Protokoll der Sitzung vom 21.06.2012

Es handelt sich um die Familie Bajrami, bestehend aus dem Vater Sefer, geboren am 5. Dezember 1973, der Mutter Nedjmia, geboren am 15. Juni 1973, den volljährigen Kindern Sejdjan und Djuliano sowie den minderjährigen Kindern Samela und Severdan.

Die Familie konnte leider weder von der niedersächsischen Bleiberechtsregelung noch von der gesetzlichen Altfallregelung nach § 104 a des Aufenthaltsgesetzes profitieren, weil sie bewusst über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht hat und strafrechtliche Verurteilungen angefallen sind. Ich darf Ihnen das einmal darstellen:

Herr Sefer Bajrami wurde zwischen 1997 und 2009 in unterschiedlichen Strafverfahren wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Diebstahls, Beleidigung, unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen und Unterschlagung zu Geldstrafen von insgesamt 115 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilungen liegen teilweise einige Jahre zurück; man muss sehen, ob einige Taten im Bundeszentralregister bereits getilgt sind.

(Unruhe)

Herr Minister, darf ich Sie eben einmal unterbrechen?

Bitte!

Meine Damen und Herren, wir sollten doch den Ausführungen des Ministers folgen und nicht de

nen des Nachbarn oder der Nachbarin. - Vielen Dank, Herr Minister.

Grundsätzlich gehören die drei ältesten Kinder zu dem Personenkreis, der durch die neu geschaffene Regelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende ein Aufenthaltsrecht erhalten kann. Allerdings werden die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Gründe dafür sind folgende:

Sejdjan Bajrami war von April bis Juni des Jahres 2011 unbekannten Aufenthalts, hielt sich aber vermutlich illegal im Bundesgebiet auf.

Djuliano Bajrami ist strafrechtlich bereits wie folgt in Erscheinung getreten: Am 9. Juni 2010 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, Betrugs, Urkundenfälschung, Diebstahls und räuberischer Erpressung zu einem zweiwöchigen Dauerarrest verurteilt. Am 10. November 2010 wurde er wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen. Die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Aktuell ist ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs des räuberischen Diebstahls in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte anhängig.

Samela Bajrami hat die Förderschule verlassen, ohne einen Schulabschluss erreicht zu haben. Im Zeugnis vom 30. Juni 2011 waren ihre Leistungen in 12 von 16 bewerteten Fächern mangelhaft oder ungenügend. Sowohl das Arbeits- als auch das Sozialverhalten entsprachen nicht den Erwartungen. Es wurde festgehalten, dass sie oft den Unterricht störe und sich Lehrern gegenüber respektlos verhalte. Aktuelle Zeugnisse der Berufsschule wurden der zuständigen Ausländerbehörde nicht vorgelegt. Ob es ihr tatsächlich möglich sein wird, den Friseurberuf zu ergreifen, ist zumindest fraglich.

Es ist, glaube ich, ziemlich eindeutig, dass man in Niedersachsen nicht automatisch ein Aufenthaltsrecht bekommen kann. Das ist übrigens auch in allen anderen Bundesländern so.

Natürlich kann noch einmal eine Härtefalleingabe eingereicht werden. Das würde nicht daran scheitern, dass schon einmal ein Abschiebetermin festgelegt war. Denn dieser Abschiebetermin ist storniert worden. Wenn kein eigenes Verschulden

hinsichtlich eines verstrichenen Abschiebungstermins vorliegt, kann man durchaus ein Härtefallersuchen stellen. Aber angesichts der aufgezählten Straftaten müssten wir sehen, ob es überhaupt möglich ist, diesen Fall in die Härtefallkommission zu geben. Aber die Kommission ist unabhängig; deshalb habe ich mich da zurückzuhalten.

Meine Damen und Herren, dieser Fall macht wieder deutlich, wie das Land Niedersachsen und insbesondere die jeweils zuständige Ausländerbehörde vor Ort - die entscheidet ja darüber; hier ist das die Stadt Wolfsburg, die übrigens, was man bedauern kann, was ich aber nicht zu bedauern habe, einen SPD-Oberbürgermeister und auch eine entsprechende Mehrheit im Stadtrat hat - in solchen Fällen in der Presse dargestellt werden. Angesichts dessen, was ich hier vorgelesen habe, muss ich sagen: Die Ausländerbehörde hat hier völlig richtig gehandelt.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Frage wird von der Kollegin Frau Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Sie auf meine Frage, welche Ausschlusskriterien über die vom Bundesgesetzgeber formulierten hinaus Ihre Verordnung vorsieht, nicht ganz korrekt geantwortet haben, weil Sie auch Ausschlussgründe erwähnt haben, die der Bundesgesetzgeber formuliert hat, möchte ich auf einen konkreten Ausschlussgrund eingehen, der immer wieder in der Diskussion ist, und zwar den Nichtannahmegrund des Abschiebetermins. Sie haben die Verordnung im vergangenen Jahr insoweit korrigiert, als auch ein Abschiebetermin, der in der Vergangenheit festgestanden hat, ein Nichtannahmegrund ist. Das war z. B. für die Familie Nguyen 2007 ein Verhängnis. Ich möchte Sie vor diesem Hintergrund fragen, mit welcher Intention Sie einen Abschiebetermin, der z. B. vor zehn Jahren festgestanden hat, hier als Ausschlussgrund formulieren, obwohl doch humanitäre und persönliche Gründe Vorrang haben sollten.

Herr Minister!

