Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

„wird sofort die SED-Keule geschwungen und gefragt, ob denn jemand diese verkrustete, von Apparatschiks beherrschte Partei zurückhaben wolle.“

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Krieg gegen Jugoslawien haben die da nicht geführt!)

- Herr Adler, in diesem Land gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung, in diesem Hause gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Daran werden Sie sich noch gewöhnen müssen!

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Henning Adler [LIN- KE]: Herr McAllister, das Recht habe ich Ihnen nicht abgesprochen. Ich ha- be nur mein Recht zu einem Zwi- schenruf wahrgenommen!)

Herr Dr. Sohn, Ihre These, dass die DDR der friedlichere und sozialere Teil Deutschlands war, ist eine unerträgliche Geschichtsklitterung und eine Verhöhnung der Opfer der DDR. Ich sage hoffentlich für die ganz überwältigende Mehrheit in diesem Hause: Die DDR war nicht der friedlichere, sie war nicht der sozialere Teil Deutschlands. Es ist geradezu unerträglich, welche Parolen hier im Landtag mittlerweile vertreten werden.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, CDU und FDP werden gemeinsam alles für eine gute und erfolgreiche Zukunft Niedersachsens tun. Die Regierungsarbeit von Christian Wulff und seinem ganzen Kabinett werden die Koalitionsfraktionen auch künftig konstruktiv begleiten und unterstützen. Wir machen vor allen Dingen Politik, die wirtschaftliche Vernunft und soziale Sensibilität verbindet. Wir machen Politik für die Schwachen in unserer Gesellschaft, die unsere Hilfe benötigen und darauf auch einen Anspruch haben. Wir machen aber ebenso Politik für diejenigen, die jeden Tag zur Arbeit gehen, die Steuern und Sozialabgaben zahlen und frei von staatlicher Bevormundung ihr Familienleben gestalten wollen. Wir machen Politik für diejenigen, die sich wünschen, dass sich Leistung wieder stärker bezahlt macht, und wir machen Politik für diejenigen, die auch bereit sind, für ihre Kinder und Enkelkinder, für eine gute Bildung und damit für eine gute Zukunft Verzicht zu üben. Wir machen auch Politik für die Menschen im Lande, die sich neben ihrer Arbeit ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren und die Polizei eigentlich nur aus dem „Tatort“ kennen, weil sie gar nicht erst kriminell werden.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Das, meine Damen und Herren, ist die riesengroße Mehrheit in unserem Land, die Mitte unserer Gesellschaft. Und für die fühlen sich CDU und FDP ganz besonders verantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen wird fünf weitere Jahre mit Christian Wulff, mit Ideen, Engagement und Begeisterung regiert. CDU und FDP nehmen diese Aufgabe mit Freude an - für die Menschen in unserem Land, für ein starkes Niedersachsen. Wir laden alle Niedersachsen ein, mit uns gemeinsam in eine Zukunft zu gehen.

Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Dieter Möhrmann

Meine Damen und Herren, ich erteile in der Aussprache zur Regierungserklärung jetzt Herrn Stefan Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Herr McAllister, viel über die Vergangenheit, viel über andere, wenig über die Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber bevor ich zum Thema komme, möchte ich von dieser Stelle aus Herrn Wulff auch unsere guten Wünsche zur Genesung übermitteln.

Was der Herr Stellvertreter hier heute vorgelesen hat, macht vor allem eines deutlich: Mit Ihrem Koalitionsvertrag macht diese Landesregierung den viel beschworenen Zauber des Beginnens zu einem faulen Zauber des „Weiter so“.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es bleibt dabei: Bei allem, was CDU und FDP tun, steht nicht die Zukunft des Landes im Mittelpunkt. Vielmehr geht es in erster Linie immer darum, den machtpolitischen Optionen des Ministerpräsidenten gerecht zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

So war auch Ihr gesamter Wahlkampf angelegt, Herr McAllister. Herr Wulff hat im vergangenen Jahr mehr Schlagzeilen mit Boulevard gemacht, es gab im Wahlkampf mehr Bilder von ihm und seiner Freundin als von ihm und seinen Ministerinnen und Ministern.

(Beifall bei den GRÜNEN - Heiner Bartling [SPD]: Ich verstehe, dass er mit seiner Freundin lieber zusammen ist!)

Der Ministerpräsident hat die Wahlen nicht Bildungs-, Finanz- und Wirtschaftsfachleuten gewonnen, sondern mit Marketingkonzepten und Werbekonzepten. Meine Damen und Herren, nichts für ungut: Das ist legitim. Aber was ist jetzt? Jetzt müssen Sie regieren.

(Jörg Bode [FDP]: Das machen wir auch!)

