Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker sind allein bei uns in Niedersachsen 1 000 Angestellte betroffen, und das ist eine Menge. Die meisten von ihnen sind Frauen; das haben wir eben bereits durchaus breit diskutiert. Inzwischen ist in der Öffentlichkeit nur noch von den „Schlecker-Frauen“ die Rede. Sie leben im Moment in einer großen Unsicherheit und sind einer enormen Belastung ausgesetzt. Daraus sollten wir kein Politikum machen, sondern wir sollten an einer Lösung arbeiten.
Meine Damen und Herren, in einem solchen Moment kann Politik gegebenenfalls helfen, aber nicht bedingungslos. Sie sollte keine Versprechungen machen, die sie am Ende möglicherweise nicht einhalten kann. Deswegen sollten wir zu einem Konsens kommen.
Dabei geht es auch um Glaubwürdigkeit. In Deutschland sind im vergangenen Jahr rund 30 000 Unternehmen in die Insolvenz gegangen. In wie vielen Fällen haben wir beispielsweise SPDPolitiker nach Transfergesellschaften rufen hören? Das frage ich Sie. Und wie viele Mitarbeiter von den betroffenen kleinen und mittleren Betrieben sind am Ende in Transfergesellschaften aufgefangen worden?
Die SPD versucht hier seit Tagen, sich als Anwalt der kleinen Leute aufzuspielen, aber eigentlich lautet ihr Motto doch eigentlich: Wenn einer bei einem kleinen Unternehmen pleitegeht, dann kommt das Arbeitsamt, und wenn ein großer medienwirksam pleitegeht, dann kommt die SPD. - Das ist unredlich, meine Damen und Herren.
Es darf nicht sein, dass die Größe eines Unternehmens darüber entscheidet, wer bei einer Insolvenz besser oder schlechter behandelt wird. Das hat etwas mit Fairness zu tun.
Meine Damen und Herren, die Kollegen der SPD in Niedersachsen haben schon vor Tagen Bürgschaften gefordert, als noch nicht im Geringsten geklärt war, ob eine Bürgschaft überhaupt möglich ist. Wenn wir aber über Landesbürgschaften oder auch über Garantien reden, wie Herr Möllring das
eben gesagt hat, dann sprechen wir über Steuergelder. Für CDU und FDP hier im Landtag ist deswegen klar: Wir erteilen keine Bürgschaften nur auf Zuruf, sondern wir müssen sie auch dementsprechend deklarieren, und das ist wichtig für uns. Das sollten wir auch tun. Wir sollten auf keinen Fall die Grundlagen nicht außer Acht lassen, wie wir letztendlich die Garantien übernehmen können.
Im Moment befinden wir uns noch in einer Zwischenphase. Es ist noch ein Gutachten nötig, oder wir sollten zumindest darüber befinden, wie wir damit umgehen. Unter anderem soll geprüft werden, ob eine Bürgschaft abgesichert werden kann. Das hat Herr Möllring eben sehr gut klargestellt, und ich hoffe, Sie haben es endlich verstanden.
Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass die Situation für viele Mitarbeiterinnen belastend ist. Das ist sie immer bei Entlassungen, und das tritt besonders Frauen hart. Aber es muss auch klar sein, dass wir über bundesweit mehr als 70 Millionen Euro Steuergelder sprechen. Auch wenn die Gewerkschaft ver.di es sich wünscht: Solche Entscheidungen können und dürfen eben nicht von einem Tag auf den anderen getroffen werden.
Meine Damen und Herren, es kann durchaus sein, dass es nach eingängiger Prüfung zu Bürgschaften kommt, wenn sie denn gerechtfertigt sind, oder eben zu Garantien. Das prüfen wir ja im Moment.
Was am Ende wirklich wichtig ist, sind die bestmöglichen individuellen Lösungen für alle Schlecker-Beschäftigten. Es sind Mitarbeiterinnen, die sehr schnell Arbeitsplätze finden können, aber eben auch andere, die vielleicht weiterqualifiziert und gefördert werden müssen.
Genau darin besteht eben das Problem. Wir müssen unterschiedlich mit den Einzelschicksalen umgehen. Es geht nicht um ein Politikum, sondern es geht um 1 000 einzelne Schicksale bei uns in Niedersachsen.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das spricht alles nicht gegen den Antrag! - Kurt Herzog [LINKE]: Sie reden nur darum herum!)
Das muss dem Landtag bewusst sein, und genau daran wollen wir arbeiten. Wir müssen genau darauf achten. Es soll vernünftig gehandhabt werden, und deswegen müssen wir erst einmal darüber
(Beifall bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie müssen auch mal entscheiden, was Sie wollen!)
Danke, Herr Präsident. - Frau König, Sie haben uns jetzt fünf Minuten lang erzählt, was nicht möglich ist und was Sie nicht wollen, dann aber Ihr Mitgefühl für die Schlecker-Beschäftigen ausgesprochen. Das reicht den Schlecker-Beschäftigten nicht. Die wollen ganz klare Signale haben.
