Protokoll der Sitzung vom 20.06.2012

- Lesen Sie es doch im Protokoll nach!

Lediglich Innenminister Schünemann hat sich eindeutig positioniert. Er hat den Antrag damals als falsch bezeichnet und uns Populismus vorgeworfen. Jetzt, neun Monate später, tut er so, als sei er die Spitze der Bewegung in der Bundesrepublik. Fakt ist: Er musste zum Jagen getragen werden und läuft der Bewegung, die in anderen Bundesländern deutlich weiter ist, hinterher.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen feststellen, dass in anderen Bundesländern die Verbotsverfahren nicht nur eingeleitet sind, sondern dass sie auch erfolgreich umgesetzt wurden und erste gerichtliche Überprüfungen diese Verbotsverfahren sogar mit Bestand ausgestattet haben.

Wir wissen weiterhin, dass eine große Razzia in Niedersachsen nur deswegen stattgefunden hat, weil in Kiel ein Prozess geführt wird. Wenn in dem Kieler Prozess ein Zeuge, ein Aussteiger, jemand, der als Kronzeuge zur Verfügung steht, deutlich sagt, dass Herr Hanebuth - eine bekannte Persönlichkeit aus Hannover - sozusagen der Kopf und Drahtzieher der Hells Angels ist, dann beweist der Mann nicht nur Mut, sondern er weiß, wenn er in dieser Szene diese Aussage trifft, dass er auch Risiken eingeht. Deswegen ist er mehr als glaubwürdig, meine Damen und Herren.

Weil das so ist, muss in Niedersachsen endlich Musik rein! Wir haben nicht anderen Ländern hinterherzulaufen, sondern wir müssen endlich auch als Parlament, nachdem Sie acht Monate lang die Beschlussfassung ausgesessen haben und den Antrag nicht wieder auf die Tagesordnung genommen haben, Position beziehen. Das gelingt

heute hoffentlich mit breiter Mehrheit, wenn auch nicht so stringent, wie es unser Antrag vorsah.

Wir meinen, es gibt genügend Erkenntnisse auch aus anderen Bundesländern und aufgrund der Verwobenheit dieses Systems, dass auch in Niedersachsen der Landtag beschließen könnte, dass ein Verbotsverfahren mit Stringenz einzuleiten ist. Das wäre eine politische Artikulation des Parlaments mit einem Beschluss, wie er in anderen Ländern schon gefasst ist, z. B. in Bremen, aber auch in anderen Bundesländern, und der diesen Landtag klar positionieren würde.

Der kleinste gemeinsame Nenner war, ein Verbotsverfahren weiter zu prüfen, um uns als Parlament überhaupt zu positionieren und den Innenminister dann wirklich zum Jagen zu tragen. Wir haben uns dann auf die Formulierung verständigt, die Einleitung eines Verbotsverfahrens weiter zu prüfen.

(Fritz Güntzler [CDU]: Fortsetzung der Einleitung!)

Das machen wir mit, meine Damen und Herren, um überhaupt ein deutliches Zeichen des Niedersächsischen Landtags zu setzen.

Da die Redezeit kurz und die Tageszeit fortgeschritten ist, will ich nur noch als zusätzliche Erkenntnis warnen, welche Risiken und Gefahren bestehen. Ich muss dem Landtag sicherlich nicht erzählen, welche kriminellen Verwobenheiten Rockergruppen in diesem Lande oder auch Teile von ihnen mit der Szene in der organisierten Kriminalität haben. Sie können das in BDK-Berichten und entsprechenden Positionierungen der GdP nachlesen. Da gibt es Verbindungen im Bereich der organisierten Kriminalität, zum Drogenbereich, zum Waffenhandel, zur Prostitution und zu Gewaltdelikten. Wir haben mittlerweile auch die Erkenntnis, dass Hells Angels auch in Schützenvereinen ordentliche Mitglieder und Funktionsträger werden wollen, um z. B. auf diesem Wege legal in Waffenbesitz zu kommen. Illegal verfügen sie darüber schon länger. Es besteht also mehr als Gefahr im Verzuge.

