Protokoll der Sitzung vom 05.12.2012

Ich sage ganz deutlich: Da kann Frau Heiligenstadt heute noch so viele Pressemitteilungen mit Lippenbekenntnissen zum Gymnasium verschicken lassen, eines ist klar: Frau Heiligenstadt, Frau Korter, Sie haben kein Interesse daran, das Gymnasium in Niedersachsen zu erhalten. Wer 2006 auf einem SPD-Landesparteitag einen Beschluss fasst, die Gymnasien abzuschaffen, 2008 im Landtagswahlkampf dafür ordentlich was auf die Fresse bekommt und heute halbherzig zurückrudert, dem glauben die Menschen draußen nicht mehr, Frau Heiligenstadt. Wir wissen, was Sie vorhaben.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie wollen Gesamtschulen alternativ zum Gymnasium errichten lassen. Sie wollen den Gymnasien den Garaus machen. Sie wollen der Bildung in Niedersachsen den Garaus machen. Das werden wir nicht zulassen. Deswegen werden wir am 20. Januar auch die Mehrheit bekommen.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Aber deutlich!)

Bei aller Emotionalität, Herr Kollege Försterling: „Etwas auf die Fresse“ ist nicht zwingend parlamentarisch. Da möchte ich Sie dringend ermahnen.

Als Nächster hat sich der Kollege Klare für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

(Ministerpräsident David McAllister: Kalle, jetzt leg’ noch einmal einen drauf! - Gegenruf von Karl-Heinz Kla- re [CDU]: Das kriege ich nicht hin! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Ich bitte um Ruhe. - Herr Kollege Klare, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildung besser machen - Chancengleichheit für alle. Die einfachste Lösung wäre, Sie alle wählen die CDU bzw. diese Koalition und wir würden weiter daran arbeiten, eine bessere Bildung zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Henning Adler [LINKE]: Das ha- ben Sie ja schon aufgegeben!)

Frau Heiligenstadt, ich möchte ein paar Tatsachen richtigstellen.

Es gibt keine Landesregierung, die so viel Geld in Bildung investiert hat wie diese Landesregierung. Es ist schon dreimal gesagt worden: Wir investieren 5 Milliarden Euro in Bildung. Das ist der höchste Ansatz, der jemals in diesem Land für Bildung ausgegeben worden ist. Das ist eine wichtige Grundlage, um auch Chancengleichheit herzustellen. - Jetzt hört Frau Heiligenstadt gar nicht mehr zu, weil sie möglicherweise von ihrer eigenen Rede so begeistert war.

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal den Bereich der frühkindlichen Bildung an. Dort wird in Chancengleichheit investiert. Gerade im Bereich der Kinderkrippen - wir haben vorhin eine Resolution entgegengenommen - haben wir in den Jahren 2002 und 2003 eine Betreuungsplatzquote von 4 % übernommen. Das war Ihre Bilanz, meine Damen und Herren! Wir haben dort eine Wüste vorgefunden. Jetzt sind wir nicht bei 20, sondern bei 29 % mit steigender Tendenz.

Meine Damen und Herren, wir finanzieren die Gruppen, die Baumaßnahmen und die Personalangelegenheiten ab dem 1. August 2013 mit 52 % mit. Das ist hier per Gesetz so beschlossen worden. Schauen Sie einmal zu Herrn Beck - der finanziert nur zu 30 % mit. Da sehen Sie den Unterschied.

Die Sprachförderung im Kindergarten spielt eine ganz zentrale Rolle bei der Herstellung von Chancengleichheit und Sicherstellung der Integration. Ich habe es immer als einen Skandal empfunden,

meine Damen und Herren, dass die Vorgängerregierung bis 2003 nichts getan hat. Natürlich wussten aber auch schon damals alle um die Wichtigkeit der Sprachförderung. Die war Ihnen allen bekannt. Es ist aber nichts passiert. Die Konzepte lagen bei Renate Jürgens-Pieper in der Schublade. Bernd Busemann hat sie herausgeholt und umgesetzt. Der Erfolg der Sprachförderung wird allenthalben anerkannt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Hatte er keine eigenen Konzepte?)

- Nein, er hat genau das umgesetzt, was bei Ihnen damals in der Schublade lag. Meine Damen und Herren, so ist das.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Keine ei- genen Ideen?)

Aufgrund der Sprachförderung haben wir weniger Zurückstellungen und weniger Ausgrenzung und weniger Stigmatisierung von Kindern, weil sie wenigstens die Grundlagen der deutschen Sprache kennen. Deswegen ist es gut, dass wir die Sprachförderung jedes Jahr mit 92 Millionen Euro unterstützen. Die Sprachförderung geht übrigens auch weiter in die Grundschule hinein. Dort findet die Sprachförderung mit einem Gegenwert von 900 Lehrern statt.

Nun noch ein Wort zur Unterrichtsversorgung. Nur über Unterricht kann auch Förderung stattfinden. Unterrichtsausfall ist die schlimmste Maßnahme der Stigmatisierung von schwächeren Menschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei Ihnen fielen damals 14 bis 25 % des Unterrichts aus. Solch eine Zahl glaubt man gar nicht mehr: 14 bis 25 % Unterrichtsausfall an niedersächsischen Schulen! Heute liegt die Unterrichtsversorgung aber bei 101 bis 107 %. So kann Förderung stattfinden. So kann Unterricht stattfinden, meine Damen und Herren. Das ist unser Ansatz.

Wir werden auch weiterhin alle Lehrerstellen besetzen, wie wir das in den Jahren, seit wir die Regierung übernommen haben, getan haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

28 413 neue Lehrer! Natürlich haben wir auch alte Stellen wiederbesetzt. Aber 5 000 sind neu. Wissen Sie noch, wie es bei Ihnen aussah? - Herr Jüttner weiß das noch ganz genau: Jede zweite Lehrerstelle wurde gestrichen. Jede zweite Lehrerstelle! Zwei Jahre lang wurde sogar niemand ein

gestellt. Sie haben mit Statistiktricks gearbeitet. Sie haben mit Manipulationen bei der Unterrichtsversorgung gearbeitet. Sie haben Arbeitszeitkonten eingeführt, die uns heute noch belasten. Das war Ihre Bilanz. Außerdem haben Sie Unterrichtsstunden gekürzt usw.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was mir echt Sorgen macht, ist die Masche, die zurzeit läuft, dass nämlich Grüne und Rote durchs Land gehen - ich habe es einmal ausgerechnet - und mal so eben 2,8 Milliarden Euro zusätzlich versprechen. Wenn man sie dann danach fragt, wie sie das finanzieren wollen

(Ina Korter [GRÜNE]: Da kannst du nicht rechnen!)

- meine Rechnung; Sie kommen noch höher -, dann wird über neue Schulden, Vermögensteuer und Erbschaftsteuer gesprochen. Das kann man ja alles machen, meine Damen und Herren.

Ich schaue aber wie der Kollege Försterling genau hin. Was passiert in Bremen, wo vor der Wahl noch große Sprüche gemacht worden sind? - Dort ist das Chaos ausgebrochen, meine Damen und Herren. Frau Jürgens-Pieper ist in Bremen genau dort angekommen, wo sie hier in Niedersachsen aufgehört hat: im schulpolitischen Chaos! Die muss vor Schülern und Lehrern flüchten. Das ist das Fazit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ein letzter Satz: Ihre Lippenbekenntnisse zum Gymnasium glaubt Ihnen kein Mensch mehr, weil alle Maßnahmen, die Sie hier ankündigen, gegen das Gymnasium sprechen. Ich kann nur sagen: Wer an das Gymnasium herangeht, der muss sich unseren vehementen Widerstand gefallen lassen. Ich kann Ihnen eines sagen: Sie hebeln Elternrechte aus.

Letzter Satz, bitte!

Das ist das Schlimmste, was man machen kann. Sie hebeln außerdem das Recht auf freie Schulwahl aus. Deshalb werden die Eltern Sie abstrafen. Das kann ich Ihnen sagen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Korter das Wort.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Jetzt aber einmal die Wahrheit!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Klare, Herr Kollege Försterling, ich werde Ihnen jetzt nicht den Gefallen tun, Ihren merkwürdigen Umgang mit der Wahrheit zu kommentieren und jede Ihrer Behauptungen richtigzustellen. Hier geht es um das Thema Chancengleichheit. Dazu habe ich bei Herrn Försterling aber nichts gehört, bei Herrn Klare auch fast nichts.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber ein bisschen!)

- Immerhin hat er erkannt, dass frühkindliche Bildung wichtig ist. Man muss dann aber auch etwas dafür tun.

(Fritz Güntzler [CDU]: Haben wir doch!)

Als vor elf Jahren die erste PISA-Studie vorgestellt wurde, ging ein Schock durch Deutschland. Das Land der Dichter und Denker nicht etwa spitze, sondern im internationalen Vergleich ganz weit unten. Wir erfuhren außerdem, dass unser Bildungssystem für die eklatanten Unterschiede bei den Bildungschancen verantwortlich ist.

Wenn wir heute im Jahr 2012 eine Zwischenbilanz ziehen, dann zeigt sich, dass in Niedersachsen immer noch die soziale Spaltung durch das Schulsystem ganz, ganz stark weiter besteht und dass nichts passiert ist.

Sollten CDU und FDP vorgehabt haben, meine Damen und Herren, mehr Chancengleichheit in Niedersachen zu verwirklichen, dann sind sie mit diesem Ziel vollständig gescheitert.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist auch kein Wunder; denn sie haben von Anfang an auf ein Schulsystem der frühen Trennung und der frühen Auslese gesetzt.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben die Orientierungsstufe abgeschafft und damit den Druck in die Grundschule verlegt. Immer häufiger hören wir, dass schon heute Grundschulkinder unter Stress leiden. Stress - das wissen wir - macht krank.

Sie haben den Elternwunsch nach Gesamtschulen abgeblockt, nach einer Schule, die die Bildungswege für alle Kinder lange offen lässt und die eine frühe Auslese vermeidet. Das ist eine Frage der Bildungschancen.

Sie wollten nicht wahrhaben, was uns die OECD noch 2009 wieder ins Stammbuch geschrieben hat. Ich zitiere: