Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Frau Pieper, ich möchte Sie unterbrechen. - Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit, insbesondere bei den männlichen Kollegen auf der linken Seite des Hauses.

Denn - das möchte ich noch zu Ende führen - wir sind in den Grundsätzen und auch in den vergangenen Zeiten doch eigentlich, wenn man das so hört, eng beieinander gewesen.

Ich komme nun zu Ihren Forderungen.

In Nr. 1 fordern Sie gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Diese Forderung ist richtig. Diese Forderung hat bereits Rita Süssmuth vor 20 Jahren aufgestellt. Unsere Familienministerin Mechthild RossLuttmann hat dies auch klar und deutlich erneut zum Ausdruck gebracht, indem sie die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes aufgefordert hat, die Tarifgespräche zu neuen Entgeltforderungen zügig abzuschließen. Haben Sie das vergessen?

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Ebenso fordert sie ein diskriminierungsfreies Eingruppierungssystem sowie gleiche Karrierechancen und einen gleichberechtigten Zugang zu Führungsposition auch in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung.

In Nr. 2 fordern Sie verbesserte Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder ab 13 Uhr. Dazu sagen wir als CDU-Fraktion: Ja, das ist genau richtig, liebe Frau Groskurt; denn genau das haben die Fraktionen von CDU und der FDP in den Jahren seit 2003 systematisch umgesetzt, und zwar auch mit gehörigem Nachdruck.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erinnere hier nur an die Erweiterung des Ganztagsschulangebotes von 155 auf 670 Schulen, an die Erweiterung des Krippenangebotes, an die Bereitstellung von zusätzlichen 465 Millionen Euro bis 2013 sowie an den Abschluss des Krippengipfels unter Führung von Ursula von der Leyen.

Also bitte schön: Wir sind auf einem guten Weg. Wenn ich 2002 ansehe, da hatten wir teilweise ein Krippenangebot von nur 2 bis 3 % der Kinder.

Heute liegt das Angebot in manchen Regionen wie z. B. der Stadt Göttingen schon bei 50 %, aber leider im ländlichen Raum ist es noch zu gering. Da stimme ich mit Ihnen völlig überein, da müssen wir noch etwas tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Noch ein Wort zur geschichtlichen Entwicklung, Frau Groskurt. Als Rita Süssmuth vor 20 Jahren diesen Einwand brachte, hat man ihren Rücktritt gefordert. Man wollte sie wegen dieser Forderung abwählen.

(Zurufe von der SPD und von der LINKEN: Wer denn?)

Erzählen Sie uns also bitte nicht, wie wir in der CDU aufgestellt sind.

Weiter möchte ich darauf hinweisen, dass wir das beitragsfreie Kindergartenjahr eingeführt haben. Auch an das Elterngeld von Ursula von der Leyen ist zu erinnern, das nun auch Männern die Möglichkeit eröffnet, ihre Elternzeit wahrzunehmen.

(Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

- Herr Tanke, Sie müssen einfach nur zuhören.

Und wie Sie mit ihren Frauen umgehen - da brauche ich bei Ihnen nur in die letzte Reihe zu gucken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sehen also: Wir setzen Gleichberechtigung konsequent um.

In den Nrn. 3 und 4 fordern Sie die Etablierung verbindlicher Zielvorgaben für die gleichberechtigte Teilhabe beider Geschlechter an Führungspositionen in Politik, Verbänden und Wirtschaft. Auch da sind wir d’accord; da sind wir überhaupt nicht weit auseinander. Ich denke, da haben wir schon gute Beispiele mit unserer Bundeskanzlerin und den sechs Ministerinnen. Das ist noch zu wenig. Wenn ich mir anschaue, was Frau von der Leyen schon auf dem Weg gebracht hat

(Zurufe von der SPD: Ist das alles?)

- also bitte! -, die Kampagne FRAUEN MACHT KOMMUNE: Ich denke, da sind wir auf einem recht guten Weg. Genauso müssen Sie auch das Programm „Förderung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt“, kurz FIFA genannt, anschauen, das mit rund 7,3 Millionen Euro Fördermitteln von Land und EU im Jahre 2009 Frauen bessere Erwerbschancen eröffnet. Damit wird die Familienfreundlichkeit gestärkt, und damit stärken wir auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt möchte ich noch einen Punkt kritisch anmerken - dazu lassen Sie mich ein Zitat von Alice Schwarzer vortragen -, und zwar: Wir Frauen sollten nicht mit solchen Reden, wie Sie sie eben vorgetragen haben, auf uns aufmerksam machen,

(Zustimmung bei der CDU)

sondern wir sollten sehr sensibel darauf achten, dass wir nicht in die Ecke der Quotenfrau gestellt werden. Wir sollten darauf achten, dass wir akzeptiert und gleichberechtigt Seite an Seite stehen; denn Quotenfrau möchte ich nicht sein.

