Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Jetzt führen wir die Diskussion fort. Ich rufe für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Tanke auf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum ausgerechnet jetzt die Große Anfrage der CDU und der FDP zu einem Thema erfolgt, das die Landesregierung bisher sehr hat schleifen lassen, muss ich nicht näher erläutern.

(Björn Thümler [CDU]: Was?)

Mit einer Verdummungstour wollen Sie vor der Landtagswahl den falschen Eindruck vermitteln, dass Ihre schwarz-gelbe Energiepolitik schon immer die Energiewende wollte.

(Ingrid Klopp [CDU]: Das wollen wir auch!)

Herr Birkner hat gerade gesagt, er hätte Fukushima nicht gebraucht. Da hilft einmal ein Blick in Ihre Koalitionsvereinbarung, in der Sie zu Ihrem wirklich letzten Regierungsbeginn geschrieben haben, nicht nur Gorleben soll zu Ende erkundet werden, sondern Sie halten auch weiter an der Kernenergie fest. Das ist vier Jahre her, meine Damen und Herren. Ich nenne das am Ende „politische Wendehälse“, wenn man seine Meinung gegenüber der Koalitionsvereinbarung so ändert.

Die Defizite in Ihrem Regierungshandeln zeigen nahezu jeden Tag: Sie sind Getriebene der Energiewende. Die Energiewende ist keine Herzensangelegenheit für Sie.

(Zustimmung bei der SPD - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Das Armutszeugnis für Ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien hat Ihnen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung längst ausgestellt. Die Anstrengungen für den technologischen und wirtschaftlichen Wandel im Bereich der Erneuerbaren, heißt es da, haben sich im Vergleich zu den anderen Ländern vermindert. Es fehlen das politische Engagement und eine gezielte Steuerung für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Es gibt eben keinen Masterplan.

Wie ein roter Faden zieht sich durch diese Große Anfrage, dass nur das gefragt wird, was durch die Landesregierung tatsächlich zu belegen ist. Aber die wirklich wichtigen Fragen wurden nicht gestellt.

Ich fange einmal mit Ihrem Lieblingsthema an: Offshore. In der Großen Anfrage unter Punkt IX findet sich eine - in der Tat nur eine - ganz konkrete Frage:

„Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um den Ausbau der Offshorewindenergie voranzubringen?“

Die Antwort ist ernüchternd: nichts Neues.

Wir brauchen aber für den Leitmarkt Offshore ein Hafenkonzept. Mein Kollege Olaf Lies hat Sie darauf schon im März in unserem Entschließungsantrag „Masterplan ‚Offshorewindenergie’“ hingewiesen. Noch bitterer ist, dass ein halbes Jahr später das eintritt, was wir schon befürchtet haben: Die ersten Mitarbeiter mussten entlassen werden.

(Zuruf von Martin Bäumer [CDU])

Dieser Blick, Herr Bäumer, in die Realität der niedersächsischen Offshoreindustrie zeigt, dass die Situation ausgesprochen angespannt und ernst ist. Die aktive Unterstützung dieser Regierung fehlt eben.

Dafür verweist die Landesregierung darauf, dass sie sich nachhaltig dafür einsetzt, dass das große Potenzial der Offshorewindenergie vor der niedersächsischen Küste in der Ausschließlichen Wirtschaftszone genutzt wird. Das strotzt geradezu vor Aktionismus und Einsatz für Niedersachsen, und es zeigt ganz deutlich, was die Landesregierung wirklich tut: ihre Pflicht. Sie arbeitet den drängendsten Bedarf von Industrie und Wirtschaft ab, hat aber nichts an Kür zu bieten, was den Offshoreausbau wirklich voranbrächte. Ich empfehle Ihnen den FTD-Artikel von heute, in dem ein Betrag von 80 Milliarden Euro für den europäischen

Hafenumbau bis zum Jahr 2030 prognostiziert wird.

Zur Sicherheit aber hat sich diese Landesregierung in Sachen Energiewende nun in den Windschatten der SPD-geführten norddeutschen Bundesländer gestellt. Damit schmückt sich der CDUMinisterpräsident allzu gern - aber auch nur, weil er es eben allein nicht schafft, bei der Bundeskanzlerin durchzusetzen, was der Offshorebranche fehlt: Finanz-, Rechts- und Planungssicherheit.

