Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

Diese Ihre Aussage widerspricht allerdings Ihrem eigenen Gleichberechtigungsgesetz. Dort haben Sie die Privatwirtschaft nämlich ausdrücklich von einer Quote befreit, die im vorherigen Gesetz bestimmt war.

Viertens. Es muss eine Festlegung erfolgen, dass eine Unterrepräsentanz dann vorliegt, wenn der Männer- bzw. Frauenanteil in einem Bereich einer Dienststelle unter 50 % liegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die 50 %-Quote ist wirklich kein Teufelszeug. Sie könnten sich wirklich entschließen, daran mitzuarbeiten und das zu unterstützen. Unser Gesetzentwurf wahrt mit Augenmaß die Interessen von Männern und Frauen an einer an Qualität orientierten Personalpolitik.

Fünftens. Die Wiedereinführung von Regelungen zur Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist zwingend. In einer Umfrage gaben 54 % der Frauen an, am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden zu sein. Und Sie nehmen diesen Paragrafen aus dem NGG heraus mit dem lapidaren Vergleich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz! Das ist verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Weitere Ergänzungen sind die Erweiterung der Verpflichtung zur Aufstellung eines Gleichstellungsplans auf alle Dienststellen und die Erweiterung der Verpflichtung zur Bestellung einer Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Vertreterin auf alle Dienststellen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das sind die essenziellen Punkte, die für die faktische Gleichstellung unverzichtbar sind. Wenn Sie heute immer noch nur darüber debattieren wollen, dass das geltende Gesetz die Gleichstellung fördert, haben Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen sich dann fragen lassen, ob Sie unter dem Mäntelchen der Debatte nicht letztlich den Stillstand zementieren wollen. Lassen Sie sich also nicht unterstellen, dass Sie den Stillstand zementieren wollen, sondern gehen Sie aufrichtig in die Ausschussberatungen, mit den Worten Ministerpräsident McAllisters im Ohr: „Freiwilligkeit reicht nicht, es besteht politischer Handlungsbedarf.“ Dann bin ich überzeugt, dass Sie nach erfolgreichen Beratungen unserem Gesetzentwurf zustimmen. Das liegt auch in Ihrem eigenen Interesse; denn Sie wollen sich doch nicht sehenden Auges Ihre Zukunft verbauen!

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Groskurt. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegin Twesten zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Waltraud Schoppe 1990 zur ersten Frauenministerin in Niedersachsen berufen wurde, kündigte sich eine neue Zeit im Kampf für die Gleichstellung von Frau und Mann an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um der in Deutschland historisch gewachsenen Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken, wurde 1994 unter der damaligen rot-grünen Koalition das NGG geschaffen, ein Gesetz vornehmlich mit dem Ziel, den Frauenanteil in der öffentlichen Verwaltung deutlich zu erhöhen, auf den Wert, der

den Frauen, gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil, zusteht: 50 %.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die halbe Macht den Männern und die halbe Macht den Frauen - so einfach ist das!

Aktuell stellen wir allerdings fest, dass der Anteil der Frauen in den Verwaltungen sich zwar erhöht hat, aber die eigentlichen Ziele des NGG noch lange nicht erreicht sind. Viel zu wenige Frauen in den höheren Besoldungsgruppen. Auch im öffentlichen Dienst stoßen sich viel zu viele Frauen den Kopf an der berühmten gläsernen Decke und wundern sich, wieso ihre männlichen Kollegen sicher an ihnen vorbei befördert werden.

Anstatt den Weg konsequent weiterzuverfolgen, den vor nunmehr 40 Jahren formulierten Gleichstellungsauftrag umzusetzen und diesen nicht länger als lästige legislative Pflichtübung wahrzunehmen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

sondern als Topchance für eine gleichberechtigte Beschäftigung von Frauen zu erkennen, haben CDU und FDP in Niedersachsen eine Kehrtwende zurück in die Vergangenheit eingeläutet.

