Protokoll der Sitzung vom 09.05.2012

(Zustimmung bei der CDU)

Sie bedarf der Eigeninitiative eines jeden selber - bei allen Schwierigkeiten, die Sie ja geschildert haben.

(Zurufe von Kreszentia Flauger [LIN- KE] und Pia-Beate Zimmermann [LINKE])

Da meine Redezeit aufgrund der Zwischenrufe leider ein wenig wegläuft, möchte ich nur noch darauf hinweisen, dass der Petitionsausschuss des Landtages von Baden-Württemberg einstimmig festgehalten hat, dass die Gründe für einen generellen Abschiebestopp nicht vorliegen, und zwar mit den Stimmen der Grünen und der SPD.

(Zuruf von der CDU: Einstimmig!)

Ich will hier nicht die Pressemitteilung des Obmannes Ihrer Fraktion im Ausschuss zitieren. Die können Sie nachlesen.

Meine Damen und Herren, daher bleibt für uns festzustellen: Es gibt im Kosovo wirklich noch viel zu tun. Es gibt aber trotz der teilweise bestehenden Schwierigkeiten vor Ort keinen Grund für ei

nen generellen Abschiebestopp. Von daher machen Sie hier teilweise politischen Klamauk.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Un- glaublich!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Polat zu diesem Tagesordnungspunkt.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine kleine Vorbemerkung: Zur Art und Weise, wie der Vertreter aus dem Innenministerium die Fragen gestellt hat - zumal Sie immer davon ausgehen müssen, dass wir uns in einem Land befunden haben, in dem es ethnische Konflikte gegeben hat -, möchte ich sagen, dass man einfach berücksichtigen muss, dass Roma in einem antiziganistischen Umfeld leben, und da macht es einen Unterschied, wen man befragt. Man muss natürlich Aussagen verifizieren. Aber das können wir dann im Ausschuss noch einmal im Detail besprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Übernehmen Sie Verantwortung für die Menschen, die hier in Niedersachsen Schutz suchen! Übernehmen Sie Verantwortung für die Minderheiten aus dem Kosovo, die wir nicht erneut in ein Schicksal abschieben dürfen, welches für Elend und Perspektivlosigkeit steht! Berücksichtigen Sie bei Ihrer Bewertung die fatalen Folgen der Rückführungsmaschinerie für den Kosovo, der noch sehr instabil ist! Das hat uns die KFOR gesagt.

Der Kosovo hat mit verschiedenen Mitgliedstaaten der EU Rückübernahmeabkommen geschlossen - nicht nur mit Deutschland -, um - das wurde hier bereits gesagt - dem Ziel der europäischen Integration, der Visa-Liberalisierung ein Stück näher zu kommen.

Es wurde sehr schnell deutlich - dies bestätigten die verschiedenen NGOs; ich glaube auch, dass die Vertreter der CDU das ähnlich sehen -, dass der von den Regierungsvertretern immer wieder - auch uns gegenüber - betonte politische Wille, die rückgeführten Menschen zu integrieren und die verschiedenen ethnischen Minderheiten zu integrieren, nur ein Lippenbekenntnis auf dem Weg zur europäischen Integration war.

Die Reise in die Republik Kosovo hat deutlich gezeigt, wie fatal die Folgen der Abschiebung insbesondere für Menschen von Minderheiten sind. Es ist ganz wichtig, von „freiwillig Rückgeführten“ zu sprechen, von „Zwangsrückgeführten“ und dann zwischen den Ethnien zu differenzieren. Das Bild, das wir dort gesehen haben, war sehr unterschiedlich. Es sind vor allem die Kinder, die unter der zwangsweisen Rückkehr am stärksten leiden.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vertreibung ist das!)

In dem von UNICEF vorgestellten Bericht „Stilles Leid“, den ich wirklich allen empfehle, weil er doch sehr sachlich und fachlich die Entwicklung über Jahre darstellt, wird deutlich, dass diese Kinder mehrfach traumatisiert sind: der Schock der Abschiebung, der Verlust der Heimat - vielleicht zum zweiten Mal -, der Schock, im Elend gelandet zu sein.

Die Roma-Familien leben meist unter unvorstellbaren Lebensbedingungen. Die Fahrt, die wir ja dann doch noch kurzfristig in den Ort Plemetina eingeplant haben, hat gezeigt, wie eine solche Endstation für Roma aussieht - nach den Überbrückungshilfen durch URA 2. Bei einer Arbeitslosigkeit von 99 % in dieser Gruppe ist eine Reintegration ausgeschlossen. Dazu, eine Überbrückung nach sechs Monaten, nach einem Jahr bei einer so hohen Arbeitslosigkeit hinzukriegen, fragen Sie hier einmal einen Arbeitsmarktexperten im Jobcenter!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Da können Sie von Niedersachsen noch so viele Lohnkostenzuschüsse zahlen und Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen URA 2 leisten.