(Beifall bei der CDU)

Das empfinde ich als diskriminierend und entwürdigend.

Nun das Zitat von Alice Schwarzer:

„Auf dem Weg in die Männerwelt laufen Frauen Gefahr, ihre Wurzeln als Frauen zu verleugnen, ja zu verlieren. Ein wurzelloser Mensch aber ist unauthentisch. Solche Frauen sind dann keine Frauen, die ihren Mann stehen - sie sind trotz demonstrativer Weiblichkeit nur halbe Frauen und trotz erkämpfter Männlichkeit nur halbe Männer. Das spüren die Frauen. Und die Männer übrigens auch. Und genau das macht so manche erfolgreiche Frau nicht stärker, sondern schwächer. Denn sie gehört weder zu den einen noch zu den anderen. Aber ihr Ziel müsste es sein, zu beiden zu gehören.“

Das ist auch das Ziel der CDU. Das werden wir permanent verfolgen.

Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vertreterin einer Fraktion, bei der das Thema Gleichberechtigung im Gegensatz zur CDU in guten Händen ist, begrüße ich ausdrücklich, dass der Landtag vorgestern mit einem Empfang und heute

auch mit einer Rede der von mir als sehr kompetent geschätzten Landtagsvizepräsidentin Frau Vockert 90 Jahre Frauenwahlrecht angemessen gewürdigt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn auch der Jahrestag der Novemberrevolution gewürdigt worden wäre. Immerhin haben mit dieser Revolution mutige Frauen und Männer erkämpft, dass die politische Macht erstmals aus den Händen eines Einzelnen, eines Monarchen, genommen und stattdessen in die Hände eines Parlaments gelegt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen sind beide Ereignisse nicht unabhängig voneinander zu sehen. Wir haben erst vorgestern von Frau Professorin Christiane Lemke beim Empfang hier im Landtag gehört, dass nicht ganz klar sei, warum dem Initiativantrag zur Einführung des Frauenwahlrechts letztendlich zugestimmt worden sei. Es habe wohl daran gelegen, dass man Furcht davor hatte, die Revolution könnte sich noch weiter ausweiten. Diese Einschätzung ist auch anderen Quellen zu entnehmen.

Mir erscheint es jedenfalls höchst plausibel, dass nicht der gesellschaftlich breit verankerte Wunsch nach Gleichberechtigung der Frauen damals ausschlaggebend war, sondern dass es wohl eher solche Gründe waren, wie vorgestern von der Professorin genannt. Damals gab es jedenfalls keinen Konsens darüber, dass Frauen die gleichen Rechte haben sollten wie Männer.

Heute haben Frauen in Deutschland das aktive und das passive Wahlrecht. Damit haben sie formal die gleichen Rechte wie Männer. Das haben sie in anderen Lebensbereichen auch. Aber faktisch haben es Frauen in vielerlei Hinsicht immer noch deutlich schwerer als Männer. Das hat viele Gründe. Ich möchte hier zwei kurz beleuchten.

Zunächst zum Rollenbild. Immer noch herrscht ein konservatives Rollenbild weitgehend vor. Ich möchte hier den Niedersächsischen Finanzminister zitieren - in dem Wissen, dass ich vielen Unrecht tue, die es verdient hätten, in gleicher Art und Weise hier kritisch erwähnt zu werden -: Herr Möllring hat in der vergangenen Woche beim Gewerkschaftstag des BTB zum Thema „Altersgrenze von Beamten“ gesagt: Na ja, man könne ja im Einzelfall darüber nachdenken, ob Beamte auch länger arbeiten können sollten, wenn sie noch keine Lust

hätten, zu Hause die Füße hochzulegen, wenn die Frau mit dem Staubsauger kommt.

(Heiterkeit)

Das ist das Rollenbild, das immer noch in vielen Köpfen vorherrscht: Der Mann geht hinaus in das feindliche Leben und verdient das Geld, und die Frau bleibt zu Hause und hütet den Herd.

Auf solche Rollenbilder prallt man, wenn man als Frau Wege gehen will, die für Männer als selbstverständlich angesehen werden. Ich hatte z. B. gegen deutlich mehr und auch gegen andere Widerstände zu kämpfen, um in einem IT-Unternehmen im konservativen Bankenbereich Führungskraft von 16 Mitarbeitern zu werden. Ich betone: Mitarbeitern; denn es war keine Frau dabei. Ich bin lange die einzige weibliche Führungskraft in diesem Unternehmen geblieben.

Ein zweiter Punkt. Gleiches Verhalten wird oft geschlechtsspezifisch sehr unterschiedlich bewertet. Ich möchte dafür als Beispiel Andrea Ypsilanti anführen.

(Gudrun Pieper [CDU]: Oh!)