Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Durch diese gesetzliche Regelung schnürt man die Kreditgeschäftmöglichkeiten der Sparkassen gezielt ein. Das ist die Operation, die die Großbanken gegenwärtig mit Tolerierung der Bundesrepublik Deutschland über Brüssel fahren.

Eine zweite Front in dieser Richtung - das ist wirklich ein Krieg auf finanzieller Basis - sind die Kommunalkredite. Wir haben vorgestern glücklicherweise von der Landesregierung gehört: Natürlich stehen wir für die Kommunen gerade. - Damit ist auch klar: Kommunalkredite sind keine Risiken, die mit zusätzlichem Eigenkapital zu unterlegen sind. Das muss Brüssel begreifbar gemacht werden.

Wer jedoch will, dass Kommunalkredite wie jeder Geschäftskredit behandelt werden, der will Sparkassen bewusst schwächen. Wir wollen das nicht und sind deshalb dagegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schwächen will die Sparkassen auch, wer versucht, deren Geschäft durch Überregulierung zu erdrosseln. Das Geschäft der Sparkassen ist überwiegend Massengeschäft. Die Forderung, jedes Risikogeschäft mit einer Fülle von Formularen und Protokollen über Gespräche zu bedecken - das ist zum Teil ein dicker Packen Papier -, mag für risikoreiche Anlagen im Bereich oberhalb von 10 000 Euro gerechtfertigt sein. Aber die Regulierungsabsichten sind so gestrickt, dass auch Omas kleines Depot, in der Perspektive möglicherweise Anlagen bis hin zu Sparbriefen darunter fallen.

Das wäre dann tatsächlich die Regulierungskeule gegenüber den Sparkassen und Genossen

schaftsbanken, die überwiegend dieses Massengeschäft betreiben. Wir wollen, dass man den Großbanken diese Regulierungskeule aus der Hand schlägt.

Schließlich - dazu muss ich, glaube ich, in diesem Hause nicht mehr viel sagen - geht es um die EBA, die Europäische Bankenaufsicht. Wir fordern, kurz gesagt, ein Moratorium. Die sollen sich erst einmal in Ruhe aufbauen und das Geschäft lernen, bevor sie raten. Wir wollen nicht, dass sie diese unsinnigen, die NORD/LB schädigenden Beurteilungen vornehmen - Sie wissen das alle -, bevor sie das Geschäft nicht wirklich verstehen.

Wir wollen - mit einem Wort -, dass sich die Landesregierung nicht nur verbal zu den Sparkassen bekennt, sondern per Gesetz hilft, sie solider zu machen und gegenüber den Großbanken zu schützen. Das schadet natürlich den Großbanken, das nutzt aber Niedersachsen und der Sache der sozialen Gerechtigkeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Heidemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE erweckt vordergründig den Eindruck, man wolle den deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Europa ein Sonderrecht einräumen. Liest man den Antrag aber aufmerksam, muss man feststellen, Herr Dr. Sohn, dass es der Linken um den Versuch geht, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken nachhaltig zu schwächen.

(Oh! bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutschlands Bankenlandschaft wird gestaltet durch das Drei-Säulen-System. Neben Sparkassen und Genossenschaftsbanken gibt es die Privatbanken. Sparkassen haben einen öffentlichrechtlichen Auftrag, der von dem Träger - in der Regel die Kommunen - erfüllt wird. Die Genossenschaftsbanken sind nach dem Genossenschaftsrecht organisiert und gehören damit den Bürgerinnen und Bürgern, die in der Regel im näheren Umkreis der Bank wohnen und arbeiten. Das Spektrum bei Privatbanken reicht vom inhaberge

führten Bankhaus bis zur Großbank, die als Aktiengesellschaft organisiert ist. Dieses Bankensystem hat sich bewährt und sorgt für einen gesunden Wettbewerb zum Nutzen des Verbrauchers in unserem Land.

Meine Damen und Herren, Europa hat in der Vergangenheit versucht, dieses deutsche Bankensystem ins Wanken zu bringen. Ich vermute, es war eine Menge Unkenntnis und Unverständnis für die deutsche Situation vorhanden.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Dumm sind die nicht!)