Da helfen Ihnen nicht Heinz-Rudolf Kunze und Wulff TV oder irgendwelche ähnlichen Geschichten.

(Jörg Bode [FDP]: Kein Neid!)

Der Ministerpräsident ist in den letzten Monaten durchs Land gezogen wie ein lachender Vagabund. Er hat uns von einer soliden wirtschaftlichen Entwicklung hierzulande erzählt und ein Bild gezeichnet, das schon kurz nach dem 27. Januar offenbar Geschichte war, meine Damen und Herren; denn da war Schluss mit lustig. Da haben es die Zahlen schwarz auf weiß bestätigt. Niedersachsen liegt bei der wirtschaftlichen Entwicklung im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz - sagt das Niedersächsische Landesamt für Statistik, nicht irgendwelche obskuren Zeitschriften, die Sie hier immer gerne zitieren. Das ist blamabel, und dafür tragen Sie auf der rechten Seite des Hauses die Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - David McAllister [CDU]: Guck doch nicht so böse!)

Nach Antworten auf die zentralen politischen Herausforderungen unserer Zeit sucht man in Ihrem Regierungsprogramm vergeblich. Immerhin tauchen jetzt die Stichworte „Klimawandel“, „Globalisierung“ und „demografischer Wandel“ auf. Aber Antworten darauf, wie Sie den damit verbundenen Herausforderungen wirklich gerecht werden wollen, begegnet man nicht.

Wie lautet denn Ihre Antwort auf den Klimawandel mit all seinen ökologischen und ökonomischen Folgen?

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ein neu- es Türschild!)

Wie lautet Ihre Antwort auf die Globalisierung mit ihren Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit niedersächsischer Unternehmen?

Wie lautet Ihre Antwort auf den demografischen Wandel und all seine Folgen für die soziale Sicherheit und die Lebensfähigkeit unserer Städte und Gemeinden?

Es gibt keine Antworten darauf. Deshalb sage ich: Ihr Koalitionsvertrag ist ein Bluff.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Ihre Zukunftspläne offenbaren Leerstellen von erschreckendem Aus

maß. Ihre Bilanz ist in erster Linie die Fortschreibung des Status quo. Sie sind in dieser Beziehung keine gute politische Adresse. Statt neuer Inhalte präsentieren Sie uns neue Türschilder: eines für den Innenminister und eines für den Umweltminister. Bei beiden war die Glaubwürdigkeit offenbar so schwer ramponiert, dass die Fassade aufpoliert werden musste.

(Ulf Thiele [CDU]: Heiner Ehlen kriegt auch ein neues!)

Aber meinen Sie wirklich, Herr Thiele, dass irgendjemand hier im Land glaubt, dass im Klimaministerium jetzt Klimaschutz betrieben wird, wenn gleichzeitig die Förderinstrumente für die erneuerbaren Energien zerstört werden sollen?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wer das Erneuerbare-Energien-Gesetz durch ein Quotenmodell ersetzen will - das hat die FDP im Wahlkampf immer wieder deutlich gemacht -, der macht den Boom bei Wind-, Sonnen- und Bioenergie kaputt.

(Christian Dürr [FDP]: Quatsch!)

Meinen Sie wirklich, dass sich die Menschen mit Migrationshintergrund besser von einem Integrationsminister vertreten sehen, wenn er gleichzeitig Familien abschiebt, die sich hier sehr gut integriert haben, die hier 16 Jahre gelebt haben, deren Kinder hier geboren sind und die gerne hier bleiben wollen?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Ulf Thiele [CDU]: Er hält sich an rechtsstaatliche Prinzipien!)

Beide Minister haben ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Das ist zum Schaden für die Menschen und für das Land.

Für die Herausforderungen der Zukunft reichen keine neuen Türschilder. Sie, Herr Schünemann, als Verfassungsminister haben mehrfach Gesetze beschlossen, die die Verfassung verletzt haben. Das haben nicht nur wir aufseiten der Opposition so gesehen, sondern das haben auch Gerichte klipp und klar, schwarz auf weiß festgestellt. Gerade heute haben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, vom Bundesverfassungsgericht eine Ohrfeige für Ihre Pläne zur heimlichen Onlinedurchsuchung bekommen.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie haben das Ur- teil nicht gelesen!)

- Ich habe das sehr wohl gelesen.

(Ulf Thiele [CDU]: Haben Sie nicht! Da steht nämlich drin, dass es möglich ist, eine Onlinedurchsuchung durch- zuführen! - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Herr Thiele, kümmern Sie sich lieber um das De- mokratieverständnis Ihrer Mehrheit! Die haut nämlich ab, wenn die Oppo- sition spricht!)