Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Wir werden Ihrem Antrag auch nicht zustimmen können, weil er selbst für Ihre stark eingegrenzte Klientel keine überzeugenden Konzepte bietet. Der Niedersächsische Bund für freie Erwachsenenbildung hat während der Beratung darauf hingewiesen, dass es für Seniorinnen und Senioren nicht besonders attraktiv ist, wenn sie ausdrücklich aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters angesprochen werden. Die Vertreter der Erwachsenenbildung wiesen vor dem Hintergrund ihrer Erfahrung mit Bildungsprojekten aus den vergangenen Jahrzehnten darauf hin, dass seniorenspezifische Programme häufig abgelehnt und als unwillkommene Akte subtiler Diskriminierung wahrgenommen werden. Mit Ihrer Idee wer

den Sie Ihre Zielgruppe also gar nicht erreichen, sehr geehrte Kollegen von der CDU und von der FDP.

Drittens und letztens. Es gibt zwar nicht viele Studien zu der Frage, wodurch und in welchem Lebensabschnitt die Menschen beginnen, sich für Kulturprojekte zu interessieren, aber die wenigen Studien zeigen deutlich, dass diese Prägungen nicht im fortgeschrittenen Alter, sondern in jungen Jahren erfolgen. Wenn Sie im allerersten Satz Ihres Antrags ein Szenario aus dem Jahr 2050 beschreiben, wenn Sie also beschreiben, was wir in 40 Jahren erleben werden, dann sollten Sie sich in Ihrem weiteren Antragstext auch um die Älteren des Jahres 2050 kümmern, und das ist die junge Generation von heute. Hier werden die kulturellen Prägungen gesetzt und Interesse und Neugierde erzeugt. Aber Sie können nicht davon ausgehen, dass Sie mit den Instrumenten, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, ältere Menschen flächendeckend für Kultur begeistern können.

Kurz gesagt: Die Analyse ist falsch, Ihre Zielgruppe ist falsch, Ihre Instrumente sind falsch und Ihr Antrag damit auch. Wir lehnen ihn ab.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Frau Behrens für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte sehr, Frau Behrens!

Herr Präsident! Geehrte Herren, geehrte Damen! Frau Kollegin Prüssner, die Kolleginnen haben es eben schon deutlich gemacht: Der Antrag „Senioren und Kultur“ von CDU und FDP war in der ursprünglichen Fassung kein großer Wurf, und er ist auch im Änderungsantrag kein großer Wurf geworden. Sie laufen der längst geführten Debatte von Kulturtreibenden und auch von Kulturwissenschaftlern hinterher, die sich Gedanken um die Einbindung der jüngeren wie der älteren Generation machen. Die Debatte ist durch Ihren Antrag nicht wirklich beflügelt worden. Der Antrag ist und bleibt eine Nullnummer. Das muss man leider sagen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Zustimmung von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE])

Woran liegt das, Frau Kollegin Prüssner? Das Hauptproblem des Antrages ist, dass er an man

chen Stellen die Herausforderungen beschreibt, aber an keiner Stelle und auf gar keinen Fall irgendwelche konkreten Handlungsansätze bietet. Ich möchte den Landesseniorenrat dazu zitieren, der in seiner schriftlichen Stellungnahme schreibt - ich zitiere -: „Der Antrag geht aber zu wenig auf die spezifischen Schwierigkeiten im Land Niedersachsen ein. Zwar betont er, dass Niedersachsen ein Flächenland sei, die damit verbundenen Probleme werden aber nicht konkret benannt.“

Ich möchte hinzufügen: Sie werden erst recht nicht gelöst.

Dabei haben wir dank der schriftlichen Anhörung gute mögliche Politik- und Handlungsansätze erhalten. Leider, geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ist fast gar nichts davon in Ihren Änderungsantrag eingeflossen. Da verließ Sie der Mut oder der Wille, etwas zu ändern.

