Protokoll der Sitzung vom 18.07.2012

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von FDP und CDU haben sich immer für das ehrenamtliche Engagement unserer niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Deshalb hat diese Koalition z. B. die niedersächsische Ehrenamtskarte und den Sammelvertrag für eine kostenlose und automatische Haftpflichtversicherung eingeführt. Denn das Ehrenamt ist ein konstitutives Element einer freien und verantwortlichen Bürgergesellschaft, wie wir sie uns vorstellen. Der Staat soll gesellschaftliche Aufgaben nur übernehmen, wenn der Einzelne sie nicht leisten kann. Unser ausdrücklicher Dank gilt allen Menschen, die sich oft unter enormem persönlichen Einsatz in den unterschiedlichsten Ehrenämtern in die Gesellschaft einbringen.

Nun hat es durch das Bundeskinderschutzgesetz, das Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist und das wir ausdrücklich begrüßen, eine Änderung gegeben, die viele Ehrenamtliche betrifft. Das Gesetz bestimmt, dass von Ehrenamtlichen vor Aufnahme ihrer Tätigkeit ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden soll - - -

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Wer hat dieses Gesetz gemacht?)

- Sie wissen ja, wann es in Kraft getreten ist! Insofern dürfte sich die Frage erübrigen, gell? - - - wenn Art, Dauer und Intensität des Kontaktes die

ser Personen mit Jugendlichen und Kindern dies notwendig machen.

Grundsätzlich sind nach der Justizverwaltungskostenordnung für die Ausfertigung eines solchen Führungszeugnisses Gebühren zu entrichten. Nur als Ausnahme kann eine Ermäßigung oder Befreiung gewährt werden, wenn dies wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder aus sogenannten Billigkeitsgründen geboten erscheint.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Bundesamt für Justiz für diese Ermessensentscheidung in einer neuen Richtlinie festgelegt hat, dass in der ehrenamtlichen Tätigkeit immer, also für jedes Ehrenamt, ein gebührenbefreiender besonderer Billigkeitsgrund liegt.

Eine Richtlinie einer Behörde - das ist der Punkt, um den es uns in diesem Antrag geht -, kann allerdings jederzeit ohne Weiteres wieder geändert werden. Um der Rechtsklarheit und der Verlässlichkeit für die Betroffenen willen fordern wir die Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag auf, sich gegenüber der Bundesregierung - das ist ein Auftrag des Landtages an die Landesregierung, dass sie bei der Bundesregierung entsprechend tätig werden soll - für eine Klarstellung in Gesetzesform einzusetzen, durch die die vollständige Gebührenbefreiung für Führungszeugnisse für Ehrenamtliche dann definitiv festgeschrieben wird.

Wer durch seinen oder ihren freiwilligen und unentgeltlichen Einsatz schon persönliche Opfer zum Wohl der Allgemeinheit erbringt, der soll in keinem Fall noch zusätzlich durch Gebühren für Führungszeugnisse belastet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Staudte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, einige generelle Worte zu dem Führungszeugnis zu sagen, das durch das Bundeskinderschutzgesetz für die in der Jugendarbeit ehrenamtlich Tätigen notwendig wird. Es ist ja schon angedeutet worden, dass das nicht ganz unumstritten ist.

Zunächst einmal klingt es natürlich gut, wenn ein Führungszeugnis angefordert wird. Das suggeriert mehr Sicherheit; denn man möchte natürlich den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen verhindern. Aber gerade die Jugendverbände äußern erhebliche Kritik, weil sie befürchten, dass man sich durch dieses Führungszeugnis in falscher Sicherheit wiegt und dass im Gegenzug wirklich effektive Maßnahmen für mehr Kinderschutz und für die Verhinderung von Missbrauch fallengelassen werden.

Die Sportjugend z. B. ist hier sehr vorbildlich gewesen, indem sie Selbstverpflichtungserklärungen erarbeitet und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt hat.

Jetzt wird befürchtet, dass durch das Führungszeugnis bei anderen Vereinen und Verbänden der Eindruck entsteht, wenn sie das Führungszeugnis anfordern, dann brauchen sie sich um das Thema generell nicht mehr zu kümmern. - Ich glaube, das wäre ein großer Fehler; denn die Aussagekraft dieser Führungszeugnisse ist natürlich insbesondere bei jungen Menschen absolut gering. Es wäre ein absoluter Zufall, wenn bei einem 16- oder 17Jährigen schon irgendein Hinweis auf Verurteilungen wegen Straftaten aufgenommen worden wäre.

