Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - schon angekündigt - hat Herr Kollege Limburg das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch an die beiden Kollegen, die meine Stellungnahme ja schon erwartet haben.

Wir Grüne lehnen diesen Gesetzentwurf aus folgenden Gründen ab:

Erstens. Wir haben es - das muss ich einmal so klar sagen - faktisch mit einem Einzelfallgesetz zu tun, weil nämlich von diesem Ausführungsgesetz in Niedersachsen momentan nur eine einzige Person betroffen sein wird. Schon allein das zeigt, wie hier mit sehr viel Aufwand um einen vergleichsweise kleinen Sachverhalt viel Getöse gemacht wird.

Zweitens. Dieses Gesetz - das ist gerade von Herrn Humke betont und in Teilen auch von Herrn Nacke und im Ausschuss auch noch deutlicher von der CDU-Fraktion eingeräumt worden - ist handwerklich richtig, richtig schlecht. Ein solches Gesetz ist beim besten Willen einfach nicht zustimmungsfähig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens. Herr Kollege Nacke, ich möchte Ihnen widersprechen. Natürlich ist das hier Ort und Anlass, auch grundsätzlich über das Therapieunterbringungsgesetz des Bundes zu reden. Wir haben nämlich sehr wohl eine Alternative dazu, ein schlechtes Bundesgesetz hier einfach auszuführen. Wir könnten über eine Bundesratsinitiative für eine vollständige Abschaffung des Bundesgesetzes eintreten. Genau das ist die Forderung meiner Fraktion.

Sie haben mit dem Therapieunterbringungsgesetz in Panik nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichtes versucht, irgendeinen Weg zu finden, um die nachträgliche Sicherungsverwahrung sogar für Leute, die bereits entlassen sind, wieder einzuführen. Dafür haben Sie den juristisch äußerst fragwürdigen Begriff der psychischen Störung eingeführt. Sie haben den Rat der Expertinnen und Experten auf Bundesebene vollkommen ignoriert, u. a. die Kritik der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, die ich Ihnen sehr ans Herz legen kann. Man muss aber leider sagen, meine Damen und Herren: Auf Bundesebene hat auch die SPD diesen Kram mitgemacht. Meine Damen und Herren, so kann man es wirklich nicht machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Limburg hat Herr Nacke von der CDUFraktion das Wort. Sie haben anderthalb Minuten.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Kollege Limburg, es ist natürlich ein Unterschied, ob es nur einen Fall gibt oder ob man ein Einzelfallgesetz macht. Natürlich kann morgen ein Fall dazukommen. Ja, es gibt einen Fall, der derzeit freiwillig untergebracht ist. Das kann sich jeden Tag ändern. Die Gerichte könnten jeden Tag entscheiden, und wenn es dann keine Rechtsgrundlage dieses Hauses gäbe, dann hätten wir Probleme.

Was ich Ihnen vorwerfe, ist, dass Sie kein Wort dazu gesagt haben - in den Ausschussberatungen nicht und auch jetzt gerade nicht -, wie Sie denn eigentlich damit hätten umgehen wollen, ob Sie es denn einfach hätten laufen lassen wollen. Ich möchte aus dem Hessischen Landtag Herrn Dr. Jürgens von den Grünen zitieren. Er hat nämlich dort sehr richtig gesagt:

„Wir haben nicht zu beurteilen, ob dieses Gesetz“

- gemeint war das Bundestherapieunterbringungsgesetz -

„gut, richtig oder sonst irgendetwas ist.

Etwas später führt er aus:

„Deswegen haben wir uns natürlich gefragt, wie wir uns eigentlich entschieden hätten, wenn wir jetzt aktuell an Regierung und Landtagsmehrheiten beteiligt wären. … Auch wir hätten es nicht wesentlich anders machen können. Auch wir wären nicht aus Begeisterung, sondern weil wir gezwungen sind …“

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, wie Sie es gemacht hätten. Sie hätten keine andere Lösung gehabt. Das ist in den Beiträgen während der Ausschussberatung und auch jetzt hier im Plenum sehr deutlich geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Limburg möchte antworten. Auch Sie haben 90 Sekunden.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Herr Kollege Nacke, ich begrüße es immer, wenn Sie die Reden meiner Landtagskolleginnen und -kollegen aus Hessen lesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie könnten dadurch sehr, sehr viel lernen für Ihre Arbeit hier. Ich lege Ihnen für die Zukunft ausdrücklich ans Herz, das häufiger zu tun.

Aber, Herr Kollege Nacke, ich bedauere, dass Sie meiner Rede nicht zugehört haben. Ich habe Ihnen sehr wohl gesagt, was man als Alternative hätte machen können. Man kann sich für eine vollständige Abschaffung des Therapieunterbringungsgesetzes auf Bundesebene einsetzen. Genau das ist die Forderung, die wir an Ihre Landesregierung haben.

Wenn Sie den Rat der Fachleute, nicht nur des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, sondern auch z. B. der Experten aus dem Bereich der Psychotherapie und Psychiatrie gehört hätten, dann wüssten Sie, dass dieses Gesetz auf Bundesebene, aber faktisch auch die Ländergesetze mit zahlreiche Problemen behaftet sind. Ich möchte hier die drohende Stigmatisierung von echten psychisch Kranken oder auch die Einführung völlig schwammiger Begriffe, mit der Sie das Wegsperren rechtfertigen wollen, nennen.