Wir haben aus dem Fall Nguyen die Konsequenz gezogen, dass, wenn tatsächlich alle Maßnahmen abgeschlossen sind und die Abschiebung bevorsteht, wenn also kein Gerichtsurteil mehr abgewartet werden muss, jeder belehrt wird, dass er jetzt die Möglichkeit hat, eine Härtefalleingabe einzureichen. Das hat übrigens zu einer erheblichen Zunahme der Fallzahl geführt. Auch völlig aussichtslose Fälle gelangen in die Geschäftsstelle. In keinem anderen Bundesland ist das so geregelt.

Da wir das so machen, ist völlig ausgeschlossen, dass es in diesem Zusammenhang irgendwelche Probleme geben kann. Denn wer unmittelbar benachrichtigt worden ist, dass er jetzt eine Härtefalleingabe erstellen kann, und dann den Abschiebetermin verstreichen lässt - - - Das macht nun wirklich keinen Sinn. Deshalb ist in der Zukunft da überhaupt keine Problematik mehr gegeben. Eine humanere Lösung kann man nicht schaffen. Das ist meiner Ansicht nach der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist nicht korrekt! Darf ich noch einmal nachfragen?)

Die nächste Frage wird vom Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE gestellt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung - - -

(Unruhe)

- Herr Schünemann, jetzt müssten Sie schon einmal zuhören; die Frage geht an Ihre Adresse.

(Minister Uwe Schünemann: Ich kann beides! Ich habe zwei Ohren!)

- Okay, Sie sind multitaskingfähig.

Sie haben vorhin aus der Härtefallverordnung u. a. die Tatbestände vorgelesen, unter denen ein Härtefallantrag nicht angenommen werden kann. Darunter befand sich auch der Fall, dass das Anliegen bereits durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abschließend behandelt worden ist.

Was ich Sie jetzt frage, frage ich Sie vor dem Hintergrund eines konkreten Falls, den ich selber als Anwalt vertreten habe und noch vertrete. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, unterstützt vom Verwaltungsgericht, hat gesagt, dass das, was vorgetragen worden war, insbesondere

zur sozialen Problematik im Heimatland - es betraf den Irak -, nicht ausreichend sei, da es sich nicht um einen Ausdruck politischer Verfolgung handele.

Daraufhin habe ich diesen Fall der Härtefallkommission vorgetragen, weil die soziale Problematik, die in dem Fall steckt, von dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht gar nicht bestritten worden ist. Die Härtefallkommission hat den Fall nicht angenommen mit der Begründung, das Bundesamt habe schon entschieden. Halten Sie das für zulässig?

Herr Minister!

Die Verhältnisse im Herkunftsland kann eine Härtefallkommission nicht beurteilen. Das ist ganz eindeutig Sache des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Insofern hat sie gar keine andere Möglichkeit, als nicht anzunehmen.

Die nächste Frage wird vom Kollegen Wenzel von Bündnis 90/Die Grünen gestellt.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schünemann, vor dem Hintergrund des Schreibens von Herrn Mahrenholz frage ich Sie: Warum brauchen Sie eigentlich eine doppelte Hürde für die Entscheidung der Härtefallkommission, zum einen bei der Prüfung eines Antrags und zum anderen bei der Festlegung der enorm hohen Hürden in der Verordnung selbst? Warum reicht nicht auch aus Ihrer Sicht eine einzige Hürde?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist ein ganz Vorsichtiger!)

Wir haben keine hohen Hürden. Insofern gibt es überhaupt keinen Grund, in irgendeiner Weise etwas zu ändern. Wenn Sie sich die Situation in anderen Bundesländern einmal anschauen, stellen Sie fest, dass das bei uns sogar sehr viel liberaler ist. Das können Sie übrigens sehr gut nachvollziehen, wenn Sie sich einmal die Eingänge insgesamt

anschauen. Insofern gibt es keine Notwendigkeit, etwas zu verändern. Es gibt kein Problem bei der Annahme.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Kirchen!)

- Bitte!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es gab doch ganz offensichtlich Kritik aus dem kirchlichen Raum genau an die- sen Fragen!)

- Wir haben deshalb in der neuen Verordnung - das wissen Sie - ein Vorprüfungsgremium geschaffen, in dem zwei Mitglieder aus der Härtefallkommission diese Fälle mit beurteilen können. Das ist übrigens von der Konferenz der Kirchen sehr begrüßt worden.

Die nächste Frage stellt Frau Dr. Lesemann von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In der Novelle zur Härtefallkommissionsverordnung ist in § 5 b Abs. 2 Satz 4 von den Nichtannahmegründen die Rede. Zu den Nichtannahmegründen! Was sind nach § 5 b Abs. 2 Satz 4 in der HFK-Novelle Eingaben, die offensichtlich keinen Erfolg haben, und wer beurteilt, dass diese Eingaben offensichtlich keinen Erfolg haben? Ich denke, diese Vorgabe muss präzisiert werden. „Offensichtlich“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Deshalb muss hier eine genauere Ausführung erfolgen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das entscheidet in Zukunft die Vorprüfungskommission. Eindeutig ist: Dass ein Fall nicht zum Erfolg führt, ist schon allein dann gegeben, wenn z. B. bereits andere aufenthaltsrechtliche Paragrafen greifen. Insofern ist das völlig klar. Das heißt also, wenn andere aufenthaltsrechtliche Paragrafen da sind, die das Aufenthaltsrecht selber ermöglichen, dann ist absolut klar, dass kein Härtefall möglich ist, oder wenn tatsächlich Gründe dagegen sprechen.