Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/5126 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/5470 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/5500 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/5492 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/5517
Mit dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden Änderungen zu sechs der neun Artikel des Gesetzentwurfs angestrebt. Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD zielt auf Änderungen in Artikel 1 des Gesetzentwurfs.
Weil Ihnen der schriftliche Bericht über die Ausschussberatungen vorliegt, gibt es keine mündliche Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alles Wesentliche zur Einbringung und Beratung dieses Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im
Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Niedersachsen ist in dem Ihnen vorliegenden Bericht des Kollegen Norbert Böhlke dargelegt. Lassen Sie mich aber vier Anmerkungen machen.
Erstens. Das grundlegende Bundesgesetz ist am 1. April 2012 in Kraft getreten. Das war spät und nach meiner persönlichen Auffassung zu spät. Aber es ist eben von einer CDU/CSU/FDP-Regierung letztlich umgesetzt worden. Frühere Regierungen anderer Zusammensetzungen haben es entweder nicht gewollt oder nicht bewerkstelligt.
Zweitens. Die Änderungsanträge sind nach meiner Auffassung nicht berechtigt. Der Antrag, einen § 2 a mit dem Ziel der Schaffung eines gesetzlichen Beratungsanspruchs anzufügen, ist nicht erforderlich, weil Niedersachsen insoweit im Hinblick auf die Beratung bundesweit vorbildlich aufgestellt ist. Ich verweise auf das IQ-Netzwerk. Sechs Stellen werden im kommenden Jahr auf zehn Stellen aufgestockt. Das ist mehr als erforderlich.
Drittens. Im Änderungsantrag wird vorgeschlagen, den aktuellen Gesetzestext dahin gehend zu ergänzen, dass im Anschluss an den Begriff „Anpassungslehrgang“ der erklärende Relativsatz hinzugefügt wird: „der Gegenstand einer Bewertung sein kann.“ Das ist aus Gründen der Rechtsklarheit nicht erforderlich.
Viertens. Auch der vorgeschlagene § 15 a mit dem Ziel der Schaffung einer bereichsspezifischen Gebührenregelung ist in Niedersachsen nicht erforderlich. Wir haben eine entsprechende Regelung der Gebührentatbestände im Rahmen der AllGO.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Fraktionsführung danke ich sehr herzlich für diese Möglichkeit, meine letzte Rede in diesem Hohen Hause zu diesem Tagesordnungspunkt zu halten, obwohl der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration federführend ist. Der Kollege Böhlke war der Meinung, ein Jurist wie ich könne alles. Wir Juristen fügen dann meist bescheiden hinzu: Es ist richtig, Juristen können zwar alles, Pädagogen können aber alles sehr viel besser, und Sozialwissenschaftler wissen alles am besten.
Die wichtigste Erfahrung für mich war, Gesetze jetzt nicht anzuwenden, sondern zu gestalten, zu erfahren, dass der Satz richtig ist: Ein Federstrich des Gesetzgebers macht ganze Kommentarbibliotheken zur Makulatur.
Ich wünsche allen, die von uns dem 17. Landtag angehören werden, dass sie sich dieser so wichtigen Gestaltungsmöglichkeit bewusst sind: Haushalt und weitere Gesetze als vorrangige Kompetenz, unser Land voranzubringen. Sie sind viel wichtiger als die häufig mit viel Theaterdonner diskutierten Entschließungsanträge wie der zum Schutz der Kormorane.
Was ich wirklich genossen habe, war die Erfahrung persönlichen Respekts vor der Meinung des anderen Abgeordneten, die menschlichen Beziehungen, die sich vor allem in den Ausschüssen und Gremien auch über die Parteigrenzen hinaus entwickelten. Dazu gehört auch die persönliche Betroffenheit bei schwerer Erkrankung eines oder einer Abgeordneten, die gemeinsame Trauer über den Verlust von Kollegen, aber auch z. B. die spontane Freude, wenn man eine Kollegin in den Suks von Marrakesch trifft. Es ist diese Gemeinschaft, die ich ab dem kommenden Jahr vermissen werde.
Friedrich der Große hat gesagt: Von meinen Generälen erwarte ich Fortune. - Dieses Glück, das eine wesentliche Ergänzung zu Können und Willen ist, wünsche ich Ihnen allen: denjenigen, die im neuen Landtag ihre Arbeit fortsetzen werden, aber auch denjenigen, die wie ich - Carsten Höttcher hat es zutreffend ausgeführt - in eine von vielen Richtungen von hier weggehen werden.
Sehr geehrter Herr Kollege Noack, mit Juristen ist es so, wie Sie es geschildert haben. Ich glaube, es ist gut, dass es im Landtag Juristen gibt. Ob es immer so viele sein müssen, ist die andere Frage.