Der Niedersächsische Landtag erlebte acht Monate des Schweigens seitens der Koalitionsfraktionen. Erst vor einem Monat waren sie bereit, eine entsprechende Aufforderung an Herrn Schünemann zu beschließen. Das ist ja auch kein Wunder, nachdem er noch vor neun Monaten von Populismus und Aussichtslosigkeit gesprochen hat. Heute werden wir uns endlich auch in Niedersach

sen klar an die Spitze der Bewegung stellen und dann, wie in anderen Bundesländern auch, die Verfahren erfolgreich durch Ermittlungen zu Ende führen, sodass wir Verbotsverfahren entsprechend einleiten und wie in Kiel mit Prozessen begleiten.

Die Kriminalpolizei und der BDK haben uns signalisiert, dass die Erkenntnisse umfassend sind. Herr Küch sagt, dass die Hells Angels gefährlich sind, weil ihre tatsächlichen Ziele nicht offengelegt werden. Wenn aber in anderen Bereichen mit verdeckten Ermittlern gearbeitet worden ist, dann fragen wir Sie, Herr Schünemann, warum Sie dies in den letzten Jahren nicht auch in dieser Szene getan haben. Hier wäre es sicherlich angebracht gewesen!

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Ahlers spricht jetzt für die CDUFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Ahlers.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Jetzt wird das richtiggestellt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Phänomen Rockerkriminalität ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den polizeilichen Fokus gerückt. Das Thema ist viel zu ernst, meine Damen und Herren, als dass sich die Hells Angels für eine Wahlkampfrede eignen. Mir liegt es jetzt fern, das zu zitieren - wenn die Zeit noch reicht, würde ich es gern tun, Kollege Bachmann -, was Ihr Ministerpräsidentenkandidat Stephan Weil vor zwei Jahren dazu gesagt hat. Das können Sie aber auch nachlesen. Das ist etwas ganz anderes.

Nein, mir geht es jetzt darum - das freut mich insbesondere bei diesem Thema -, über eine gewisse Einvernehmlichkeit insbesondere im Innenausschuss zu berichten. Deshalb sage ich zu Beginn meiner Rede, dass die effektive Bekämpfung der Rockerkriminalität gerade nach den Ereignissen in der letzten Woche nicht nur aktuell, sondern zugleich auch eine Herausforderung für den Staat und seine Einrichtungen ist.

Es ist für die Öffentlichkeit ein gutes Signal, dass der Landtag hier und heute beabsichtigt, sich einvernehmlich dafür einzusetzen, dass es in Niedersachsen jetzt nicht, heute nicht und niemals rechtsfreie Räume gibt bzw. geben wird.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Jens Nacke [CDU])

Meine Damen und Herren, die Beratungen im Innenausschuss haben gezeigt, dass eine gemeinsame Zielsetzung richtig ist. Deshalb sind wir einstimmig - bei einer Enthaltung der Linken - zu der Beschlussempfehlung gekommen, ein Verbotsverfahren für die Hells Angels zu prüfen.

Nach den abschließenden Beratungen wird nunmehr die Landesregierung gebeten,

„1. vor dem Hintergrund der gegen Mitglieder der Hells Angels laufenden Strafverfahren die Möglichkeit von Verbotsverfahren gegen Hells Angels in Niedersachsen kontinuierlich und weiterhin mit Nachdruck zu prüfen,

2. sich hierzu mit den Strafverfolgungsbehörden und zuständigen Ministerien anderer Bundesländer weiterhin eng abzustimmen und

3. den Landtag über entscheidende Maßnahmen im Zusammenhang mit Verbotsverfahren zu unterrichten.“

Meine Damen und Herren, im gemeinsamen Situationsbericht der norddeutschen Küstenländer zu Rockergruppierungen waren gerade in den letzten vier Jahren bundesweit gewalttätige Auseinandersetzungen bis hin zu Tötungsdelikten festzustellen. Die Hells Angels sind als Motorradgruppe auch in Niedersachsen mehrfach durch Handlungen ihrer Mitglieder strafrechtlich in Erscheinung getreten. Aufgrund der Erkenntnisse über kriminelle Rockergruppierungen reagierte die Landesregierung bereits 2005 mit der Rahmenkonzeption zur Intensivierung der Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität im Umfeld von Motorradklubs und richtete im Dezernat 35 eine Ermittlungsgruppe ein.