Sie haben z. B. die Lebenssituation der älteren Menschen völlig ausgeblendet. Gesellschaftliche Teilhabe von Älteren ist aber nicht selbstverständlich. Wer mehr Menschen den Weg zu kulturellen Angeboten eröffnen will, muss niedrigschwellige und einfache Angebote machen, aber er muss vor allen Dingen auch wissen, was diese Menschen haben möchten. Frau Dr. Heinen-Kljajić und die Kollegin der Linken haben das angeführt. Die Besucherforschung kommt bei Ihnen völlig zu kurz.

Seltsam finde ich auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass Sie die auf Frage der Seniorenansprache in der Kulturentwicklungsplanung auf Landes- wie auf Kommunalebene überhaupt nicht eingehen. Das Ministerium führt gerade ein groß angelegtes Konsultations- und Beteiligungsverfahren zum angehenden Kulturentwicklungsplan des Landes durch. Das ist CDU und FDP kein einziges Wort wert. Wenn Sie aber die Einbindung älterer Menschen in Kultur ernsthaft wollen, dann sollte auch das eine Rolle spielen.

Mit Ignoranz strafen CDU und FDP auch die Situation der kommunalen Kultureinrichtungen. Sie tragen aber die Hauptlast der Einbindung von jungen wie älteren Menschen bei Kulturangeboten.

(Jens Nacke [CDU]: Wie denn das?)

Der zunehmende Druck der Haushaltskonsolidierung, geehrter Kollege Nacke, macht für viele Angebote von Kulturtreibenden und für viele Kulturangebote den Rechtfertigungszwang immens, sodass wir kulturpolitisch wirklich in eine Situation kommen, in der die Angebote immer

weniger werden. Auf diesem Auge sind Sie aber kulturpolitisch total blind. Das ist ein großes Problem.

Hinzu kommt - auch das passiert den Kollegen von CDU und FDP immer wieder -, dass Sie die Zauberformel „ehrenamtliches Engagement“ überstrapazieren. Insoweit möchte ich die Stellungnahme der LAG Soziokultur zitieren: „Freiwilliges Engagement ist keine beliebig verfügbare Ressource und schon gar nicht preisgünstiger Ersatz für professionelle Kulturarbeit. Im Gegenteil. Es erfordert von den Kultureinrichtungen eine bewusste und gestaltete Öffnung für das Mitwirken von Freiwilligen, also ein gezieltes Freiwilligenmanagement.“

Eine Antwort auf die Frage, wie das die Kultureinrichtungen leisten sollen, findet man im Antrag von CDU und FDP nicht. Eine gesonderte Förderrichtlinie um kulturelle Teilhabe von Menschen, auch von Älteren, zu fördern, gibt es beispielsweise auch nicht. Es gibt wirklich keinen realistischen Ansatz, wie Sie Ihre Ziele eigentlich erreichen wollen. Ihr Ansatz ist also weder innovativ noch bringt er uns voran.

Geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Sie mögen es uns verzeihen. Wir möchten eine solche Nullnummer nicht unterstützen; wir möchten das Thema auch nicht schönreden; wir werden diesen Antrag auch in der geänderten Fassung ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Patrick-Marc Humke [LINKE])

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau von BelowNeufeldt das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Opposition, Ihre Kritik ist die beste Anerkennung. Vielen Dank dafür. Dieser Antrag ist nämlich ein ganz wichtiger Anstoß, und er geht ganz genau in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir leben in einem wunderbaren Land, in einem Land des langen Lebens. Das hätten viele andere Menschen in der Welt auch gerne. In Niedersachsen sind die Bedingungen dafür bestens: ein gesundes Lebensumfeld, gute Ernährung, ein hohes Maß an Sicherheit -

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Frische Luft!)

