Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Unerlaubtes öffentliches Glücksspiel steht in Deutschland unter Strafe, Herr Jüttner, und das soll auch künftig so bleiben.

(Sehr gut! bei der CDU)

Das ändert auch der Vertrag nicht.

Die jetzt vorgesehene behutsame Öffnung im Bereich der Sportwetten ist eine Ausnahme, deren Folgen und Entwicklung wir sehr genau beobachten müssen. Das werden wir auch tun.

Ein weiterer Kompromiss war im Hinblick auf das Internet gefragt. Das Glücksspielmonopol soll ja nicht in erster Linie dazu dienen, Einnahmen zu generieren. Sinn des Glücksspielmonopols ist es, die vorhandene Spielsucht zu kanalisieren. Das Problem ist nur, dass sich heutzutage immer mehr Spieler außerhalb des Kanals bewegen und auf Nebenflüsse ausweichen. Diese werden im Internet leider sehr reichlich geboten. Was auch immer man da sucht - Automatenspiel, Poker, Roulette, Sportwetten -, man findet alles, ob in Deutschland erlaubt oder nicht.

Nun kann die Folge aber nicht sein, dass wir sagen: Dann brauchen wir auch kein Glücksspielmonopol mehr, davon wenden wir uns ab. - Unsere Aufgabe muss es eigentlich sein, den Kanal wieder befahrbar zu machen und dem staatlich erlaubten Glücksspiel die Werbemöglichkeiten zu bieten, die es ermöglichen, mit dem unerlaubten Glücksspiel, das leider in der Tat vorhanden ist, zu konkurrieren.

Da befinden wir uns wieder in einer Zwickmühle, in einem Spannungsverhältnis. Wenn einerseits künftig auch im Internet dafür geworben werden soll, muss man andererseits aufpassen, dass man dadurch die Spielsucht nicht fördert. Ich weiß nicht, ob es wirklich gelingen wird, dieses Spannungsverhältnis abschließend und positiv aufzulösen. Ich denke insbesondere an die Forderung, künftig auch den Jugendschutz zu gewährleisten. Wenn wir es den Menschen in Deutschland ermöglichen, im Internet erlaubtes Glücksspiel zu betreiben, wird es unglaublich schwierig, sicherzustellen, dass Minderjährige nicht daran teilnehmen.

Kompromisse sind auch im Bereich der Spielhallen gefragt. Auch dieser Bereich macht mir, ehrlich

gesagt, Sorge. In solchen Spielhallen besteht in der Tat ein ganz besonders hohes Suchtrisiko. Nun sind sie erstmals im Staatsvertrag erfasst - früher wurde das bundesgesetzlich geregelt. Das sind sehr restriktive Regelungen. Davon mag man halten, was man will. Das Problem, das sich jetzt auftut, ist, dass künftig Dinge verboten sind, die bis dato erlaubt waren. Beispielsweise wird geregelt, dass künftig zwei Spielhallen nicht mehr in einem Gebäude untergebracht sein dürfen. Wenn eine weichen muss, wird es eine spannende Frage, welche weichen muss.

Zu Recht wird in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Bestandsschutz gestellt. Dazu gibt es im Staatsvertrag - das wurde nicht von uns festgelegt - die Regelung, dass es eine Übergangsfrist von nur fünf Jahren geben soll. Schadensersatzforderungen der Betreiber sind meines Erachtens vorprogrammiert. Da ist der Ärger voraussehbar.

Noch einmal: Die Spielräume des Landtags sind hier sehr begrenzt. Ein Spielraum bleibt uns aber glücklicherweise erhalten: Nach § 10 des Staatsvertrages ist auch künftig sicherzustellen, dass ein erheblicher Teil der Glücksspieleinnahmen gemeinnützig verwendet wird. Der Kollege Jüttner hat im Ausschuss zu Recht gefragt, was unter einem „erheblichen Teil“ zu verstehen sei. Diese Frage ist unbeantwortet geblieben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja!)

Eines muss man aber zumindest feststellen: „Erheblich“ kann nur heißen, dass es nicht weniger wird und dass, wenn Mehreinnahmen generiert werden, diese Mehreinnahmen auch denjenigen Destinatären zugute kommen, die bereits jetzt in § 14 des Glücksspielgesetzes genannt sind. Wir wollen uns nicht am Glücksspiel bereichern. Wenn solche Mehreinnahmen generiert werden, sollen sie gemeinnützigen Zwecken zugute kommen.

