Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Herr Klein hatte vorhin das Beispiel Großbritannien mit der Differenz von 90 Milliarden Euro genannt. Ich habe auf meinem Zettel das Beispiel Frankreich stehen. Wenn wir die gleichen Regeln wie in Frankreich hätten, dann wären es 12 Milliarden Euro. Sie sehen, wie gravierend weit links von uns die Grünen an diesem Punkt stehen.

Herr Rickert, ob man Großbritannien oder Frankreich nimmt, ist egal. Ihre Argumentation eben war ja fast rührselig: Es gibt welche, die würden möglicherweise sogar das Land verlassen. - Dann müsste unser Land ja voll von französischen und britischen Erbschaftsteuerflüchtlingen sein.

(Jörg Bode [FDP]: Warum sollen die denn ausgerechnet zu uns kommen und nicht nach Österreich oder in die Schweiz?)

Dies ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Also muss es doch möglich sein, diese Besteuerung zu bekommen. Sie hatten ja die 300 Milliarden Euro und Ihre Sorgen um Herrn Möllring und den Landeshaushalt angeschnitten.

(Klaus Rickert [FDP]: 300 Millionen!)

- Ja, 300 Millionen. - Die französische Situation, umgerechnet auf unseren Landeshaushalt, bedeutet 1,2 Milliarden Euro.

(Christian Dürr [FDP]: Das mit den Verhältnissen ist schwierig!)

Sie haben eben nicht zugehört, weil Sie so selbstverliebt in Ihre eigenen Zwischenrufe waren.

(Klaus Rickert [FDP]: Das ist intelli- genter als das, was Sie sagen!)

Das wäre die Summe, die herauskommen würde, wenn man vernünftige, nämlich französische Regeln einführen würde. Das zeigt die Möglichkeiten dieser Besteuerung.

Wenn man sagt, Leistung müsse sich wieder lohnen, oder man sei die Partei der Besserverdienenden - darin steckt ja das Wort „dienen“ -, dann ist das, was Herr Klein sagt, völlig richtig. Das ist ein leistungsloses Einkommen. Man kann das gar nicht oft genug unterstreichen. Vom Charakter her ist das dasselbe wie ein Lottogewinn. Sie haben nämlich nichts dafür getan.

Herr Dr. Sohn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Übrigen ist das Resultat häufig genauso charakterschädigend wie ein Lottogewinn.

Die Zwischenfrage kann jetzt kommen!

Zunächst hatte sich Herr Rickert gemeldet.

Immer alle ran!

(Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt endlich wissen, Herr Dr. Sohn: Was ist für Sie ein Besserverdienender?

Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: Ein Besserverdienender ist jemand, der eine Villa hat - sie kann auch in Kleefeld stehen -

(Jörg Hillmer [CDU]: Oskar Lafontai- ne!)

sowie über ein Einkommen von 1,3 Millionen Euro verfügt, dies an die Witwe oder den Witwer und die beiden Kinder vererbt und nach den neuen Regelungen, die Sie jetzt beschlossen haben - übrigens auch die SPD -, keinen Pfennig Steuern auf dieses Volumen zahlen würden.

(Jens Nacke [CDU]: Wer tot ist, kann kein Besserverdienender mehr sein!)

Villa, 1,3 Millionen Euro, zwei Kinder, ein Erbe. Da gibt es keine einzige Steuer. Das ist das Zementieren von Familiendynastien. Ob das sozialdemokratisch ist, wird mir ewig verschlossen bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Zwischenfrage!

Es gibt noch eine weitere Zwischenfrage. Herr Bode, bitte!

Herr Dr. Sohn, Sie haben gerade ausgeführt, dass eine Erbschaft genauso zu behandeln sei wie ein Lottogewinn, weil sie leistungslos bezogen werde. Können Sie mir erklären, wie hoch ein Lottogewinn im Verhältnis zur Erbschaft versteuert wird?

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es vom Charakter her dasselbe ist; das ist richtig. Beides ist ein Einkommen, für das Sie nichts getan haben. Beim Lottogewinn haben Sie wenigstens noch sechs Kreuze machen müssen.

(Jörg Bode [FDP]: Wie hoch wird ein Lottogewinn versteuert?)

- Das ist nicht mein Thema. Dies kann ich nicht beantworten. Ich kann nicht alles wissen. Ich heiße ja nicht Karl Marx.

(Jörg Bode [FDP]: Er ist steuerfrei! - Christian Dürr [FDP]: Da spricht der Experte, Herr Dr. Sohn!)

Der entscheidende Punkt ist: Es ist ein völlig leistungsloses Einkommen. Sie wollen dieses leistungslose Einkommen, obwohl Sie von Leistung reden, steuerlich bevorzugen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist völliger Unsinn, Herr Dr. Sohn! - Wei- tere Zurufe - Heinz Rolfes [CDU]: Lasst ihn doch reden! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür, dass Sie möglicherweise eine andere Meinung haben. Wenn Sie diese äußern möchten, dann haben Sie dazu verschiedene parlamentarische Möglichkeiten. Zwischenrufe sind zwar das Salz in der Suppe. Aber das war eben ein bisschen viel.

