Protokoll der Sitzung vom 09.10.2008

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, zu derselben Petition hat Frau Vockert das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern habe ich im rundblick folgenden Satz gelesen - ich zitiere in verkürzter Fassung -: Die Verbraucher sollen in Zukunft besser vor unseriösen Angeboten geschützt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich das gelesen habe, hatte ich, weil ich ja wusste, dass diese Petition strittig gestellt wurde, die Assoziation: Die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen müssen in Zukunft besser vor den unseriösen, vor den populistischen Versprechungen von SPD, Grünen und der Linken geschützt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Verbieten Sie doch die Opposition! - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wenn das geht! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist die Höhe! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wollen Sie ein Ein- parteiensystem?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was fordern die Petenten hier ein? - Kurz gefasst: einen besseren Personalschlüssel und die Sicherstellung einer überörtlichen Jugendhilfeplanung. - Alle Fraktionen

wissen, dass das heute schon umsetzbar ist. Dazu bedarf es keiner Petition.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Petitionen dür- fen auch nicht mehr geschrieben wer- den? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Hier werden auch noch die Petenten be- schimpft!)

Dazu bedarf es keines Gesetzentwurfs. Dazu bedarf es keines Antrags. Die Petenten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen das.

Zuständig ist - Herr Jüttner, auch Sie wissen das aus langjähriger Erfahrung; die Petenten wissen das auch - nach SGB VIII der Träger der Jugendhilfe. Das alles kann im Rahmen der Jugendhilfeplanung jetzt schon geregelt werden. Die Mindeststandards, die der Landesgesetzgeber vorgibt, will niemand mehr unterschreiten. Das wollte die SPD ja einmal.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Was ist mit dem Modellkommunengesetz?)

Deshalb sage ich auch: Diese Versprechungen, die auch jetzt wieder von der SPD gemacht werden, sind einfach unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man kann das schon jetzt machen. Ausgehend von den Mindestanforderungen kann eine Kommune entscheiden, mehr zu machen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wer macht denn die Standards?)

Aber was machen Sie als Oppositionsfraktionen? - Sie machen einen schlanken Fuß, machen Wahlversprechen - die Sie aber gar nicht einhalten würden - und fordern von uns immer mehr Geld, obwohl wir gar nicht zuständig sind.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wir haben Finanzierungsvorschläge gemacht!)

Damit dokumentieren Sie wieder einmal, dass Sie eine virtuelle Politik machen, während CDU und FDP eine reale Politik machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber falsche! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ma- chen überhaupt keine Politik, Sie ver- walten nur!)

Wir unterstützen seit Jahren, nämlich seit 2003, alle Bemühungen um eine gute Qualität in den Kitas. Das Signal, das Frau Weddige-Degenhard eingefordert hat, haben wir längst an alle Träger,

an alle Kommunen gegeben: dass wir sie in ihren Bemühungen um eine bessere Qualität unterstützen.

Wir plädieren für „Sach- und Rechtslage“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt ist Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Reihe. Bitte schön, Frau Helmhold!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Frau Vockert, lassen Sie mich kurz etwas zu Ihren Ausführungen sagen.

Im Gegensatz zu Ihnen haben wir unsere Vorstellungen für die Verbesserungen im Kinder- und Jugendbereich 1 : 1 gegenfinanziert und Ihnen das auch dargestellt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass Sie die Opposition am liebsten abschaffen würden, kann ich ja noch verstehen. Aber dass Sie jetzt auch noch Petenten beschimpfen? Dazu fällt mir nur Bert Brecht ein: Wäre es da nicht besser, die Regierung schaffte das Volk ab und wählte sich ein anderes?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Petition des Bündnisses für Kinder und Familie in Niedersachsen haben auch wir strittig gestellt. Ich möchte hier aber zu den strittigen Eingaben von 29 Diakonischen Werken und evangelischen Kirchenkreisen in Niedersachsen sprechen, die sich mit der Bitte um Unterstützung für Kinder aus armen Familien an den Landtag gewendet haben.