Außerdem ist auch die einschlägige Formulierung im Kinderschutzgesetz nicht wirklich eindeutig. Dort heißt es, das Führungszeugnis müsse dann angefordert werden, wenn Art, Dauer und Intensität des Kontakts es notwendig machen. Aber was heißt das eigentlich? - Dazu gibt es eine Handlungsempfehlung von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter. Gleichzeitig berät der Landesbeirat für Jugendarbeit über eine eigene Empfehlung für Niedersachsen, weil man bestrebt ist, die Regelung möglichst einzuschränken, um den bürokratischen Aufwand, der hier im Antrag zu Recht kritisiert wird, möglichst gering zu halten.

Das alles ist also wirklich sehr kompliziert.

Wir können im Ausschuss gerne über das Thema Gebührenbefreiung diskutieren. Dann müsste die Frage geklärt werden, wer dann die Kosten, die natürlich trotzdem entstehen, tragen soll. Ich glaube, das ist eine ziemlich entscheidende Frage. Darauf gibt der Antrag noch keine Antwort.

Wir werden uns an diesen Beratungen gerne beteiligen. Aber ich fände es schon gut, wenn wir uns auch die politisch wirklich interessante Frage stel

len würden: Ist dieses Führungszeugnis wirklich der Stein der Weisen?

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Professor Dr. Zielke gemeldet. Bitte! Sie haben 90 Sekunden.

Zu meiner Vorrednerin: Ich kann wirklich nicht verstehen, wie Sie eine zusätzliche Maßnahme wie ein Führungszeugnis für kontraproduktiv erklären können. Man müsste vielleicht einmal gesondert diskutieren, was Sie damit genau meinen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Sie sind doch gegen Bürokratie!)

Wir sind für Führungszeugnisse, auch wenn dadurch unter Umständen nur wenige Menschen vom Kontakt mit Jugendlichen und Kindern in Vereinen ausgeschlossen werden, die sonst reingekommen wären. Dann ist das doch aber in jedem Fall etwas Positives, wenn dadurch solche unerwünschten Kontakte verhindert werden können. Das heißt ja nicht, dass man bei Jugendlichen und bei solchen Menschen, bei denen das gar nicht mehr infrage kommt, die Augen verschließen sollte. Das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun!

Wir schaffen dadurch ein vielleicht überschaubares, aber ein deutliches Maß an zusätzlicher Sicherheit. Davon kommen Sie doch nicht weg!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Frau Staudte möchte erwidern. Bitte!

Sehr geehrter Herr Professor Zielke, ich dachte, das wäre mit dem, was ich gerade gesagt habe, deutlich geworden. Die Gefahr liegt darin, dass in den ehrenamtlichen Strukturen vor Ort, die zum Teil sehr klein sind, nicht die Ressourcen vorhanden sind, sich um zusätzliche Maßnahmen zu kümmern, und sie deshalb, nachdem sie das Führungszeugnis abgefragt haben - was für den Menschen, der zu ihnen kommt und freiwillig etwas machen will, vielleicht schon unangenehm genug war -, das Thema auf sich beruhen lassen. Es

wäre aber ein großer Fehler, wenn eine solche falsche Sicherheit entstehen würde. Das geben wir nur zu bedenken.

Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für den vorliegenden Entschließungsantrags ist das Bundeskinderschutzgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat. Hintergrund dieses Gesetzes waren Vorfälle von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern in kirchlichen - vor allem katholischen - Einrichtungen. Die Reaktion des Bundestages war aber nicht, in erster Linie präventive Maßnahmen zu erweitern, sondern bestand in einer bürokratischen Lösung des Problems, nämlich durch das erweiterte Führungszeugnis. Diese gesetzliche Regelung ist aber nicht zu Ende gedacht worden; denn der Bundestag hat es versäumt, die Justizverwaltungskostenordnung mit zu ändern, weil er einfach nicht daran gedacht hat, dass so etwas auch Gebühren auslöst. Das ist das Ergebnis einer gesetzgeberischen Hektik, die in diesem Fall beim Bundestag zu verzeichnen war.

