Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Briese, wenn man Sie gehört hat, gerade auch im Vergleich zur Kollegin Lorberg, hatte man schon das Gefühl, dass Sie über einen ganz anderen Antrag gesprochen haben. In der Tat liegt die Vermutung nahe, dass es da bei Ihnen ein Büroversehen gegeben haben muss. Denn der Antrag, zu dem Sie gesprochen haben, als Sie uns vorgeworfen haben, wir würden völlig irrationalerweise das Justizvollzugsgesetz loben, ist ein anderer. Das steht in unserem Antrag gar nicht drin. Nicht ein Wort über die Umsetzung des Justizvollzugsgesetzes! Ich habe Ihnen deshalb den Antrag mitgebracht. Ich gebe ihn Ihnen gleich. Vielleicht können
Sie dann in der Tat noch einmal nachlesen und überlegen, ob Sie Ihr Abstimmungsverhalten hier nachher ändern wollen.
Meine Damen und Herren, wenn wir über die Bekämpfung der Jugendkriminalität sprechen, dann sollten wir uns vor ideologischen Überreaktionen hüten, und zwar in beiden Richtungen. Wir sollten es auf der einen Seite vermeiden, die Bedeutung der Jugendkriminalität reißerisch zu überhöhen. Auf der anderen Seite können wir es uns aber auch auf gar keinen Fall leisten, sozialromantisch motivierte Scheuklappen aufzusetzen.
Denn es geht noch immer um eine gerechte und angemessene Ahndung von Straftaten. Dass Handlungsbedarf besteht, ist regelmäßig in der Presse zu verfolgen. Wir sind schon der Meinung, dass wir auch einmal klarstellen sollten, wie man richtig an diese Problem herangeht, nämlich mit einem Dreiklang, den wir in unserem Antrag beschreiben. Zunächst fangen wir mit Integration an. Danach setzen wir auf Prävention. Erst dann, wenn diese beiden Instrumentarien versagt haben, muss die Repression zum Tragen kommen.
Auf dem Gebiet der Integration haben wir in Niedersachsen in den letzten Jahren sehr viel erreicht. Denken Sie beispielsweise an den Ausbau der Sprachkurse für Migranten, die Einrichtung von Integrationsleitstellen oder die Förderung der Integration im Bereich des Sports! All dies sind Erfolgsmodelle, die wir weiter ausbauen.
Notwendig ist aber bei allem auch eine Erziehung, die Gewalt ächtet. Gefragt ist hier vor allem das Elternhaus. Aber es sind auch die Behörden, die Schule und die Kommunen gefragt. Staatliche Maßnahmen in diesem Bereich kosten selbstverständlich Geld und müssen im Bereich der Prävention noch deutlich ausgeweitet werden.
Allerdings muss auch die Justiz dafür sorgen, dass straffällig gewordene Jugendliche - wenn diese Maßnahmen also versagt haben - schnell vor Gericht kommen und schnell mit einem Urteil konfrontiert werden. Das ist beispielsweise wesentlich hilfreicher als Gesetzesverschärfungen. Deshalb ist es auch besonders erfolgversprechend, dass wir das vorrangige Jugendverfahren haben. Es zielt nämlich darauf ab, jugendliche Täter innerhalb von vier Wochen nach der Tat mit einer staatlichen Reaktion zu konfrontieren. Auf der Grundlage einer Vereinbarung von Amtsgericht, Staatsanwaltschaft, Poli
zei, sozialen Diensten und der Kommune wird eine zügige Bearbeitung der Akten erreicht. Hier, meine ich, müssen wir ansetzen, hier müssen wir noch schneller werden und es noch weiter ausbauen. Denn die zeitnahe Reaktion auf eine Tat zeigt immer noch mehr Wirkung als eine härtere Strafe.
Ebenso zeigen unseres Erachtens auch Schülergerichte in anderen Ländern deutlich positive Erfolge. Jugendliche haben hier die Gelegenheit, unter Gleichaltrigen, auch in der Sprache der Jugendlichen, angesprochen zu werden und keine Sanktion „von oben“ zu bekommen, sondern auf einer Ebene. Deshalb hat dies mehr Wirkung, als wenn sie vor einem Gericht vor einen erwachsenen Richter treten müssen. Hier sollten wir meiner Meinung nach vorangehen und mit Modellversuchen versuchen, dieses Instrumentarium zu ergänzen.
Eine weitere zentrale Forderung in unserem Antrag ist ebenfalls aus der Praxis an uns herangetragen worden. Sie zielt gerade auf die Fälle von schwerer und schwerster Jugendkriminalität. Hierzu gehört nämlich die Klarstellung, dass Heranwachsende, also junge Erwachsene im Alter von 18 bis 21 Jahren, grundsätzlich nach dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden sollen. So steht es übrigens auch im Gesetz. Allerdings müssen wir feststellen, dass diese Menschen, die das Recht haben zu wählen, Auto zu fahren, den Führerschein zu machen etc., wenn sie Straftaten begehen und schwere Straftaten begehen, heutzutage wesentlich häufiger als früher wie unreife Minderjährige behandelt und nach dem Jugendstrafrecht abgeurteilt werden. Dies wollte der Gesetzgeber nicht. Hierfür hat er bewusst eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Daher müssen wir für die notwendige Sensibilität sorgen, sodass auch in der Justiz klar ist, was der Gesetzgeber an dieser Stelle gemeint hat. Wir müssen aber auch konsequent durchgreifen, damit die Jugendlichen, wenn Integration und Prävention nicht gewirkt haben, trotzdem nicht dauerhaft vom richtigen Weg abkommen. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. Herr Briese, ich bin sicher, wenn Sie den Antrag jetzt noch einmal lesen, werden auch Sie ihm zustimmen.
Mir liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen aufgrund des Beitrages von Herrn Bode vor. Zuerst erteile ich dem Kollegen Briese von der
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bode ist ja mittlerweile zur Allzweckwaffe der FDP mutiert.
Das ist ja auch in Ordnung. Das liegt in Ihrem eigenen Ermessen. Aber wenn die Redner der FDP in die Bütt gehen, dann sollten sie zumindest ihre eigenen Anträge kennen, die sie vorstellen.
„begrüßt die in Niedersachsen bereits auf den Weg gebrachten zahlreichen Maßnahmen, um Kinder und Jugendliche vor Kriminalität zu schützen. Beispielhaft seien hier nur einige Handlungsfelder angeführt:“
Dann kommt eine ganze Reihe von Spiegelstrichen. Hinter einem Spiegelstrich steht: „mehr Sicherheit und Opferschutz durch das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz“.
Ich habe das bemängelt. Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz funktioniert vorne und hinten nicht.
Das habe ich kritisiert. Sie haben gesagt, das würde gar nicht in Ihrem Antrag stehen. - Lesen Sie bitte Ihre eigenen Anträge, zu denen Sie sprechen! Damit würden Sie dem Landtag einen großen Gefallen tun.
(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Heiner Bartling [SPD]: Damit ist er doch über- fordert! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie treten hier ganz schön großkotzig auf!)
Weiter habe ich Ihnen gesagt: Die Bundesliberalen finden an dem, was Sie hier vorschlagen, keinen einzigen guten Gedanken. Mit diesen Liberalen - mit den echten Liberalen - sollten Sie mal über dieses Thema sprechen. Es ist bekannt, dass zwischen Jörg Bode und Uwe Schünemann kein Blatt und auch kein Grundrecht passt. Deswegen haben Sie auch relativ wenig Streit in der Koalition.
Ich will einen weiteren Aspekt nennen. Sie kritisieren - Sie und Herr Biallas haben das schon wieder gemacht -, dass die Richter anscheinend nicht mehr vernünftig entscheiden können.
Einen Gedanken können Sie nicht mehr äußern, allenfalls noch einen Satz. Dann müssen Sie zum Ende kommen.
Wissen Sie, wer die Richter in Niedersachsen benennt? - Die Exekutive benennt die Richterinnen und Richter, mit denen Sie ja so unzufrieden sind. Anscheinend kann die das nicht.
Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Adler von der Fraktion DIE LINKE für anderthalb Minuten das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bode, Sie haben eben wörtlich gesagt: Dass Handlungsbedarf besteht, könne man täglich in der Presse nachlesen. - Sind Ihnen eigentlich wissenschaftliche Untersuchungen bekannt - ich nenne z. B. Professor Helge Peters aus Oldenburg; das zeigen aber auch Untersuchungen von Professor Heinz und von Professor Pfeiffer -, aus denen hervorgeht, dass die Wahrnehmung von Kriminalität, speziell in der Presse, deutlich angestiegen ist? Man hat Folgendes gemacht: Man hat Zeitungsarti
kel gezählt und festgestellt, dass nicht die Kriminalitätsrate gestiegen ist, sondern dass dieses Thema nur häufiger in der Presse bearbeitet wird.
Von daher ist Ihr Hinweis, das könne man in der Presse nachlesen, überhaupt nicht als Argument geeignet.
Jetzt noch etwas zum Jugendrecht: Ich habe schon mehrfach gehört, dass angeblich im Jugendgerichtsgesetz stehe, es sei sozusagen der Ausnahmefall, dass jugendliche Straftäter - also Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren - nach Jugendrecht zu behandeln sind. Das steht da überhaupt nicht.