Sie hatten jetzt zwei Stunden Zeit, um diesen Antrag der SPD-Fraktion durchzulesen, um zu begreifen, dass es ein Antrag ist, der dieses Signal senden kann, wenn dann nämlich auch das Wollen da ist. Ihren Worten konnte man weiterhin entnehmen, dass das Wollen nicht vorhanden ist. Sie haben gesagt, mal sehen was die Prüfung ergibt und ob wir dem dann zustimmen können. Sie sagen doch schon, Sie wollen gar nicht zustimmen. Ansonsten würden Sie heute dieses Signal setzen und sagen: Wir wollen, dass den Schlecker-Beschäftigten geholfen wird.
Wenn Sie sagen, Frau König, Sie wollen individuelle Lösungen für die Frauen, die von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, dann kann ich Ihnen nur sagen - das merkte man auch bei Ihren Beiträgen, die wir in den letzten Monaten gehört haben -: Die Arbeitssituation in Niedersachsen ist Ihnen so fremd wie nur irgendwas. Sie wissen gar nicht, was sich im Land abspielt.
Wenn diese Frauen arbeitslos werden, haben sie keine Chance, wieder eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung zu bekommen. Sie sind auf 400-Euro-Jobs angewiesen, und das ist unerträglich. Es geht hier nicht darum, mal irgendwie zu gucken und nach Lösungen zu suchen. Bei diesen Frauen und ihren Familien geht es um die nackte Existenz; sie ist bedroht. Sie machen sich Sorgen, wie sie im nächsten Monat ihre Mieten zahlen sollen. Darum geht es. Darum ist diese Hinhaltetaktik unerträglich. Der SPD-Antrag enthält
eine ganz klare Forderung. Wir setzen uns dafür ein, dass Transfergesellschaften gebildet werden. Sie wollen doch gar nichts tun.
(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD - Editha Lorberg [CDU]: Es ist unglaublich, was Sie sa- gen!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau König, ich will Ihnen einmal eine Brücke bauen. Sie haben sich selber kritisiert, als Sie gesagt haben, die Politik kümmert sich nur um die großen Unternehmen und bei den vielen einzelnen wird sie nicht aktiv. Ich erinnere Sie an Ihre Haltung und Ihre Rede hier, als wir über die Transfergesellschaft zu Karmann gesprochen haben. Da waren Sie offensichtlich lokal anders betroffen und haben das hier ganz klar unterstützt. Wir als Grüne - offensichtlich geht es der SPD und den Linken genauso; die CDU, merke ich, denkt auch so - fühlen uns auch bei einem in der Fläche insgesamt verteilten tausendfachen Arbeitsplatzverlust betroffen. Da sind wir offensichtlich ein bisschen anders sensibilisiert.
Aber das Prinzip ist erst einmal das Gleiche. Insofern: Werfen Sie uns nicht etwas vor, was Sie selber hier letztendlich auch gemacht haben. Es ist eben ein Unterschied, wenn so viele auf einmal in einer Branche entlassen werden.
Sie haben hier beschrieben, dass die beste Möglichkeit für jede Schlecker-Mitarbeiterin und für jeden Schlecker-Mitarbeiter gesucht wird, dass die einen möglichst schnell weiterbeschäftigt werden sollen, wenn sie denn einen Job finden, und die anderen punktgenau qualifiziert werden sollen. Wissen Sie, wie das geht? - Mit einer Transfergesellschaft!
Da sind sie nämlich nicht ein Jahr lang in irgendeiner Weise vom Arbeitsmarkt weg; denn jeder, der einen Arbeitsplatz findet, der angemessen und nicht prekär ist, wird sofort aus der Transfergesellschaft gehen, weil sie in der Transfergesellschaft
einen deutlich geringeren Lohn bekommen, als es vorher der Fall war. Diese zielgenaue Qualifizierung findet in der Transfergesellschaft statt.
Ich danke Ihnen für diese Argumentation. Sie bestärkt uns in unserem Bestreben, hier politisch die Unterstützung für unser Anliegen zu bekommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern noch einen Punkt aus der Rede von Frau König aufgreifen. Es geht uns auch um jedes Einzelschicksal. Wir sind jetzt nicht nur deshalb da und suchen nach einer Lösung, weil es um 11 000 Frauen bundesweit oder um 1 000 in Niedersachsen geht, sondern wir machen das genauso - wie hoffentlich wir alle, die hier in diesem Haus vertreten sind -, wenn es um einzelne Schicksale vor Ort geht.
An dieser Stelle besteht der Unterschied darin, dass wir jetzt, wenn das Land Niedersachsen bereit ist, das zu unterstützen, eine Lösungsmöglichkeit für den Übergang haben, die den Frauen in dieser Größenordnung weiterhelfen kann. Das ist der Unterschied. Deswegen sagen wir, wir müssen uns jetzt hier im Landtag damit beschäftigen und heute hier im Landtag ein klares Signal dazu geben. Das ist unser Ziel.
Ich will noch einmal daran erinnern: Es war nicht unser Bestreben, hier eine solche Debatte wie heute zu führen.
(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ausge- rechnet, Herr Lies! - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)
- Ich finde es ja wunderbar, wenn man, bevor man einen Satz ausgesprochen hat, schon vorher 1 : 1 sagen kann, wie die Reaktion sein wird.
Vielmehr war es unser Ziel, mit Ihnen eine gemeinsame Resolution zu Beginn der Landtagssitzung auf den Weg zu bringen. Das war unser erklärtes Ziel.