Meine Damen und Herren, nur das Sammeln von Erkenntnissen kann zu Verboten führen, wenn das gerichtsfest ist.

(Fritz Güntzler [CDU]: So ist es!)

Deshalb ist auch bundesweit ein ganzheitlicher Ansatz in der Bekämpfungsstrategie gegen Rockerkriminalität sehr wichtig. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften, Finanzbehörden und den zuständigen Stellen in den Kommunen und auch mit den Unternehmen in der Wirtschaft kann eine gerichtsfeste Erkenntnislage ermöglichen.

Ich betone es noch einmal deutlich: Zielsetzung des Niedersächsischen Landtags ist das Verbot

der kriminellen Rockergruppen. Die Motorradklubs betreiben oftmals scheinbar seriöse Sicherheitsfirmen, und ihre Mitglieder geben nach außen den unabhängigen Freigeist in Lederkutte. Hinter dieser Kulisse verbergen sich allerdings strenge Hierarchien und zum Teil knallharte Geschäftsinteressen im Rotlichtmilieu.

(Björn Thümler [CDU]: So ist es!)

Dieses Streben nach krimineller Macht und die Verbreitung von Angst und Schrecken lehnen wir hier in diesem Hause entschieden ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Jawohl!)

Insbesondere aber auch zu einer deutlichen Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls der niedersächsischen Bevölkerung sagen wir heute im Niedersächsischen Landtag: Verbotsverfahren für die Hells Angels einleiten!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Zu dem Beitrag von Herrn Ahlers hat sich Frau Leuschner zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön, Frau Leuschner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ahlers, ich habe nur eine kurze Frage. Sie sind ja schon lange im Innenausschuss. Ich frage Sie: Wie oft ist von unserer Seite beispielsweise das Thema Rockerkriminalität, die Unterrichtung zu Hanebuth angesprochen worden? Sie haben eben so wohlwollend gelobt, was die Landesregierung schon alles gemacht hat. Ich glaube, man musste da ein bisschen Nachhilfe starten.

(Zustimmung bei der SPD - Johanne Modder [SPD]: Ein bisschen? - Fritz Güntzler [CDU]: Was? Die haben kei- ne Nachhilfe nötig!)

Die nächste Wortmeldung ist von Frau JanssenKucz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte es ja eine Selbstverständlichkeit sein, dass das Innenministerium laufend Verbotsverfahren gegen Rockerbanden in Niedersachsen prüft und bei ausreichend vorhandenen Nachweisen auch ein Verbotsverfahren einleitet. Dann hätten wir nämlich diesen Antrag gar nicht benötigt.

(Björn Thümler [CDU]: Das macht es doch!)

Es war aber schon auffällig, dass uns im November berichtet wurde, dass endlich nach dem Erlass im März 2011 die Arbeitsgruppe im November in Niedersachsen eingerichtet wurde - acht Monate später -, und wir jetzt fast wieder neun Monate gebraucht haben, bis wir wieder einen Schritt weiter sind. In Niedersachsen hat man seit einigen Jahren den Eindruck, dass wir ein kleines sicheres Rockerbiotop sind, in dem in den vergangenen Jahren 22 Rockerklubs ihr Zuhause fanden,

(Ulf Thiele [CDU]: Weißt du eigentlich, welchen Unsinn du da erzählst?)

damit Klubräume fanden und ihre Geschäftsreviere gefunden haben. Kein anderes Bundesland, lieber Ulf Thiele, hat einen solchen Zuwachs an Rockerklubs.

Rund um uns herum, von Bremen über Hessen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen bis Berlin, wurden von den Innenministern der Länder Razzien durchgeführt, Verbotsverfahren eingeleitet und vor Gericht erstritten. In Schleswig-Holstein wurde vorgestern das Verbot der Hells Angels Flensburg vom OVG ohne Revision bestätigt.

Seit Jahren wird in den anderen Bundesländern eine Null-Toleranz-Strategie gegen Rockerbanden und nicht nur gegen die berüchtigten Hells Angels gefahren. Aber in Niedersachsen hatte man, wie gesagt, den Eindruck, dass die Uhren etwas anders gehen. Im Oktober 2011 ging selbst der ehemalige Polizeipräsident Grahl noch mit Gästen am Steintor

(Ulf Thiele [CDU]: Oje!)