro- und Verwaltungsgebäude barrierefrei sein müssen.
Ich finde immer, ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Deswegen will ich noch einmal vorlesen, was in § 49 Abs. 2 wörtlich steht:
„Folgende bauliche Anlagen oder Teile baulicher Anlagen müssen barrierefrei sein: 1. Büro- und Verwaltungsgebäude, soweit sie für den Publikumsverkehr bestimmt sind, sowie öffentliche Verwaltungs- und Gerichtsgebäude.“
Im Umkehrschluss heißt das: Ein Büro- oder Verwaltungsgebäude, das nicht für den Publikumsverkehr bestimmt ist, muss nicht barrierefrei sein und ist damit nicht auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmern mit Behinderung eingerichtet.
(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Falsch! - Jens Nacke [CDU]: Das kann doch nicht sein, dass man das vorliest und es immer noch nicht kapiert!)
Es ist bedauerlich, aber jetzt kann nur Herr Kollege Riese für die FDP-Fraktion antworten, wenn er möchte. Herr Kollege Riese, Sie haben ebenfalls anderthalb Minuten.
- Herr Riese, Sie sollten warten, bis es ein bisschen ruhiger geworden ist. Wir üben uns in Geduld. - Sie haben das Wort.
Das, meine Damen und Herren und sehr verehrte Frau Präsidentin, ist der Grund, warum bei solchen komplexen Rechtswerken wie der Bauordnung mehrere Ausschüsse beraten. Dieser Gegenstand,
ist erstens im Sozialausschuss intensiv beraten worden. Zweitens - wir haben es gehört - sind diese Dinge im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen noch einmal ganz genau und im Detail vorgetragen worden.
Ich empfehle Frau Helmhold und allen, die das jetzt nicht glauben wollen, das in der Niederschrift nachzulesen oder sich beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst zu erkundigen. Es ist eben nicht so, dass der von Frau Helmhold vorgetragene Umkehrschluss in irgendeiner Weise zulässig wäre.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Riese. - Jetzt hat Herr Kollege Brunotte für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Ausschuss haben wir nicht so hitzig debattiert, aber wir haben lange debattiert. Der Gesetzentwurf ist am 21. Dezember 2010 eingebracht worden. Wir haben 15 Monate gebraucht.
An dieser Stelle will ich mich für die SPD-Fraktion ganz herzlich beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst bedanken, der mit unzähligen Vorlagen im Sozialausschuss den Gesetzentwurf, der aus dem Hause Özkan mit diversen juristischen Mängeln kam, aufgearbeitet hat. Da war viel Nacharbeit erforderlich. Vielen Dank an den GBD an dieser Stelle!
Aber so ist das wohl manchmal im Leben. Zum Schluss ging es dann richtig rasant. Schau’n wir mal, was dabei herausgekommen ist!
Die Novelle der Niedersächsischen Bauordnung orientiert sich in Teilen an der Musterbauordnung und macht somit den Spagat, einerseits ein Gesetz in Teilen etwas schlanker zu machen und andererseits gleichzeitig einen politischen Steuerungsan
spruch - den haben wir vor allem im Bereich Bauen - weiterhin umzusetzen, oder, wie es der Kollege Adler gesagt hat, den Freiheitsgedanken mit umzusetzen.
Die Beratungen im Sozialausschuss waren von hoher Sachlichkeit geprägt. Im Verfahren hat es sich auch gezeigt, dass nach einer sehr umfangreichen Anhörung Änderungen möglich waren. Das will ich hier mit hervorheben. In § 62 sind Änderungsvorschläge der kommunalen Spitzenverbände eingearbeitet worden. In § 60 haben wir Änderungsvorschläge der Schausteller aufgenommen und somit an einigen Stellen dokumentiert, dass ein Gesetzentwurf nicht in Beton gegossen ist und dass das Strucksche Gesetz an der Stelle gilt.
Wir haben aber auch einige Sachen nicht ganz zu unserer Zufriedenheit geschafft; auch das will ich hier ehrlich sagen. Wir haben das Themenfeld Inklusion gerade erst unter dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt am Beispiel der Bildung sehr ausführlich diskutiert.
Inklusion betrifft aber nicht nur die Bildung, sondern auch den Bereich Wohnen und Bauen. Somit war es folgerichtig, dass § 49 Abs. 1 - jede achte Wohnung rollstuhlfahrergerecht - im Gesetz geblieben ist; das ist ganz deutlich. Freiwilligkeit, wie sie aus dem Bereich der Wohnwirtschaft gefordert wurde, zieht nicht immer, sondern das, was im vdw und seinen Mitgliedsunternehmen vielleicht funktioniert, funktioniert nicht überall. Deswegen ist es richtig, dass sich hier der gesetzgeberische Anspruch weiterhin dokumentiert und zukünftig jede achte Wohnung rollstuhlfahrergerecht sein muss.
Wir hätten in Teilen durchaus weitergehende Forderungen gehabt, aber diese ließen sich nicht immer umsetzen.
Ein modernes Gesetz, das im Jahr 2012 beschlossen wird, muss geändert werden. Ich finde es unvorstellbar, dass uns ein Gesetzentwurf vorgelegt worden ist, der immer nur die männliche Schreibweise enthalten hat.