Deshalb ist es auch falsch, wenn es jetzt im Entschließungsantrag heißt, es müsse eine „klarstellende Neuregelung“ vorgenommen werden. Das ist keine klarstellende, sondern es muss eine berichtigende Neuregelung vorgenommen werden, weil: Der Bundestag einen Fehler gemacht, und das sollte man auch klar so benennen. - An dieser Stelle ist Sprache verräterisch. Sie wollen etwas zukleistern. Sagen Sie doch lieber gleich: Der Bundestag mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP hat es nicht ordentlich hingekriegt. - Das ist ja auch nicht das einzige Mal. Ich erinnere nur an die große gesetzgeberische Panne beim Melderecht. Da haben wir etwas Ähnliches erlebt.

Jetzt ist der Landtag in der Situation, dass er sozusagen den Ausputzer spielen muss, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Wir werden das natürlich im Rechtsausschuss diskutieren. Wenn es denn sein muss, werden wir auch mithelfen, gesetzgeberische Fehler des Bundestages aus dem Weg zu räumen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nun hat sich die Landesregierung zu Wort gemeldet. Herr Minister Busemann hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dann, Herr Kollege Adler, bin ich eben zu später Stunde der Ausputzer. Ich verstehe auch den einen oder anderen schon fast ätzenden Unterton nicht so ganz bei einem an sich sehr bürgernahen und wichtigen Thema, mit dem man eigentlich etwas Gutes miteinander befördern will.

Ich darf für die Landesregierung sagen, dass wir den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ausdrücklich unterstützen, weil es hier um die Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements geht.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie mögen gerne noch einmal in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP aus dem Jahr 2008 nachschauen. Darin ist nachzulesen, dass die Koalitionspartner dem ehrenamtlichen Engagement eine besondere Bedeutung beimessen. Genau auf der Linie liegt das.

Nun könnte ich Ihnen hier dreieinhalb Stunden lang erzählen, was wir in den letzten fünf bzw. fast zehn Jahren für das Ehrenamt getan haben, für Polizei, Feuerwehr und Vereine. Da Sie das wissen, schenken ich mir das jetzt. Aber wir dürfen doch davon ausgehen, dass Ehrenamtliche ihre Arbeit gerne machen, aber deswegen nicht unbedingt mit Kosten belastet werden wollen. Das will keiner!

Zweites Thema: Zentralregister und Führungszeugnis. Darüber können wir gern an anderer Stelle eine Grundsatzdebatte führen. Hintergrund ist, dass wir immer, wenn es um die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Leuten geht, sicherstellen wollen, dass Leute, die bestimmte Neigungen haben - vielleicht auch Neigungen zu Sexualstraftaten -, dort erst gar nicht tätig werden.

Frau Staudte, wir haben vor einigen Jahren böse Fälle auch in der Stadt Hannover gehabt, zugegebenermaßen im hauptberuflichen Bereich einer Kita; ich könnte auch den Namen nennen. Damals hieß es: Wenn man da ein Führungszeugnis gefordert hätte, hätte man bemerkt, um wen es sich handelt.

Wir haben übrigens den Kanon der Delikte, der im Bundeszentralregister erfasst wird, erweitert - das war, glaube ich, im Bundesrat einstimmig, und im Bundestag wahrscheinlich auch -, um den Dingen entsprechend Rechnung zu tragen.

Wie lösen wir nun das Problem? - Für die Erteilung von Führungszeugnissen erhebt das Bundesamt für Justiz, wo das Zentralregister geführt wird, Gebühren nach den Bestimmungen des Justizverwaltungskostenrechts des Bundes; das wurde schon erwähnt. Die Gebühr beträgt 13 Euro. Ich kann mir vorstellen, dass manch einer einwendet: Ich will hier ehrenamtlich etwas machen, und das mit den 13 Euro geht nicht. - Allerdings enthält das Bundesrecht schon jetzt eine generalklauselartige Ausnahmevorschrift, in der es bestimmt:

„Die Behörde kann ausnahmsweise, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, die Gebühren … ermäßigen oder von der Erhebung der Kosten absehen.“

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Da muss jemand aber erst seine Eigen- tumsverhältnisse darlegen!)

- Richtig. - Dazu gibt es auch ein tolles Merkblatt - einige Kolleginnen und Kollegen haben es schon erwähnt -, in dem steht, unter welchen Voraussetzungen diese Regelung zum Zuge kommen soll usw. Ich sage Ihnen aber ganz offen: Ein Merkblatt ist das eine. Das andere ist eine vernünftige gesetzliche Regelung, auf die sich Leute verlassen können, sodass man gar nicht erst in Auslegungsschwierigkeiten kommt.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: So ist es!)