- frische Luft. Anmerken möchte ich dazu: Das ist ein Verdienst der schwarz-gelben Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Menschen hier werden so alt wie nie zuvor. Altsein heißt heute etwas ganz anderes als früher.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Früher war es stickig! - Heiterkeit bei der SPD)

Heute sind diejenigen alt, die aufwuchsen, als es noch kein Mindesthaltbarkeitsdatum gab, und es sind diejenigen alt, deren Füße durchleuchtet wurden, als sie Schuhe kauften.

Meine Damen und Herren, die Erwerbstätigkeit endet zwar durch gesetzliche Regelung mit 67 Jahren, aber Realität ist, dass viele Menschen schon vorher in Rente gehen. Allerdings gehen sie ganz bestimmt nicht in den Ruhestand; denn alt ist man dann noch lange nicht. Man ist auch nicht immobil. „Rentenphase“ heißt heute ganz bestimmt nicht, dass man zum Fernsehen verurteilt ist.

Meine Damen und Herren, ohne Herausforderungen leiden viele Menschen viel eher. Deshalb sind die jungen Alten im Ehrenamt und im Sportverein als Seniorpartner unterwegs. Viele studieren oder machen die Dinge, von denen sie in der Berufsphase träumten. Ganz super, sage ich.

Bei dem Besuch der Bundesakademie für kulturelle Bildung waren Sie, Frau Dr. Heinen-Kljajić, offenbar nicht dabei. Dort wurden nicht nur Angebote wie Museumsreisen besprochen, sondern dort wurde auch ganz explizit dargestellt, wie wichtig kulturelle Bildung für ältere Menschen ist und wie stark sie auch nachgefragt wird. Die jungen Alten können nämlich Geschichten erzählen, die die jungen Menschen hören wollen, weil das z. B. die Gegenstände in den Museen lebendig werden lässt. Die jungen Alten sind Wissensträger und Multiplikatoren.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die jungen Alten haben unsere Wertschätzung verdient - und nicht Ihr Lachen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie können Brücken zu jungen Menschen und zu Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund schlagen. Das, meine Damen und Herren, schafft Respekt und Vertrauen. Unsere Werte werden in Museen gezeigt, unsere Werte werden im Theater und im Musikevent gelebt und erlebt.

Dieser Antrag ist mir wichtig. Das Interesse all derer, die wir anhörten, zeigte das ebenfalls. Wer heute alt ist, kennt ABBA und Rockmusik. Entsprechend müssen heute die Angebote ausgelegt werden, und das ist beileibe nicht Sache des Landes, sondern Sache privater Anbieter.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Knappe Haushaltsmittel müssen mit besonderer Sorgfalt verteilt werden. Deswegen ist es mir wichtig, dass Angebote auf den Zeitgeschmack ausgerichtet sind - und der wandelt sich bekanntlich.

Dieser Antrag spricht alle Seniorinnen und Senioren an. Ich habe, denke ich, viele gute Gründe aufgezeigt, warum auch die Opposition zustimmen könnte. Ihre Kritik war die beste Form der Anerkennung. Stimmen Sie dem Antrag jetzt bitte zu!

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu diesem Thema liegt mir noch eine Wortmeldung vor, und zwar von Frau Ministerin Dr. Wanka. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gott sei Dank werden wir im Schnitt alle älter und sind auch länger aktiv. Auf der anderen Seite gibt es aber immer weniger junge Leute. Es ist klar, dass das auch Auswirkungen auf die Kulturentwicklung und die Kulturplanung haben muss. Ich ärgere mich, wenn immer nur gesagt wird, wir müssen bei den Kindern anfangen. Das ist zwar völlig richtig. Aber diejenigen, die jetzt 45 Jahre und älter sind, sind auch wichtig. Bei denen kann man naturgemäß nicht mehr in der Schule anfangen. Deswegen sind neben kurzfristigen eben auch langfristige Aktivitäten notwendig.

In den letzten Jahren wurden in einer Reihe von Modellprojekten verschiedene Dinge ausprobiert. Man hat überlegt, wie man Ältere mit Kulturangeboten ansprechen kann. Dazu gibt es auch Unter