Jetzt über einzelne Beträge zu reden, wie es der eine oder andere verlangt hat, ist natürlich schwierig. Seitens des Sports ist die Hoffnung an uns herangetragen worden, dass der neue EuroJackpot große Gewinne einfahren wird. Wir sehen sie noch nicht, aber vielleicht kommen sie.

Deswegen haben wir uns entschieden, einen Entschließungsantrag einzubringen, in dem wir feststellen, dass die tatsächliche Entwicklung der Gewinne aus dem erlaubten Glückspiel abgewartet werden muss. Wenn Mehreinnahmen generiert werden, müssen sie den in § 14 genannten Orga

nisationen zugute kommen. Partizipieren müssen dann alle. Der Sport sagt zu Recht: Ohne den Sport würde es gar keine Sportwetten geben, deswegen müssen wir etwas abbekommen. - Die Wohlfahrtsverbände sagen zu Recht: Wir sind diejenigen, die die Folgen ausbaden müssen. - Wir haben festgestellt, dass auch die Verbraucherzentrale einen ganz wichtigen Beitrag leistet. Insofern ist unser Antrag - Entschuldigung - etwas unpräzise formuliert; denn dort steht, die Verbraucherzentrale würde einen „Beitrag zur Suchtprävention“ leisten. Eigentlich bekämpft sie mehr die Suchtfolgen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Da machen wir gar nichts!)

Ich denke da an die Schuldnerberatung. Sie kümmert sich nämlich um diejenigen Menschen, die unverschuldet in finanzielle Not geraten.

Meine Damen und Herren, aus dem Sport heraus ist auch die Bitte an uns herangetragen worden, einmal zu überlegen, wie man die verschiedenen Töpfe zur Sportförderung koordinieren und bürokratische Hemmnisse abbauen kann. Deswegen haben wir in den Antrag auch aufgenommen, dass in diesem Bereich Regelungen gefunden werden müssen, dass ein Sportgesetz entwickelt werden soll, sodass auch dieses Problem gelöst wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Abschließend: Ich hoffe, dass die Entwicklung des Glücksspiels in diesem Lande den von uns gewünschten Verlauf nehmen wird. In einer großen niedersächsischen Tageszeitung, der HAZ, habe ich heute folgende Überschrift gelesen: „Heute wird Staatsvertrag beschlossen - doch hält er?“ Ich weiß es nicht. Aber eines ist festzustellen: Wenn er nicht hält - an uns Niedersachsen soll es nicht gelegen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Auf Ihren Beitrag hat sich Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE mit einer Kurzintervention zu Wort gemeldet. Sie haben 90 Sekunden. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Toepffer, ich möchte noch etwas zu dem Antrag sagen, den Sie jetzt auf die Schnel

le eingebracht haben. Darin sprechen Sie wichtige Fragen an. Natürlich müssen wir Sorge dafür tragen, dass dann, wenn zusätzliche Gelder kommen, diese genau in die Richtung fließen, die Sie hier angegeben haben. Aber so kann man doch nicht mit dem Parlament umgehen. Denn so, wie es aussieht, müssen wir nach der Geschäftsordnung über eine Vorlage, die wir erst vor fünf Minuten auf den Tisch gelegt bekommen haben, sofort abstimmen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das kann ich unterschreiben!)

Ich finde, das sollten wir nicht machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sollten das im Ausschuss vernünftig beraten. Hätten Sie einen solchen Antrag früher gestellt, dann hätten wir ihn im Ausschuss vernünftig beraten. Wenn das nach der Geschäftsordnung nicht möglich ist, stelle ich einen Antrag nach § 99 der Geschäftsordnung. Danach ist es immerhin möglich, im Einzelfall von ihr abzuweichen.

(Beifall bei der LINKEN - Dirk Toepffer [CDU]: Das war eine Kurzintervention, nicht wahr?)

Das war eine Kurzintervention. Die nächste Kurzintervention auf Sie ist von Herrn Kollegen Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ebenfalls für anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin, ich beziehe mich auch auf diesen plötzlich wie Kai aus der Kiste gekommenen Antrag, der heute auf unsere Tische geflattert ist. Darin verteilen CDU und FDP nach dem Motto „Allen wohl und keinem weh“ schon einmal das Fell des Bären, sprich: sie verteilen schon die angenommenen höheren Einnahmen, ohne dass wir aus den Beratungen und aus der finanziellen Prüfung bislang tatsächlich sehen können, dass sie wirklich kommen. Eine Beschlussfassung heute, ohne Anhörung im Ausschuss, ohne finanzielle Hinterlegung, erscheint uns sechs Monate vor der nächsten Landtagswahl wirklich nur als wahltaktisches Manöver. Das, was Sie hier ankündigen, wird nicht zur Umsetzung kommen. Nicht, dass wir in der Sache nicht grundsätzlich Ihrer Meinung wären.

