Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Damit kommen wir, wie angekündigt, zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer ihr folgen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und FDP in der Drs. 16/4844 unverändert annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Ausschussempfehlung wurde gefolgt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 25:

Erste Beratung: Ehrenamt stärken - Gebührenbefreiung für das Führungszeugnis für Ehrenamtliche neu regeln - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/4974

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Kollegin Seeringer zu Wort gemeldet. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Watermann, eines kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich an Ihre Redebeiträge zum letzten Tagesordnungspunkt denke. Da haben Sie gesagt, die vielen Leute, die ehrenamtlich Behinderte unterstützen, reichen eigentlich nicht aus, um die Ferienfreizeiten stattfinden zu lassen. Ich finde, Sie sollten nicht vergessen: Wenn es diese vielen Ehrenamtlichen nicht gäbe, wäre die Unterstützung der Behinderten nicht so groß.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Sie haben das nicht verstan- den!)

- Ich habe das schon verstanden. - Denn in der Zeit, in der wir hier diskutieren, sind viele Ehrenamtliche unterwegs und arbeiten für unsere Gesellschaft.

Was wäre mit unserer Gesellschaft, mit unserem Staat und seinen vielen Aufgaben, mit unserem Haushalt im Land und in unseren Kommunen, wenn wir die vielen ehrenamtlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht hätten, z. B. wegen zu viel Bürokratie oder zu wenig Unterstützung und Anerkennung? - Unsere Ehrenamtlichen würden sich enttäuscht abwenden, und unsere Gesellschaft würde viel an menschlicher Wärme und solidarischem Miteinander verlieren.

Ohne das ehrenamtliche Engagement unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger der Altersgruppe ab 14 Jahren wären viele wichtige Aufgaben in unserer Gesellschaft nicht zu leisten und nicht zu bezahlen. Das wissen wir alle.

Viele Ehrenamtliche im karitativen Bereich, in Verbänden, Kirche und Sport sind Vorbilder in ihrer Arbeit für uns und verdienen höchste Anerkennung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können auf die Arbeit der Ehrenamtlichen stolz sein, und wir danken ihnen für ihren großartigen Einsatz.

(Beifall bei der CDU)

Aber wie beginnt dieser ehrenamtliche Einsatz? - Viele von uns kennen es: Oft startet man in der Kinder- und Jugendarbeit, etwa wenn man mit Kindergartenkindern Seniorenheime besucht, wenn man sich zum Übungsleiter in Sportvereinen ausbilden lässt oder wenn man die Jugendleitercard erwirbt, um sich dann um Kinder und Jugendliche zu kümmern. Ich habe es letztens bei der Feuerwehr erlebt: Als gefragt wurde, wie viele Mitglieder der aktiven Wehr aus der Jugendfeuerwehr kommen, sind fast 90 % der Anwesenden aufgestanden auf. Das heißt, man muss ganz früh lernen, ein Ehrenamt zu übernehmen.

Ich habe kürzlich eine Mitarbeiterin, die bei mir einen Kurs „Vorlesepaten“ gemacht hat, gefragt, warum sie ehrenamtliche Arbeit leistet. Sie hat mir gesagt: Meine Kinder sind nicht mehr zu Hause, ich bin aktiv im Sport gewesen, ich habe einen Übungsleiterschein erworben, und ich habe jetzt die Kinderarbeit des Vereins übernommen. Es macht mir unheimlich viel Freude zu sehen, wie die Kinder Spaß an der Bewegung haben, wie sie sich langsam entwickeln und wie sie dadurch stärker und selbstbewusster werden. Ich schließe diese Stunde damit ab, indem ich ihnen etwas vorlese und mit ihnen singe.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Und warum müssen die dann ein gebüh- renpflichtiges Führungszeugnis ha- ben?)

- Dazu komme ich jetzt gleich.

Für viele Mitbürger - - -

(Zuruf von der LINKEN)

- Bitte lassen Sie mich doch erst einmal ausreden! Dann können wir gerne weiter diskutieren. Ich freue mich schon auf Ihre Kurzinterventionen.

Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir wissen, wie diese Ehrenamtlichen arbeiten. Interessierte werden in die Arbeit mit einbezogen und dann von den dort bereits tätigen Ehrenamtlichen als neue Kräfte gewonnen.

Seit einigen Jahren müssen wir aber feststellen, dass es in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen negative Entwicklungen gibt. Daher muss seit 2010 ein erweitertes Führungszeugnis beantragt werden. Diese Entwicklungen sind nicht gerade gut für unsere Kinder, und daher hat die Politik ein neues Kinderschutzgesetz verabschiedet; das gilt, wie Sie alle wissen, seit dem 1. Januar 2012. Damit sollen die Rechte von Kindern stärker geschützt werden. Nach § 72 sind die Anforderungen an Ehrenamtliche gestiegen. Die Vereine müssen sich fragen, welche Mitarbeiter sie ehrenamtlich einstellen. Außerdem wird, wie ich eben schon sagte, die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses für Ehrenamtliche gefordert. Art, Dauer und Intensität der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden beachtet, und dann wird dieses Zeugnis beantragt.

Diese Vorschrift dient der Sicherung der ehrenamtlichen Arbeit auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendarbeit. Sie bringt zumindest einen gewissen Schutz für die Kinder und auch für die Ehrenamtlichen, die in dieser Arbeit tätig sind. Einschlägig vorbestrafte Personen sollen damit rechtzeitig identifiziert, und ihnen soll der Zugang zu den entsprechenden Einrichtungen verwehrt werden.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Für das Führungszeugnis aus dem Bundeszentralregister entsteht natürlich eine Bearbeitungsgebühr. Zur Praxis in Niedersachsen möchte ich sagen, dass man hier mittlerweile einen Antrag auf Gebührenbefreiung stellen kann. Aber ich denke, dass wir diese Bürokratie abschaffen sollten. Nach einem Hinweis des Bundesamtes für Justiz unterstützt auch das Land dieses Vorhaben.

Wir möchten also die vollständige Gebührenbefreiung für Ehrenamtliche gesetzlich vorschreiben. Ich denke, das ist ganz wichtig, da wir die Rechtsklarheit in diesem Fall für alle Ehrenamtlichen brauchen. Wir brauchen sie nicht nur für die Niedersachsen, sondern für das ganze Land. Daher setzen wir uns für die Änderung des § 12 der Justizverwaltungskostenordnung ein.

Ich bin überzeugt, dass Sie alle, auch die, die dazwischengerufen haben, die Arbeit der Ehrenamtlichen unterstützen, und freue mich auf die Beratung im Rechtsausschuss.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Weddige-Degenhard von der SPD.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Seeringer, das war ja ein sehr interessanter Vortrag über das Ehrenamt. Aber mit dem Antrag hatte er nicht allzu viel zu tun.

(Zustimmung von Hans-Henning Adler [LINKE])

Als Deutschlehrerin würde ich „Thema verfehlt“ an den Rand schreiben.

(Clemens Große Macke [CDU]: Sie brauchen nicht alles zu beurteilen!)

Aber es gibt ja noch mehr Anträge, bei denen man sich fragt, was sie eigentlich sollen. Ich beziehe mich auf die Pressemitteilung des Kollegen Professor Zielke und frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Sind das Ihre wegweisenden Anträge - Abschaffung des christlichen Sonntags und Forderung nach einem kostenlosen erweiterten Führungszeugnis für Ehrenamtliche, das es bereits gibt? Oder sind das lediglich die letzten Strohhalme für eine Partei, die beweisen muss, dass es sie noch gibt, da sie befürchten muss, nicht wieder im Niedersächsischen Landtag vertreten zu sein, weil sie unter der 5-%-Marke vor sich hindümpelt?

(Beifall bei der SPD - Clemens Große Macke [CDU]: Es ist ja schön auf wel- chem fachlichen Niveau Sie hier dis- kutieren! Bisher noch nichts zum An- trag! Zu welchem Antrag reden Sie denn jetzt?)

