Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie uns in aller Deutlichkeit gesagt haben, dass es hier ein Problem gibt, das Ihnen schon seit mehr als einem Jahr bekannt ist, und dass Sie der Auffassung sind, dass der Schwarze Peter nicht bei Ihnen liegt, frage ich Sie, da der Netzbetreiber Tennet eine Zertifizierung nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes braucht und diese Zertifizierung im Falle der Nichtleistungsfähigkeit auch wieder aberkannt bekommen kann, was Sie konkret mit der Bundeskanzlerin oder mit der EUKommission verabredet haben, nachdem Ihnen bekannt geworden ist, dass Tennet selbst die Leistungsfähigkeit seines Unternehmens infrage gestellt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident!

Sehr geehrter Wenzel, ich bin weder der niederländische Ministerpräsident noch der Chef von Tennet.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nein, es geht um deutsches und um europäi- sches Recht!)

- Gut, aber wir sind uns erst einmal einig: Ich bin weder der niederländische Ministerpräsident

(Lachen bei der SPD - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war nicht die Frage!)

noch der Geschäftsführer von Tennet.

Jetzt ist die Situation so, dass das Unternehmen, das mit der Klärung dieser Frage beauftragt worden ist, selbst einräumt bzw. öffentlich erklärt, dass es mit der Aufgabe überfordert ist.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann müs- sen wir die Zertifizierung entziehen!)

Was kann die Niedersächsische Landesregierung dann tun? - Sie tut das, was die norddeutschen Ministerpräsidenten, Herr Wenzel, gemeinsam gemacht haben, also Schleswig-Holstein, Hamburg,

Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Wir haben dieses Thema aufgenommen und in den entscheidenden Gremien immer wieder vorgetragen. Die Bundesregierung ist aktiv geworden, die Landesregierung ist aktiv geworden.

Ich habe vorhin gesagt - ich wiederhole meine Worte, die ich beim Energiegipfel im Bundeskanzleramt vorgetragen habe -: Das Problem ist bekannt, das Problem drängt, und das Problem muss gelöst werden. - Die unterschiedlichen Alternativen, die es dazu gibt, trägt unser Umweltminister Stefan Birkner gleich vor.

Herr Wenzel, nochmals - ich glaube, das geht auf die Frage von Herrn Meyer zurück -: Wenn immer wieder die Forderung nach einem Masterplan Offshorewindenergie für Niedersachsen erhoben wird, dann muss ich sagen, dass dieses kleinteilige Denken, bei dem nur Niedersachsen gesehen wird, nichts bringt. Man muss die gesamte Nordsee betrachten.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich habe nach dem Energiewirtschaftsgesetz gefragt!)

Ein Beispiel: Bremerhaven. Bremerhaven ist neben Cuxhaven und Emden der wichtigste Standort der Offshorewindenergie. 50 % der Beschäftigten in Bremerhaven - Frau Kollegin Behrens wird Ihnen das bestätigen können - haben ihren Wohnsitz im Landkreis Cuxhaven. Bremerhaven hat in vielerlei Hinsicht eine ganz wichtige Funktion. Einen Masterplan Offshore nur für Niedersachsen zu entwickeln, ohne beispielsweise Bremerhaven zu betrachten, macht überhaupt keinen Sinn. Sie müssen sich von der Vorstellung lösen, dass es immer nur um Niedersachsen geht! Wir müssen gesamtnorddeutsch denken. Ich verstehe gar nicht, dass Sie dazu nicht in der Lage sind.

(Beifall bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich habe eine ganz andere Frage gestellt, Herr Präsident! Sie werfen hier Nebelkerzen!)

Deshalb: Die Offshorewindenergie ist trotz der Probleme, die wir unbestritten haben, eine Chance für die Nordseeküste, auf der ganzen Länge von der deutsch-niederländischen Grenze bis zur deutsch-dänischen Grenze.

Jetzt bitte Stefan Birkner!

(Beifall bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Meine Frage war ganz konkret!)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wenzel, Sie haben nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes gefragt.

Zunächst einmal läuft derzeit das Zertifizierungsverfahren über die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur hat bezüglich des Übertragungsnetzbetreibers Tennet die Zertifizierung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bisher verweigert. Dazu gibt es weitere Gespräche. Das heißt, genau diese Frage wird derzeit diskutiert.

Die zweite Ebene ist die Frage nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes. Dies erfasst allerdings die Betriebsgenehmigung. Sie fragten, ob man diese nicht entziehen könnte. Weil der Übertragungsnetzbetreiber Tennet seinen Sitz in Bayern hat, liegt dies in der Zuständigkeit der Bayerischen Staatsregierung, also des Landes Bayern, die das zu prüfen hätte. Aber vorrangig ist zunächst einmal die Klärung der Zertifizierungsfrage durch die Bundesnetzagentur auf europäischer Ebene abzuwarten. Dann muss man sehen, ob § 4 die Möglichkeit bietet, tätig zu werden und den Hebel anzusetzen, um hinsichtlich der Kapitalausstattung und der Leistungsfähigkeit Druck auszuüben.