Herr Birkner hat hier eben angesprochen, dass die Haftungsregeln auf den Weg gebracht worden sind. Ja, auf den Weg gebracht, nach ewig langer Zeit nur auf den Weg gebracht -

(Christian Grascha [FDP]: Aber Sie kritisieren das jetzt auch noch!)

und dann noch zulasten der Allgemeinheit. Das ist unsere Kritik, Herr Birkner.

(Christian Grascha [FDP]: Was schla- gen Sie denn vor? - Heinz Rolfes [CDU]: Er kann es nicht besser!)

Lassen Sie mich zum Stichwort Biomasse kommen.

(Christian Grascha [FDP]: Unerträg- lich ist das! - Heinz Rolfes [CDU]: Ihr Herumgenöle!)

Dort ist die erste Aussage:

(Jens Nacke [CDU]: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt! Das ist ja Un- sinn, was Sie da reden!)

„Biogas ist die mit großem Abstand wichtigste Form der Bioenergie in Niedersachsen.“

(Zuruf von der CDU: Ach!)

Hier würde ich, der Wahrheit entsprechend, ergänzen: und die problematischste. - Die drastischen Fehlentwicklungen in Niedersachsen, die der Biogasboom hervorgerufen hat, werden weder abgefragt noch in der Antwort auf die Große Anfrage irgendwie erwähnt. Sie werden totgeschwiegen, vertuscht und verharmlost.

(Björn Thümler [CDU]: Was, ver- tuscht?)

Dabei sind über 60 % der Landesfläche mit Nitrat über die Grenzwerte hinaus belastet. Wen wundert’s!

Schauen wir in die Antwort! Der schwindelerregende Zuwachs an Biogasanlagen erfordert einen immensen Zuwachs an Energiepflanzen vom Acker. In Zahlen: 15,8 Millionen t für ca. 1 400 Anlagen. Im Klartext: Maismonokulturen, die bis auf den letzten Millimeter an die Gewässer heranreichen,

(Björn Thümler [CDU]: Herr Tanke, das stimmt doch nicht!)

keine Gewässerrandstreifen mehr,

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch falsch!)

mit Gülle gedüngt bis zum Anschlag.

(Björn Thümler [CDU]: Auch das ist doch falsch!)

Die Probleme haben die Wasserversorger längst erreicht.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ihr wisst nur, was ihr abschalten wollt!)

Was diese schwarz-gelbe Landesregierung bis zum Exzess betrieben hat, kann man kurz und knackig zusammenfassen: Lobbypolitik zulasten des Allgemeinwohls.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Tanke, ich unterbreche Sie ungerne. Aber es besteht seitens des Kollegen Bäumer der Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.

Herr Bäumer, bitte schön!

Herr Kollege Tanke, haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre gerade getätigten Äußerungen über die Arbeitsweise der Landwirte in Niedersachsen an das Landvolk weiterleite?

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Tanke, Sie haben das Wort.

Herr Bäumer, Sie können das gern tun, weil wir in Gesprächen mit dem Landvolk - auch ich vor Ort in Gifhorn - schon deutlich gemacht haben, wie wichtig Gewässerrandstreifen sind. Wenn Sie es ernst meinen mit sauberem Trinkwasser, dann müssen Sie sich meiner Forderung anschließen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Wenn Sie es ernst meinen, dann spinnen Sie hier nicht so herum! - Jens Nacke [CDU]: Sie zeichnen ein Zerrbild der niedersächsischen Landwirtschaft!)

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund klingt es wie Hohn, wenn der Ministerpräsident jetzt auf seiner Sommerreise, wie in der NordseeZeitung zu lesen ist, negative Folgen erkennt. Herr McAllister, obwohl wir Sie vor einem Jahr darauf hingewiesen haben, haben Sie die Chance verpasst, im Bundesrat entsprechende Korrekturen am Erneuerbare-Energien-Gesetz zu gestalten.