- Das passt zu der Diskussion, die wir zu dem vorigen Antrag geführt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aber nun zur Sache!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Seit dem 1. Januar 2012 gilt das Kinderschutzgesetz des Bundes, gemeinsam verkündet von Kristina Schröder und Manuela Schwesig. Dieses Gesetz sieht vor, dass nicht nur Menschen, die professionell mit Kindern arbeiten, ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis nach § 30 a Bundeszentralregistergesetz benötigen, sondern auch Menschen, die ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.

Entstanden ist diese Forderung nach einer breiten gesellschaftlichen Diskussion um den Missbrauch von Kindern nicht nur im Bereich der Kirche und der Kinderheime, sondern z. B. auch im Bereich des Sports.

Nun kann man darüber streiten, ob dieses Instrument das geeignete Mittel ist, um den Kinderschutz zu verbessern. Sie haben ja vielleicht auch den Brief von der Katholischen Jugend bekommen, in dem sehr angezweifelt wird, dass wir mit diesem Instrument wirklich Kinderschutz betreiben.

Einig sind wir uns aber sicherlich alle in der Einschätzung, dass wir ehrenamtliches Engagement ermutigen und fördern müssen. Das bedeutet auch, dass wir Hindernisse für eine gemeinnützige Tätigkeit aus dem Weg räumen müssen, ohne den Kinderschutz zu vernachlässigen.

Zu den Tatsachen gehört jedoch auch, dass es rund um die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes einen Hickhack in der Bundesregierung gab, der zunächst zu einer Abschaffung der - man höre und staune - schon bestehenden Gebührenbefreiung führte. Aber solche Dissonanzen sind wir ja insbesondere im Rechtsbereich von der schwarz-gelben Koalition gewöhnt.

Erst am 25. Januar dieses Jahres ist es zu einer Besprechung mit allen Ressorts sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden gekommen. Daraus ist am 6. Juni 2012 das in dem Antrag erwähnte Merkblatt zur Befreiung von der Gebühr für das Führungszeugnis gemäß § 12 Justizverwaltungskostenordnung entstanden. Danach liegt ein besonderer Verwendungszweck, der eine Gebührenbefreiung rechtfertigt, regelmäßig vor, „wenn ein Führungszeugnis zum Zwecke des Ausübens einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einer gemeinnützigen oder vergleichbaren Einrichtung benötigt wird.“ - Das war ein Zitat.

Nun sollte man meinen, dass eigentlich niemand etwas dagegen haben kann, dies im Gesetz festzuschreiben. Jedoch findet der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund ein Haar in der Suppe:

Diese Regelung sei ein Verzicht zulasten Dritter, wenn der Bund nicht weiterhin die Kosten übernähme. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, sollten Ihnen die Kommunalfinanzen egal sein, oder haben Sie diese schlicht vergessen?

Dieser Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist im Niedersächsischen Landtag überflüssig. Sie müssten lediglich dafür sorgen, dass Ihre Kollegen in der Bundesregierung ihre Arbeit machen. Falls es nur darum gehen sollte, dieses Merkblatt bekanntzumachen, hätte es auch eine Pressemitteilung getan.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Professor Dr. Zielke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von FDP und CDU haben sich immer für das ehrenamtliche Engagement unserer niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Deshalb hat diese Koalition z. B. die niedersächsische Ehrenamtskarte und den Sammelvertrag für eine kostenlose und automatische Haftpflichtversicherung eingeführt. Denn das Ehrenamt ist ein konstitutives Element einer freien und verantwortlichen Bürgergesellschaft, wie wir sie uns vorstellen. Der Staat soll gesellschaftliche Aufgaben nur übernehmen, wenn der Einzelne sie nicht leisten kann. Unser ausdrücklicher Dank gilt allen Menschen, die sich oft unter enormem persönlichen Einsatz in den unterschiedlichsten Ehrenämtern in die Gesellschaft einbringen.