Die Sparkassen mussten auf ihre Sonderrechte, wie Gewährträgerhaftung und Anstaltslast, verzichten. Weitere Angriffe konnten jedoch durch Informationen der Europäer außerhalb Deutschlands und nicht zuletzt durch den Erfolg, den die Sparkassen und Genossenschaftsbanken beim Durchschiffen der Banken- und Wirtschaftskrise zu verzeichnen hatten, erfolgreich abgewehrt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Dennoch muss die niedersächsische und deutsche Politik gegenüber Europa in diesen Fragen - ähnlich wie beim VW-Gesetz - sehr wachsam sein und jede Veränderungsmaßnahme, die Europa hier vornehmen will, im Keime ersticken.

(Richtig! bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass sowohl die deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament als auch die Bundes- und Landesregierung hervorragend im Thema sind und sich mit allen Mitteln entsprechend einsetzen. Darum ist die Aufforderung an die Landesregierung, die mit Ihrem Antrag beschlossen werden soll, überflüssig und wird von der CDU-Fraktion so nicht geteilt.

(Beifall bei der CDU)

Unsere Landesregierung, meine Damen und Herren, mit Ministerpräsident David McAllister und Finanzminister Hartmut Möllring leistet auch zu diesem Thema hervorragende Arbeit, Herr Dr. Sohn, und braucht dazu keine Aufforderung durch das Parlament.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und erst Herr Hogrefe!)

Meine Damen und Herren, der zweite Teil des Antrags, den Herr Dr. Sohn eben eingebracht hat, lässt aber die Katze aus dem Sack. Sie wollen, dass sowohl Sparkassen als auch Genossen

schaftsbanken den Zinssatz für Dispositionskredite auf eine gesetzlich festgelegte Höhe begrenzen. Außerdem wird eine kostenlose Kontoführung für finanzschwache Menschen - darunter für Menschen, die Lohnersatzleistungen beziehen - gefordert.

Meine Damen und Herren, das wäre ein schwerer Wettbewerbsnachteil für Sparkassen und Genossenschaftsbanken gegenüber den Privatbanken. Die Begrenzung von Kreditzinsen und die zwangsweise gebührenfreie Führung von Girokonten bringen die Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter Ertragsgesichtspunkten in Schwierigkeiten. Den Rahm der Kundschaft werden die Privatbanken abschöpfen, und für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken bleibt nur noch die Magermilch.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Lebenserfahrung lehrt, Herr Dr. Sohn, dass man defizitäre Geschäfte auch nicht durch Anhebung der Menge verbessern kann.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Und meine Berufserfahrung, meine Damen und Herren, lehrt, dass jede Sparkasse und Bank eine Ertragskalkulation der einzelnen Kundenverbindungen vornimmt und gerne zu Verhandlungen und Gesprächen über die Höhe von Zinssätzen und Gebühren bereit ist. Ich will damit sagen, dass hier individuell, selbstverständlich unter dem Regelzinssatz für Dispositionskredite, auch andere Kreditzinsen vereinbart werden können. Das weiß ich aus meiner Praxis.

Meine Damen und Herren, allerdings ist es ein Problem - das kann man auch nicht wegdiskutieren -, dass Banken Menschen, die in finanzielle Probleme geraten sind, das Girokonto kündigen und andere Banken die Eröffnung eines Girokontos ablehnen. Da aber Zahlungen fast nur noch bargeldlos erfolgen, brauchen auch diese Menschen ein Girokonto. Dieser Sachlage haben allerdings die Sparkassen und teilweise auch die Genossenschaftsbanken Rechnung getragen. So führen die Sparkassen aufgrund ihres öffentlichen Auftrags bereits jetzt ein Girokonto für diesen Personenkreis auf Guthabenbasis. Ich glaube, das ist eine Möglichkeit für alle Menschen, bei der Sparkasse ein Konto zu bekommen.

Darüber hinaus befasst sich zurzeit der Finanzausschuss des Bundestages mit diesem Problem und wird gegebenenfalls einen Gesetzentwurf

vorlegen. In jedem Fall muss es aber immer und überall zu einer Gleichbehandlung aller Institutsgruppen kommen. Ich glaube, Herr Dr. Sohn - wir werden ja noch im Ausschuss darüber reden -, wenn an Ihrem Antrag nicht substanziell etwas verbessert wird, wird die CDU-Fraktion ihn leider, wie so viele Anträge der Linken, ablehnen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Klein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den vorliegenden Antrag empfinde ich als etwas diffus, als eine seltsame Mischung aus „Eulen nach Athen tragen“ und dem Beweis der These, dass gut gemeint durchaus das Gegenteil von gut gemacht sein kann.