Die Regierungskoalition präsentiert uns ein Gleichstellungsgesetz, das diesen Namen nicht verdient. Die jetzt vorliegende Fassung bewegt sich weit weg vom eigentlichen Frauenförderaspekt in die falsche Richtung. Das das jetzt vorliegende Gleichberechtigungsgesetz sorgt dafür, dass Männern eine besondere Förderung zukommt, sobald ihr Anteil in den Behörden unter 45 % sinkt. Welch ein Skandal!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher wäre es im Rahmen der lange überfälligen Novelle 2010 an der Zeit gewesen, dieses schon damals richtungweisende Gesetz einfach nur zu modernisieren und an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Aber während die Nation von „Gleichstellung“ redet, ist es in Niedersachsen noch nicht einmal gelungen, dem Kind einen zeitgemäßen Namen zu geben.

Bei dem Versuch einer umfangreichen Neugestaltung vor zwei Jahren haben Sie einen überholten Fachbegriff aus der frauenpolitischen Mottenkiste beibehalten, ohne dafür eine überzeugende Begründung zu haben. Damals habe ich mich noch über Ihre Beratungsresistenz gewundert. Heute allerdings, wo Ihre Partei Frauen mit einem

Betreuungsgeld an den Herd zurückbeordern will, wundert mich gar nichts mehr.

(Johanne Modder [SPD]: Das stimmt!)

Es lässt tief blicken, welch antiquiertes Frauenbild Sie mit sich herumschleppen. Sie haben das komplexe Problem der immer noch vorhandenen Benachteiligung von Frauen überhaupt nicht verstanden. Sie reduzieren diese Frage auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber es werden eben nicht nur Mütter benachteiligt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So begrüßenswert es ist, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern, so wenig reicht das aus, die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Beruf zu beseitigen.

Deswegen freuen wir uns, dass CDU und FDP nun endlich die Chance bekommen, diese schwerwiegenden Fehler aus 2010 zu beheben. Ich bin sicher, die Beratung im Sozialausschuss bleibt spannend, und freue mich darauf, dass am Ende ein Gesetz herauskommt, dass diesen Namen verdient: ein Gleichstellungsgesetz.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Twesten. - Nun hat für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Flauger das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf hat die SPD ein Thema auf die Tagesordnung gebracht, das die Landesregierung scheut wie der Teufel das Weihwasser.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Ich frage Sie: Warum eigentlich? Vor was haben Sie eigentlich solche Angst?

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf von der CDU: Wir haben keine Angst!)

Stellen Sie sich einmal vor, tatsächlich würden eines Tages die Hälfte aller attraktiven Jobs im öffentlichen Dienst von Frauen oder die Hälfte aller C-4-Professuren oder die Hälfte aller Positionen im Topmanagement wahrgenommen!

Man stelle sich einmal vor,

(Zuruf von der CDU: Wenn die Hälfte aller Männer Frauen wären!)

es käme der Tag, an dem sogar die Hälfte aller Abgeordnetensitze oder Ministersitze von Frauen besetzt sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Güte, das scheint für Sie wirklich ein Horrorszenario zu sein. Davor scheinen Sie richtig Angst zu haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass das so ist, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zeigt auch Ihre ganze Haltung zu Frauen.

Aber zurück zum Thema Niedersächsisches Gleichberechtigungsgesetz.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wovon reden Sie?)

Das ist ja gerade erst 2010 - es ist gesagt worden - mit Wirkung zum 1. Januar 2011 geändert worden. Da gab es ein paar notwendige Anpassungen an nationales und internationales Recht. Weitere Änderungen sind leider ausschließlich zum Nachteil von Frauen erfolgt.

Die Regierungsfraktionen haben das Ziel der Förderung qualifizierter Frauen quasi ausgehöhlt, ja eigentlich abgeschafft. Deswegen mussten die Oppositionsfraktionen das in einer gemeinsamen Aktion feierlich bedauernd begraben.

Das haben Sie getan, obwohl der Handlungsbedarf weiterhin enorm hoch war und nach wie vor hoch ist. Die SPD hat in der Begründung ihres Antrags auf einige wichtige Tatsachen hingewiesen, wie z. B. darauf, dass in den Kommunen der Frauenanteil im höheren Dienst zwischen 2003 und 2007 lediglich um 0,7 % auf schwache 31,5 % angewachsen ist - und das trotz der bis Ende 2010 gesetzlich verbrieften Bevorzugung von Frauen bei gleicher Eignung. Insofern besteht natürlich absolut Handlungsbedarf zum Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz.