Der Anteil armer Kinder an niedersächsischen Gymnasien beträgt 4,6 %, an Hauptschulen 31,3 %, an Förderschulen sogar 44,9 %. Die Selektion von Kindern erfolgt im Alter von zehn Jahren, und zwar nicht nach Fähigkeit, sondern nach Dicke des Portemonnaies der Eltern.
Diese soziale Spaltung setzen Sie mit Studiengebühren fort, die ärmere Jugendliche an einem Studium hindern.
Auf zehn Abschulungen kommt in Niedersachsen - wir haben es gerade gehört - nur ein Schulaufstieg. Die Durchlässigkeit besteht also nur nach unten.
Jede vierte Bewerbung auf einen Gesamtschulplatz muss in Niedersachsen aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden. In vielen Orten gibt es noch nicht einmal eine Gesamtschule, obwohl die Forderung der Linken nach längerem gemeinsamen Lernen, nach dem Offenhalten der Bildungswege, nach mehr Miteinander statt Gegeneinander beim Lernen von sehr vielen im Land geteilt wird.
Die Bundesregierung, parallel dazu unterstützt von Schwarz-Gelb hier in Niedersachsen, kauft mit dem Betreuungsgeld ausgerechnet die Kinder aus den Kitas, die am meisten darauf angewiesen wären, eine zu besuchen.
Aber hier auf der rechten Seite des Hauses sitzt eine ideologisch fest in die Erde gerammte schwarz-gelbe Koalition, die sich weigert zu begreifen, was in Deutschland längst jede Zimmerpflanze verstanden hat: Eine solche Bildungspolitik, wie Sie sie hier machen, hindert Menschen an der Entfaltung ihrer Begabungen, verhindert sozialen Aufstieg durch Bildung und zementiert soziale Abstände in diesem Land.
Auch wenn es zwischen der SPD und den Linken Differenzen in der Bildungspolitik gibt - wir wollen beispielsweise die Studiengebühren sofort abschaffen, die SPD erst zum Wintersemester 2014/2015 -, so gibt es doch auch Schnittmengen in den Forderungen, z. B. zur Stärkung der Gesamtschulen.
Erster Vorgang: Am 18. Juli 2012 redete hier im Landtag zur Bildungspolitik von SPD und Grünen nicht die schulpolitische Sprecherin der SPDFraktion, sondern Frau Geuter, haushaltspolitische Sprecherin, fünf Minuten lang, ohne auch nur ein einziges Mal eines der Wörter „Schule“, „Bildung“, „Lehrer“ oder „Schüler“ in den Mund zu nehmen. Stattdessen ging es um Kennzahlen zum Schuldenstand, um Konsolidierungsbedarf und um die Kreditfinanzierungsquote.
Zweiter Vorgang: Am 3. Mai kündigt Stephan Weil in der SPD-Zeitschrift Demokratische Gemeinde an, dass die SPD die Ganztagsschulen im ländlichen Raum auflösen und in Klein- und Mittelstädten konzentrieren möchte.
Liebe SPD, das ist Ihr Thema der Aktuellen Stunde: Bildung besser machen - Chancengleichheit für alle. Aber nachdem Sie auf Bundesebene sieben Jahre lang die öffentlichen Haushalte mit Geldgeschenken an Spitzenverdiener, Vermögende, Riester-Versicherungsunternehmen und Großkonzerne geschröpft haben, stellen Sie nun alle Ihre bildungspolitischen Vorhaben unter Haushaltsvorbehalt.
Meine Damen und Herren, es ist in der Tat dringend geboten, Bildung besser zu machen und Chancengleichheit herzustellen. Aber Bildung in Kitas, in der Schule, in Hochschulen und danach kostet Geld. Für Sie, liebe SPD, gilt, was für alle Parteien gilt: Wenn Sie sich nicht trauen, den Reichen und Superreichen in diesem Land Geld abzunehmen, um sie angemessen an der Finanzierung von Bildung und anderen gesellschaftlichen Aufgaben zu beteiligen, werden Ihre bildungspolitischen Vorstellungen nur dazu taugen, Ihre Altpapiertonne zu füllen. Ihre Bremer Bildungssenatorin Jürgens-Pieper hat schon frustriert aufgegeben. Die Linke muss ab 20. Januar darauf aufpassen, dass der niedersächsischen Kultusministerin ab 2013 im nächsten Jahr nicht das Gleiche droht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildung besser zu machen, liebe alte Tante SPD,
Zu Ihrer Zeit, vor 2003, hat jeder zehnte Schüler in Niedersachsen die Schule ohne Schulabschluss, ohne jegliche Chance verlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das war Ihre Verantwortung damals. Die damalige hohe Jugendarbeitslosigkeit sprach eben nicht für Chancengerechtigkeit, sondern stand für Ihre Manifestierung der sozialen Auslese, weil Sie es eben nicht geschafft haben, sich um jeden individuell zu kümmern.