Diese Petenten sind Experten; denn sie erleben bei ihrer täglichen Arbeit, dass Kinder armer Familien im Bildungsbereich Ausgrenzungen erleben. Sie beklagen den Zustand, den wir unablässig mit Ihnen zu diskutieren versuchen, dass nämlich mit den zur Verfügung stehenden Regelsätzen von 207 bzw. 276 Euro ab 14 Jahren ein Kind nicht angemessen versorgt werden kann und dass das in der Folge dazu führt, dass diesen Kindern die Chancengleichheit im Bildungssystem genommen wird.

In der Stellungnahme des Sozialministeriums zu den Petitionen wird die Welt der Armen ziemlich schöngerechnet. Die Kosten für Schulbildung, so

heißt es in der Sachdarstellung, seien in der Abteilung 8 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe versteckt: 22,88 Euro bzw. 30,58 Euro für über 14-Jährige.

Diese Abteilung, meine Damen und Herren - damit haben Sie ja begründet, warum Sie diese Petition nicht zur Berücksichtigung stellen wollen -, heißt aber: Freizeit, Unterhaltung und Kultur. Von Bildung steht da eben nichts. Für Kinder aus armen Familien lesen Sie das so: Euer Kino heißt Kopiergeld, euer Theater heißt Taschenrechner, und statt Disco kauft ihr euch Arbeitshefte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei den LINKEN)

Teilhabe heißt aber auch Teilhabe an Kultur, Freizeit und Unterhaltung. Deswegen ist die Feststellung richtig, dass der Regelsatz für Bildung für Kinder nichts vorsieht. Die Petenten rechnen es Ihnen vor. Für die schulischen Aufwendungen kommen im Laufe des Jahres locker 300 Euro und mehr zusammen. Die Eltern geraten in Not, weil sie dieses Geld für ihre Kinder nicht aufbringen können, wie übrigens auch die Fahrtkosten. Dafür sind im Regelsatz 16,50 Euro vorgesehen. Eine Monatskarte im Flächenland Niedersachsen kostet aber schon einmal 80 Euro. Die Differenz ist für die Betroffenen, um die es sich hier handelt, ein echtes Problem. Eltern stehen vor dem Problem, dass sie ihren Kindern aus finanziellen Gründen eine angemessene Bildung nicht ermöglichen können. Die Petenten - ich finde, da muss man ihnen Recht geben, das ist so - sehen darin eine eklatante Ungerechtigkeit gegenüber den Kindern, die aus Haushalten mit ausreichendem Einkommen stammen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Diese Ungerechtigkeit hat sich übrigens durch die jüngsten Beschlüsse der Großen Koalition noch ausgeweitet: Von der Kindergelderhöhung profitieren die armen Kinder überhaupt nicht. Diese 10 Euro kommen bei den Ärmsten der Armen nicht an. Die bräuchten es aber eigentlich am dringendsten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mit der Frage des Zusammenhangs zwischen Kinderarmut, Schulpolitik und Bildungspolitik beschäftigt sich auch die Eingabe 87/04/16, die wir ebenfalls strittig gestellt haben. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass einem der reichsten Länder der

Erde für seine Kinder eigentlich nichts zu teuer sein darf.

(Glocke des Präsidenten)

Da reibt man sich in den letzten Tagen und Wochen die Augen. Wenn es plötzlich darum geht, das Geld quasi an sich zu schützen, dann ist kein Preis zu hoch. Aber wenn es um Kinder geht, dann wird immer geknausert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ein Satz noch! - Die Petenten formulieren es so: Materielle Armut darf kein Hinderungsgrund für eine persönlich angemessene Bildung sein. - Ich gebe ihnen uneingeschränkt Recht. Darum plädiere ich für „Berücksichtigung“.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ergänzung zu Frau Helmholds Äußerungen - weil ich nur 1:30 Minuten zur Verfügung habe - möchte ich für die Fraktion der Linken feststellen, dass die Folgen des SGB II - wir sprechen in aller Regelmäßigkeit sowohl hier als auch im Sozialausschuss darüber - immer wieder zur Debatte gestellt werden. Von allen Fraktionen hier im Hause wird uneingeschränkt gesagt, dass das Thema Bildung der Faktor bzw. die Voraussetzung ist, um sogenannte Sozialhilfekarrieren zu vermeiden. Da sind wir uns bisher den Äußerungen nach immer einig gewesen.