Herr Dr. Sohn, Sie haben das Wort. Sie haben jetzt noch eine Minute Redezeit.

Gut, das reicht noch für ein Argument. - Häufig wird das, was gemacht wird - auch das irrwitzige Hochsetzen von Freigrenzen -, trotzdem noch mit „Omas kleinem Häuschen“ begründet. Dem halten die Zahlen schlicht und ergreifend nicht stand. 44 % aller Erbschaften lagen im letzten Jahr nämlich unter 20 000 Euro. Dazu braucht man keine Freigrenze im Halbmillionenbereich. Lediglich 1,5 % der Erbschaften lagen bei 500 000 Euro oder darüber. Wenn Sie schon das Argument der Schonung der Masse der Erben anführen, ist zu sagen, dass dieses Ziel auch schon mit einem Betrag von 150 000 oder 300 000 Euro erreicht wäre. Der Beschluss, den Sie jetzt offensichtlich - leider auch mit Zustimmung der SPD - fassen wer

den, bedeutet das Zementieren von Familiendynastien.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist Herr Tanke für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berechtigung der Erbschaftsteuer begründet sich unserer Auffassung nach darin, dass es gleiche Startchancen für alle geben muss, dass jede Generation gleiche Startchancen haben muss und dass insofern die Besteuerung von Erbschaften in geringem Umfang, wie sie der Kompromiss jetzt vorsieht, sachgerecht ist. Ich freue mich, dass sich die SPD-Fraktion diesbezüglich mit der Landesregierung einig ist. Die Landesregierung hat am 9. Mai eine entsprechende Anfrage wie folgt beantwortet - ich zitiere -: Die Landesregierung spricht sich für den Erhalt der Erbschaftsteuer aus. Der Erbe oder Beschenkte wird durch die Erbschaft oder Schenkung bereichert, und seine Leistungsfähigkeit wird erhöht. - Ich glaube, dass diese Begründung dazu berechtigt, das öffentliche Gemeinwesen nicht nur über Ertragssteuern zu finanzieren, sondern auch durch Einnahmen aus der Erbschaftsteuer. Jährlich werden 200 Milliarden Euro vererbt. Es ist meines Erachtens berechtigt, dass der Staat davon einen Anteil in Höhe von 2 %, also 4 Milliarden Euro erhält, um öffentliche Aufgaben zu finanzieren.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist hier bereits zitiert worden. Wir gehen davon aus, dass eine Überprüfung des hier zur Debatte stehenden Gesetzes stattfindet. Es ist in Deutschland mittlerweile so, dass es immer jemanden gibt, der sagt, die Neugestaltung eines Gesetzes sei nicht verfassungskonform und entspreche nicht dem Richterspruch.

Lassen Sie mich, bevor ich auf den Kompromiss zu sprechen komme, hier sagen, dass die SPD stolz darauf ist, dass diese Regelung zustande gekommen ist. Ich will in diesem Zusammenhang vier Punkte nennen.

Erstens. Die Erbschaftsteuer bleibt erhalten. Herr Klein, es war ja auch die ursprüngliche Zielsetzung in Ihrem Antrag, dass es eine fristgerechte Neuregelung gibt. Herr Ramsauer hat am 19. April in der

Wirtschaftswoche gesagt, es wäre am besten, die Erbschaftsteuer 2008 auslaufen zu lassen. Dies lässt erkennen, in welch schwierigem Umfeld es erreicht worden ist, dass die Erbschaftsteuer erhalten bleibt. Wer in dieser Woche die Karikatur in der HAZ mit den schönen Gleisen, auf denen CDU und CSU fahren, gesehen hat, weiß, dass es für die SPD in Berlin nicht ganz einfach war, das angestrebte Ziel zu erreichen. Es freut uns aber, dass es gelungen ist.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Ziel war, das derzeitige Steueraufkommen mindestens zu erhalten. Das wird gelingen. Ich werde darauf noch im Einzelnen zu sprechen kommen. Für 2009 ist ein Aufkommen von 4,78 Milliarden Euro prognostiziert.

Der dritte Punkt ist, dass Arbeitsplätze bei Betriebsübergang erhalten bleiben.

Viertens möchte ich schließlich ein kleines, aber wichtiges Detail erwähnen: Der Pflegepauschbetrag ist von 5 200 Euro auf 20 000 Euro erhöht worden. Das heißt, dass bei einem Erblasser oder einer Erblasserin derjenige oder diejenige, die diese Person gepflegt hat, entsprechend bessergestellt wird. Ich denke, dass auch dies eine wichtige Verbesserung ist.

Lassen Sie mich zu dem Kompromiss, der in Berlin gefunden worden ist, sagen, dass es insofern eine Verschiebung gibt, als die ganz nahen Verwandten, nämlich die Eheleute und die Kinder, aber auch - dies war ebenfalls ein Erfolg unserer Fraktion in Berlin - die Lebenspartner bessergestellt werden. Diese Entlastung findet auch bei hohem Vermögen statt. Der Steuerausfall, der eintritt, wird dadurch kompensiert - Herr Klein, das haben Sie nicht erwähnt -, dass jetzt die Verkehrswerte zugrunde gelegt werden.

(Unruhe)