(Christian Dürr [FDP]: Na, na!)

Wir halten nur diesen Umgang mit dem Parlament, diesen Umgang mit der Sache, die viel zu wichtig ist, um sie eben einmal hier einzuschieben, für völlig unangemessen und werden uns deswegen nachher in der Abstimmung über Ihren Zusatzantrag zwangsläufig enthalten müssen, weil er inhaltlich nicht beraten war und hier einfach so vorgelegt wird, quasi als Hinterlegung dessen, was Sie dem Land in den nächsten sechs Monaten versprechen wollen, allerdings ohne dass Sie das direkt aus dem Glücksspielstaatsvertrag ableiten können. Das ist ein ungedeckter Scheck.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Das sieht die Geschäfts- ordnung ausdrücklich vor, Herr Kolle- ge! Sie müssen vielleicht manchmal ein bisschen schneller arbeiten! Über den Umgang mit dem Parlament will ich sowieso nichts mehr sagen!)

Herr Kollege Toepffer darf antworten, ebenfalls für anderthalb Minuten. Herr Toepffer hat das Wort!

Herr Adler, Sie kennen mich lange genug, um zu wissen, dass ich auf die Einhaltung parlamentarischer Spielregeln eigentlich immer Wert lege. Aber dieser Antrag sollte, meine ich, zumindest hinsichtlich der Nrn. 1 bis 4 für jedermann zustimmungsfähig sein.

Lieber Herr Hagenah, Sie sagen, wir leiteten das nicht unmittelbar aus dem Glücksspielstaatsvertrag ab. Doch, das tun wir. Das habe ich ja eben beschrieben: Darin steht, dass weiterhin ein erheblicher Teil der Einnahmen den in § 14 des Glücksspielgesetzes genannten Verbänden, die hier noch einmal aufgezählt sind, zugute kommen soll.

Herr Jüttner hat zu Recht die Frage gestellt: Was ist erheblich? - Nichts anderes tun wir, als diese Frage in einem Versuch zumindest so weit zu konkretisieren, dass für diese Organisationen sichergestellt ist, dass dann, wenn es zu Mehreinnahmen kommt, diese dorthin gehen und nicht in anderen Töpfen verbleiben. Ich denke, das ist klug und richtig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Was das Sportgesetz angeht, so ist auch das, meine ich, so formuliert, dass man es durchaus mittragen kann. Einen Gesetzentwurf kann man

dann, wenn er vorgelegt wird, immer noch in allen Einzelheiten beraten. Aber wenn Sie ein Problem damit haben, dem Sport ein von diesem verlangtes Signal zu senden - dabei geht es um die Frage, wie Bürokratie bezüglich mehrerer Töpfe geregelt wird -, dann stelle ich anheim, über die einzelnen Punkte abzustimmen. Dann machen Sie das einfach nicht mit.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Jüttner das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stimme Herrn Toepffer ausdrücklich zu. Das ist ein parlamentarisches Verfahren gewesen, das seinesgleichen sucht. Ich wünsche dem Landtag, dass er einer solchen Sache nicht noch einmal ausgesetzt wird.

Es geht mir nicht um die Verantwortlichkeiten. Diese liegen an verschiedenen Stellen, meistens außerhalb des Landes. Dennoch: Wir beschließen hier über Rechtsetzungen wohl wissend - Herr Toepffer hat das in seiner Rede deutlich gemacht -, dass die juristische Integrität des Textes - um es einmal ganz diplomatisch zu formulieren - hoch eingeschränkt ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Man kann auch sagen: Wehe, es kommt ein Gericht! - Und das Gericht kommt ganz schnell.

Inhaltlich war das, was die Ministerpräsidenten versucht haben, die Quadratur des Kreises. Wie wir wissen, Herr McAllister, klappt das in den seltensten Fällen. Wenn man auf der einen Seite das Geld in den Landeshaushalten haben will - wir reden bundesweit über 2,5 Milliarden Euro jährlich - und auf der anderen Seite mit der FDP einen Partner hat, der auf jeden Fall dafür sorgen will, dass Teile des Glücksspiels privat erschlossen werden und dass das marktradikale Prinzip endlich zur Anwendung kommt, dann ist ein Bekämpfen der Suchtgefahr, wie Sie es eben ausgeführt haben, Herr Toepffer, nicht mehr möglich.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Herr Jüttner, das ist doch Unsinn!)