Ich will aber auch sagen: Ganz so einfach kann man Übertragungsnetzbetreibern die Betriebsgenehmigung nicht entziehen; denn wir brauchen die Netze. Wenn Sie die Betriebsgenehmigung entziehen, müsste der Netzbetreiber die Netze stilllegen. Das ist nicht gerade zielführend. Ganz so banal ist das alles also nicht. Gleichwohl muss man diese Möglichkeit natürlich im Blick haben, um Druck auszuüben und um den Fortschritt über diesen Weg voranzubringen. Die Bundesregierung tut dies über die Bundesnetzagentur im europäischen Kontext. Ich denke und hoffe, dass es über diesen Weg dann auch dort zu Bewegungen kommt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur letzten Zusatzfrage. Dabei handelt es sich um eine Zusatzfrage der SPD-Fraktion. Herr Tanke!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Herr Ministerpräsident eben feststellen wollte, was er alles nicht ist, bieten wir an, festzustellen, dass er kein guter Manager der Energiewende ist, um auch das noch einmal vonseiten der SPD-Fraktion zu sagen.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

Herr Kollege - - -

Angesichts der ständigen statistischen Verfälschung, das große Land Niedersachsen mit dem kleineren Bundesland Schleswig-Holstein in absoluten Zahlen zu vergleichen, und angesichts des ständigen Lobes des Ministerpräsidenten - was uns natürlich freut - bezüglich des Engagements der Ministerpräsidenten der SPD-geführten Bundesländer bei der Frage der Energiewende frage ich die Landesregierung, ob sie sich die jüngst beschlossenen Ausbauziele Schleswig-Holsteins zu eigen macht bzw. zum Vorbild nimmt und im proportionalen Vergleich - Schleswig-Holstein hat beschlossen, bis zum Jahr 2020 300 % des Strombedarfs Schleswig-Holsteins aus Windenergie zu produzieren - Ähnliches anstrebt? - Uns wäre es auch recht, wenn man das familiär unter Schwägern, Herr Birkner, förderlich für das Land Niedersachsen klärt.

(Beifall bei der SPD - Editha Lorberg [CDU]: Oh, das ist so billig, diese Kiste!)

Ich glaube, die Frage ist verstanden. - Herr Minister!

(Norbert Böhlke [CDU]: Verstanden schon, aber schlecht formuliert!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man keinen Stromverbrauch hat, ist man schnell mit den Prozenten oben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Niedersachsen ist ein Industrieland. Wenn Sie diese Größenordnung prozentual in Bezug nehmen, ist das überhaupt nicht aussagekräftig und streut eigentlich nur Sand in die Augen bzw. gibt

einen Eindruck über den Industrialisierungsstand eines Landes und übrigens möglicherweise auch über das Vorhandensein von Arbeitsplätzen in diesem Bereich. Das ist in Niedersachsen zum Glück anders, und das ist auch ein großes Verdienst dieser Landesregierung, wenn ich das bei der Gelegenheit noch einmal sagen darf.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Tanke, wir haben in unserem Energiekonzept, das wir breit diskutiert haben und für das wir allseits Unterstützung bekommen haben, das Ausbaupotenzial beschrieben. Es ist ein ehrgeiziger Schritt, von 7 000 MW bis 2020 zu einer Verdoppelung der installierten Leistung zu kommen. Sie kennen ja die Diskussion im Zweckverband Großraum Braunschweig über die Ausweisung neuer Vorrangflächen.

(Detlef Tanke [SPD]: Wir machen das!)

- Ja, Sie machen das. Das finde ich gut, und das müssen wir auch unterstützen. Aber es muss auch Akzeptanz vorhanden sein. Ich sehe jedoch, dass dort auch viel Unruhe vorhanden ist.

Man darf nicht nur große Ziele ins Schaufenster stellen - 300, 400, 500 %, warum eigentlich nicht 600 %? -, sondern man muss auch die tatsächlichen Realisierungschancen im Blick haben. Man muss auch im Blick haben, dass von diesen Zahlen Menschen vor Ort betroffen sind. Das ist nicht nur etwas Abstraktes, sondern es sind konkrete Anlagen, die dort stehen, und die finden nicht alle schön.

Deshalb müssen wir seriös vorgehen. Wir sehen über Repowering, aber auch über die Ausweisung neuer Flächen, was im Bereich Braunschweig jetzt passiert, ein Potenzial der Verdoppelung. Es ist schon ein großer Schritt, als führendes Windland Deutschlands mit mehr als 7 000 MW installierter Leistung dann auf 14 000 MW zu kommen. Bei 5 480 Anlagen, die zumindest im ersten Halbjahr 2012 installiert waren - mittlerweile sind es wieder ein paar mehr -, ist das eine Ausgangsbasis, bei der die Vergleiche immer hinken, weil Niedersachsen schon so viele Windkraftanlagen hat. Wenn man in einem Bundesland nur eine oder eine geringe Anzahl von Windkraftanlagen hat, dann ist diese Zahl relativ schnell verdoppelt, und dann hat man eine Verdoppelung der Quote.

Wir haben uns unser Ziel bis 2020 gesetzt. Ich denke, wir sind da gut unterwegs. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Wir werden es aber gemeinsam mit

den Menschen machen. Wir werden nicht irgendwelche populistischen Zahlen in die Schaufenster stellen, sondern nur das machen, was tatsächlich verträglich und auch mit der entsprechenden Akzeptanz realisierbar ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen zu Punkt 27 a liegen nicht vor.

Ich rufe damit die zweite Dringliche Anfrage auf, Tagesordnungspunkt 27 b:

Trotz Fukushima: Blockiert Niedersachsen die Aktualisierung des Kerntechnischen Regelwerks zur Sicherheit von Atomkraftwerken? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/5364

Zur Einbringung erteile ich Herrn Wenzel das Wort.