Nein, Herr Kollege Nacke, so kann man das in einem Rechtsstaat nicht machen. Ich befürchte, dass Sie sehenden Auges in eine weitere Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte laufen. Das wäre für die Bundesrepublik international äußerst peinlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Kollege Brunotte. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hätte der Sozialausschuss die Beratungen abschließen können, nachdem der GBD seine erste Einschätzung zu dem Gesetzentwurf abgegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich will dann all denen, die vielleicht irgendwann in 20, 30 Jahren nachlesen, warum der Landtag eigentlich ein solches Gesetz beschlossen hat, empfehlen, sich die erste Vorlage des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes anzuschauen und die aufgeführten Argumentationen genau nachzulesen. Wenn ich mir die gestrige Diskussion zur Sicherungsverwahrung noch einmal vor Augen führen, finde ich es an der Stelle schon erschreckend, in welcher Qualität hier ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde und dass wir in der gleichen Form jetzt zum Therapieunterbringungsgesetz einen Gesetzentwurf unter einem so enormen Zeitdruck vorgelegt bekommen haben, dass er nach in keiner Form qualitativ vernünftigen Beratung verabschiedet werden muss.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist der politische Handlungsbedarf sehr deutlich geworden. Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene ist erforderlich geworden. Wir reden beim Therapieunterbringungsgesetz von einer Regelung für bundesweit fünf bis zehn Personen, die jetzt in landesgesetzliche Regelungen gefasst werden muss, und für Niedersachsen geht es um eine Person.

Die Novelle steht an. Das hat sowohl die CDU in den Beratungen akzeptiert als auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. In der Anhörung wurden sehr fundierte Hinweise gegeben, was im Gesetz anders sein müsste, aber es war überhaupt nicht die Zeit, diese Hinweise im Ausschuss angemessen zu würdigen. Im Kern geht es hier - das zieht sich wie ein roter Faden durch viele der schriftlichen Stellungnahmen - um eine Gefahr, die für die Errungenschaften der Psychiatrie gesehen wird. Wir sind dabei, mit diesem Gesetz Psychiatrie anders zu definieren.

Ich will hier nur - das ist auch schon angesprochen worden - auf den unbestimmten Begriff der psychischen Störung hinweisen, der hier eingeführt wird und der meines Erachtens einen deutlichen Interpretationsspielraum liefert. Es geht aber auch um das Gebot des Abstandes zwischen Maßregelvollzug und Therapieunterbringungsgesetz, der nicht definiert ist, und zum Schluss um die Frage: Lässt sich eigentlich der Resozialisierungsgedanke in diesem Gesetz nachverfolgen und nachvollziehen?

Für uns heißt das in der Konsequenz, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Wir lehnen ihn ab, weil der Ausschuss deutlich mehr Zeit für eine Beratung gebraucht hätte. Wir lehnen ihn ab, weil der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst deutli

che Hinweise auf die Qualität dieses Gesetzes gegeben hat und weil wir mehr Qualität im Gesetzgebungsverfahren für angemessen halten.

Wir reden hier über deutliche Grundrechtseinschränkungen, die wir mit diesem Gesetz vornehmen. Diesem Anspruch wird der Landtag mit diesem Gesetz, wenn er es denn beschließt, nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wir geben dem Landtag der 17. Wahlperiode heute die dringende Aufforderung in den Nikolausstiefel, dieses Gesetz schnell zu novellieren, dann aber auch ausreichende Zeit vorzusehen, um eine grundlegende Diskussion über Ziele, Ausrichtung und Ausstattung von Psychiatrie, Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und die Abgrenzung dieser Bereiche zu führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Brunotte. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Riese zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt Augenblicke, in denen auch das Erlassen von Gesetzen mit einer ganz besonderen Verantwortung verbunden ist. Auch die Entscheidung, ein Gesetz nicht zu erlassen, könnte mit einer ganz besonderen Verantwortung verbunden sind.

Hier ist ausgeführt worden, es gehe um einen Einzelfall, was in der Gegenwart richtig sein mag. Wir wissen aber aus dem Gesetzesvorschlag, den CDU und FDP dem Landtag unterbreitet haben, dass innerhalb weniger Jahre bis zu 20 Personen diesem Gesetz unterfallen könnten.

Wir wissen überdies, dass zusätzlich zu den Gründen, die Kollege Nacke hier angeführt hat, warum wir das landesrechtlich regeln müssen, noch dazukommt, dass die Bestimmung der Behörden erforderlich ist, die zur Ausführung des Bundesgesetzes zuständig sind. Das geht nur durch Landesrecht.

Deswegen: Würde das Gesetz nicht erlassen, hätten wir einen regelungsfreien Raum mit Folgen,

die jedes Mitglied dieser gesetzgebenden Körperschaft persönlich verantworten müsste. Denn am Ende geht es ja um Menschen, bei denen sich alle Fachleute einig sind, dass sie eine unmittelbare Bedrohung für andere Menschen darstellen können

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

- genau darum geht es, Herr Kollege Limburg -, und für die der Staat die Verantwortung hat, Gefahrenabwehr darzustellen.