Die Roma werden zudem nach wie vor im Konflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern aufgerieben. Die Roma-Kinder sind von serbischen Lehrern unterrichtet worden. Würde dieser Konflikt wieder aufkeimen, sind sie die Ersten, die Opfer dieser Konflikte sein werden.

Die Vertreterin von UNICEF berichtete im Gespräch davon, dass Kinder aus Minderheiten sowohl von Sprachbarrieren als auch von Mobbing, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung in der Schule erzählen. Das gilt insbesondere für zwangsrückgeführte Kinder.

Auch die von uns besuchte Familie Meta aus dem Landkreis Cuxhaven berichtete von einem Übergriff auf den jüngsten Sohn. Die jüngeren Mädchen

fürchteten sich, allein auf die Straße zu gehen, und sprachen von der Angst, vergewaltigt zu werden.

Das sind subjektive Wahrnehmungen, aber die muss man ernst nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Appell der Familie an die Delegation war eindeutig: Wir wollen nach Hause.

Meine Damen und Herren, wie sollen die Kinder im Kosovo integriert werden, Herr Güntzler, die unter Angst und Heimweh leiden? - Wir haben ja festgestellt, das Angebot, es anzunehmen, ist nicht da, weil diese Menschen nach Hause wollen. Das wurde auch bei der Familie Meta ganz deutlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Eine Familie, die ich in Plemetina sprechen konnte, als Sie ja nicht so richtig aus dem Bus aussteigen oder zumindest nicht in die Behausung oder in das Haus gehen wollten, weil auch der Dolmetscher davor gewarnt hatte, und die aus Bramsche abgeschoben worden war, wohnte dort unter unmenschlichen Bedingungen - das ist eben diese Endstation nach URA 2 - mit acht Personen auf 12 m² mit einem Kohleofen. Ich konnte in diesem Raum kaum atmen.

(Glocke der Präsidentin)

Die Kinder gingen nicht zur Schule, weil ihnen die angemessene Kleidung fehlte und sie in der Schule diskriminiert und geschlagen wurden. Sie werfen den Familien immer vor, ihre Kinder nicht hinzuschicken. Sie sind aber Diskriminierung und Mobbing ausgesetzt.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten und demnach auch die Bundesländer haben sich zur innen- und außenpolitischen Förderung und Achtung von Kinderrechten verpflichtet. Daraus folgt, meine Damen und Herren, dass bei allen Entscheidungen über Rückführungen, von denen Kinder betroffen sind, das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Glocke der Präsidentin)

An dieser Stelle kann ich nur festhalten: Zwangsrückführungen in den Kosovo sind nicht mit der Achtung der Kinderrechte vereinbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist für mich nach dieser erneuten Reise - Herr Güntzler hat es erwähnt; ich war 2006 bereits im Kosovo - klar:

Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen.

Niedersachsen muss die Abschiebung von Minderheiten in das Kosovo generell aussetzen. Die Landesregierung ist zudem der Förderung und Achtung von Kinderrechten verpflichtet, Frau Özkan, auch bei den Kindern, die wir zwangsweise abschieben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Oetjen zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Reise in den Kosovo hatte ja zum einen das Ziel, die humanitäre Situation im Kosovo zu untersuchen, und zum anderen auch die Frage zu klären, ob ein genereller Abschiebestopp in den Kosovo so, wie es von der LinksFraktion hier heute noch mal in die Debatte gebracht wurde, notwendig ist.

Der Landtag von Niedersachsen ist ja nicht der erste Landtag, der eine Delegation in den Kosovo geschickt hat. Auch aus Thüringen ist eine Delegation dort gewesen, ebenfalls aus Baden-Württemberg ist eine Delegation dort gewesen. Nach den §§ 60 und 60 a des Aufenthaltsgesetzes ist eine generelle konkrete Gefahr für Leib und Leben Voraussetzung, um einen generellen Abschiebestopp zu erlassen.

Der Landtag von Baden-Württemberg - das hat der Kollege Güntzler hier gerade in die Debatte eingeführt - hat bei einer grün-roten Mehrheit einstimmig festgestellt, dass eine solche generelle konkrete Gefahr für Leib und Leben der ethnischen Minderheiten der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo eben nicht festgestellt werden konnte.

(Zuruf von der CDU: Interessant!)

Insofern möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass das, was hier auch schon mehrfach in den Debatten gefordert wurde, nämlich einen generellen Abschiebestopp in den Kosovo zu erlassen, eben auch von einer grün-roten Mehrheit in Baden-Württemberg nicht getragen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Aber natürlich muss man hier deutlich sagen, dass die humanitäre Situation im Kosovo schwierig ist. Dass die Roma gemeinsam mit den Serben in Zeiten des Bürgerkriegs gearbeitet haben - so sage ich mal ganz vorsichtig und neutral -, führt dazu, dass die albanische Mehrheit des Kosovo dort durchaus - ich glaube, dass man das sagen kann - eine systematische Diskriminierung der Roma an den Tag legt.

Die Roma-Familien werden dort natürlich untergebracht und ernährt.