Schauen wir uns einmal in der Bundesrepublik Deutschland um: Was bedeutet es denn, wenn plötzlich Rot-Grün oder Grün-Rot Verantwortung für Bildungspolitik in diesem Land übernimmt?
In Rheinland-Pfalz wurde großmundig dasselbe getan, was Sie hier gerade tun: Im Wahlkampf haben Sie mehr Lehrer und mehr Geld für Bildung versprochen. Und was ist die Realität? - Über 2 000 Lehrerstellen bauen Sie in Rheinland-Pfalz ab, weil Sie den Nürburgring finanzieren müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der Gipfel der politischen Unverschämtheit ist das, was gerade in Baden-Württemberg passiert: 3 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und 5 Milliarden Euro mehr Ausgaben, aber eben nicht für Bildungspolitik, sondern für Ihre Klientelvorhaben. Sie schmeißen stattdessen 12 000 Lehrer auf die Straße, schmeißen sie hinaus. Das ist schlechte Bildungspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie sieht die Wahrheit in Niedersachsen aus? - Wir haben 5 000 Lehrer mehr bei knapp 100 000 Schülerinnen und Schülern weniger, die beste Schüler-Lehrer-Relation seit über 20 Jahren in Niedersachsen. Wir haben so viele Kinder in Kindertagesstätten wie nie zuvor in Niedersachsen. Wir haben die Schulabbrecherquote um 50 % gesenkt. Wir haben die Jugendarbeitslosigkeit um über 40 % gesenkt. Wir geben trotz Haushaltskonsolidierung 1 Milliarde Euro pro Jahr mehr für Bildung aus.
Wir können eben beides: Haushaltskonsolidierung und mehr Ausgaben für Bildung. So machen wir das. Das ist eben die Chancengerechtigkeit, von der wir sprechen.
Schauen wir uns einmal Ihre Programme genau an und hören wir einmal ganz genau zu, was die Damen von der Opposition im Land gerade erzählen.
Frau Heiligenstadt zieht durchs Land und spricht vollmundig von einem Anreizprogramm für Grundschulstandorte, was nichts anderes bedeutet, als dass Sie Schulträger erpressen wollen, jede dritte Grundschule in diesem Land zu schließen.
Ich sage es hier noch einmal: Dieses Land braucht keinen Ministerpräsidenten, der nur bis zur Endhal
Wir haben erfolgreich die Oberschulen auf den Weg gebracht. Mehr als 200 Oberschulen in Niedersachsen arbeiten sehr erfolgreich. Dort findet gute Arbeit statt. Die Lehrer sind begeistert, die Schüler sind begeistert, die Eltern sind begeistert von der Oberschule.
Frau Korter sagt aber schon heute, dass sie die Oberschulen sofort wieder schließen und damit auch den Schulstandorten im Sekundarbereich I im ländlichen Raum den Garaus machen will. So sieht Ihre Verantwortung für den ländlichen Raum, für die Zukunft der Schülerinnen und Schüler aus!
Ich sage ganz deutlich: Da kann Frau Heiligenstadt heute noch so viele Pressemitteilungen mit Lippenbekenntnissen zum Gymnasium verschicken lassen, eines ist klar: Frau Heiligenstadt, Frau Korter, Sie haben kein Interesse daran, das Gymnasium in Niedersachsen zu erhalten. Wer 2006 auf einem SPD-Landesparteitag einen Beschluss fasst, die Gymnasien abzuschaffen, 2008 im Landtagswahlkampf dafür ordentlich was auf die Fresse bekommt und heute halbherzig zurückrudert, dem glauben die Menschen draußen nicht mehr, Frau Heiligenstadt. Wir wissen, was Sie vorhaben.