Herr Noack, ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses ganz herzlich für Ihre Arbeit hier im Landtag danken und darf Ihnen für Ihr persönliches Fortkommen alles Gute wünschen. Vielen Dank für Ihre guten Wünsche für die nächste Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Frau Kollegin Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf. Sie hat das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon das Anerkennungsgesetz auf der Bundesebene war kein großer Wurf. Dieser Gesetzentwurf von CDU und FDP ist es leider auch nicht. Dennoch ziehen die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer von CDU und FDP mit großem Getöse durchs Land und rühren die Werbetrommel für ihren Gesetzentwurf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verschweigen dabei, dass der Gesetzentwurf keinen Anspruch auf Beratung und Begleitung der Betroffenen im Verfahren enthält. Das IQ-Netzwerk - so schön es ist; es hat seinen Sitz in Osnabrück - ist eine Bundeseinrichtung und auch nur zeitlich begrenzt vorgesehen.
Dieser Gesetzentwurf fällt noch hinter das Eckpunktepapier der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 zurück, in dem die Idee von Erstanlaufstellen erwogen wurde. Damit fällt er auch hinter das zurück, was wir hier im Parlament noch am 9. Juni 2010 gemeinsam beschlossen haben.
Völlig offen bleibt, wer zukünftig für Qualitätssicherung, Einheitlichkeit und Fairness der Anerkennungsverfahren und Bewertungskriterien sorgt.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf schafft keinen Anspruch auf individuelle Kompetenzfeststellungsverfahren. Dies wäre aber die Voraussetzung dafür, dass bei der Bewertung von Qualifikationen verstärkt die tatsächlich vorhandenen Kompetenzen und berufspraktische Erfahrungen berücksichtigt werden können.
Vorrang vor den im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen hat laut Entwurf prinzipiell das Fachrecht. Das wirkt sich vor allem im Bereich reglementierter Berufe aus. Ob sich die Anerkennungschancen für den ausländischen Architekten, der wegen fehlender Anerkennungsmöglichkeiten bislang Taxi fährt, tatsächlich verbessern werden, ist also nicht ausgemacht; denn eines wurde in der Fachanhörung deutlich: Herrscht in einer Branche kein Fachkräftemangel, wird auch nicht in Nachqualifizierungsmodule investiert.
Für die bessere Integration in den Arbeitsmarkt ist es essentiell, dass Antragstellerinnen und Antragsteller bei Teilanerkennung künftig verbindlich darüber informiert werden, welche Anpassungsqualifizierungen sie für einen voll qualifizierenden Abschluss noch brauchen. Das macht aber nur Sinn, wenn auch die Angebote für passgenaue Anpassungsqualifizierungen und berufsbezogenes Deutsch ausgeweitet werden.
Das beste Beispiel dafür hatten wir mit den spanischen Pflegekräften, Frau Ministerin. Darauf sind Bund und Länder bis heute offenkundig nicht vorbereitet. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir zumindest einige dieser Punkte heilen und bitten um Zustimmung.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Heute wird hier zu später Stunde ein Gesetz beraten, das von seiner Intention her eigentlich einen besseren „Sendeplatz“ verdient hätte.
Der Hintergrund ist: In Deutschland leben ca. 500 000 zugewanderte Menschen, deren berufliche Qualifikationen im Ausland erworben wurden und hier nicht anerkannt werden. So gibt es Maschinenbauingenieure, die nur als Hausmeister eine Arbeit finden. Das ist problematisch, weil die mit Mühen erarbeitete berufliche Identität keine Anerkennung findet. Somit ist das auch ein Problem der Integrationspolitik, aber auch ein Problem der wirtschaftlichen Integration, die besser und mit viel mehr Wertschätzung erfolgen könnte und sollte.
Auf dieses Gesetz haben wir sehr lange gewartet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an eine Initiative der SPD-Landtagsfraktion im Sommer 2009, als wir einen Vorstoß zur besseren Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse unternommen haben. Jetzt haben sich Bund und
Länder nach langem Hin und Her auf ein Gesetz zur besseren Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen geeinigt, das am 1. April in Kraft getreten ist.
Dieses Gesetz ist allerdings weit unter seinen Erwartungen geblieben. 180 000 Menschen haben sich bis Ende Oktober über das Gesetz im Internet informiert, aber es gab bis Ende Oktober lediglich 1 500 Anträge, von denen letztlich nur 270 positiv beschieden worden sind. Das ist viel zu wenig.
Die Länder sind nun bis zum 31. Dezember 2012 aufgefordert, ihrerseits Berufe zu regeln, die unter landesgesetzliche Regelungen fallen. Hierzu wurde ein Mustergesetz verfasst, an dem sich die Bundesländer orientieren sollen. Leider ist bereits das Bundesgesetz, wie Frau Polat ausgeführt hat, mit Pferdefüßen ausgestattet. Diese wurden auch in den niedersächsischen Entwurf übernommen.
Inhaltlich sind wir mit dem Gesetzentwurf an etlichen Stellen nicht einverstanden. Nachbesserungsbedarf besteht bei der Einführung eines umfassenden Rechtsanspruchs auf fundierte Einzelfallberatung und auch bei den Regelungen zur Nachqualifizierung.
Das Angebot der Beratung muss praktische Kompetenzfeststellungsverfahren umfassen und auch den Kontaktaufbau zu Anbietern von Nachqualifizierungsmaßnahmen, falls im Anerkennungsverfahren Qualifikationslücken festgestellt wurden.