In ihrer Analyse unter Abschnitt I singen die Linken das Hohelied der Sparkassen und Genossenschaftsbanken - geschenkt, Herr Dr. Sohn. Über die besondere Bedeutung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken hat es doch zumindest in diesem Haus eigentlich nie einen grundsätzlichen Dissens gegeben. Ich glaube, dass man das inzwischen auch auf der europäischen Ebene entsprechend erkannt hat.

Ihren Forderungsteil unter Abschnitt II Punkt b), in dem Sie die Regulierungsmaßnahmen aufs Korn nehmen, ist nicht mehr rein sparkassenspezifisch und auch nicht mehr sehr präzise. Ich will zwei Beispiele nennen.

Erstens habe ich grundsätzliche Bedenken in Bezug auf Sonderregelungen für Sparkassen und Genossenschaftsbanken, z. B. beim Eigenkapital. Das munitioniert doch nur die konkurrierenden Großbanken. Ich denke, das Problem muss über eine bessere Gewichtung der jeweiligen Aktiva gelöst werden. Die muss bei einem überschaubaren Investitionskredit für einen örtlichen Betrieb oder bei einem Verbraucherkredit für einen langjährig bekannten Kunden anders - sprich: deutlich niedriger - sein als bei der Finanzierung eines Tankers in Südostasien.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Beispiel 2: Die Nullrisikogewichtung der Kommunalkredite ist überhaupt nicht umstritten, aber ihre Berücksichtigung bei der Leverage Ratio, also der Schuldenbremse der Banken, halte ich für logisch

und sinnvoll. Ich erinnere an die Hypo Real Estate, die fast ausschließlich nullgewichtete Aktiva in ihrem Portfolio hatte. Eine Leverage Ratio hätte dort frühzeitig warnen und Schlimmeres verhüten können.

Ihre Ausführungen zu den Dispokrediten und zu den Kosten der Kontoführung betreffen natürlich auch fast alle Finanzinstitute. Ich bezweifele in der Tat auch, dass die Sparkassen und die Genossenschaftsbanken eine Sonderbehandlung mit staatlichen Preisfestsetzungen als Stärkung ihrer Position empfinden werden. Das Gegenteil dürfte der Fall sein.

Richtig ist natürlich: Die Höhe der Dispo- und Überziehungszinsen fällt in Deutschland deutlich aus dem europäischen Rahmen. Sie lassen sich deshalb zu Recht hinterfragen. Die jüngste Analyse des Bundesfinanzministeriums dazu macht das ja auch deutlich. Aber, meine Damen und Herren, staatliche Preislenkung hat selten dauerhaft etwas Gutes bewirkt.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Ein Dispo ist für eine Bank sehr teuer, da Kapital auf Verdacht vorgehalten werden muss. Sparkassen werden sich in der Regel auch nicht über die EZB finanzieren, jedenfalls unsere nicht. Sie leben vom Retail-Geschäft, also von den Einlagen ihrer Sparkunden. Da könnte eine Zinsdeckelung schnell dazu führen, dass dieses Produkt nicht mehr angeboten wird. Das wäre natürlich ein Bärendienst für die Menschen, die gelegentlich darauf angewiesen sind.

Stichwort Kontokosten: Ein Konto zu führen, kostet Geld. Wer soll das bezahlen? - Die Linken sagen nicht, ob die gesetzliche Freistellung zulasten der Geldinstitute gehen soll oder ob eine Erstattung durch den Staat erfolgen soll. Sparkassen und Genossenschaftsbanken verfügen nicht über Eigenkapitalrenditen im Ackermannschen Ausmaß. Ihre Kalkulation der Margen für die einzelnen Produkte orientiert sich natürlich an den Kosten, aber in erster Linie an der Wettbewerbssituation. Sie dort einzuschränken und das als Stärkung zu verkaufen, finde ich schon sehr gewagt.

Ich kritisiere auch überhöhte Dispozinsen, hohe Kontoführungsgebühren, noch höhere Gebühren für Pfändungsfreikonten und Konten auf Guthabenbasis, wie sie hier angesprochen sind - ebenso wie ich gelegentlich hohe Spritpreise, überteuerte Biowaren und überhöhte Hotelpreise kritisiere.