Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Frau Ministerin Ross-Luttmann, die SPD-Fraktion erwartet von Ihnen, dass Sie sich nicht nur in Pressemitteilungen, sondern tatsächlich für die Gleichstellung von Frauen einsetzen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Sie lassen sich von Ihren Kabinettskollegen immer wieder mühsam Erreichtes wegnehmen. Sie sind zuständig und verantwortlich, sonst niemand. Es kann doch nicht so schwer sein, Männern zu vermitteln, dass es ein Gewinn ist, wenn Frauen ihnen gleichgestellt sind.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Zeigen Sie ihnen doch nur einmal ein paar alte Fotos von ihren Großvätern. Sahen die Männer darauf glücklich aus?

(Zuruf von der SPD: Nein! - Heiterkeit)

- Danke. - Nein! Ernst waren sie, fast erdrückt von der Verantwortung, die sie ganz allein für sich, die Familie und die Arbeit zu tragen hatten. Heute können sie all diese Lasten mit den Frauen teilen. Dass dies ein Gewinn ist, muss doch jeder Mann begreifen, auch ein Politiker.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin Ross-Luttmann, wir bieten Ihnen unsere Unterstützung an; denn meine Ausführungen haben bewiesen: Die Politik für Frauen ist nur bei der SPD in guten Händen.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Waltraud Schoppe war die erste Frauenministe- rin!)

Dies war 1918 so - wir haben einen großen Grund gehabt, das zu feiern -, 2008 ist es so, und auch in Zukunft wird es so sein, meine Damen und Herren.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und Zu- stimmung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Frau Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt gute Gründe, an die Einführung des Frauenwahlrechts zu erinnern. Frau Vockert hat sie aufgezählt, und auch von Frau Groskurt haben wir eben einiges dazu gehört. Zum Glück leben wir aber in einer Zeit, in der das gleiche Wahlrecht von Frauen und Männern zu einem selbstverständlichen Teil unserer Demokratie geworden ist.

Über Selbstverständlichkeiten brauchen wir hier nicht zu reden. Reden sollten wir allerdings über die Themen, bei denen die Gleichstellung von Männern und Frauen nicht erreicht ist. Reden sollten wir über die Benachteiligung von Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Auch müssen

wir darüber sprechen, dass immer noch zu viele Frauen Opfer von Gewalt und Ausbeutung weltweit, aber auch in unserem Lande werden.

Meine Damen und Herren, in Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 25 % weniger als Männer. Dieses Problem findet sich in allen Gehaltsstufen. Was ist es für eine Unternehmenslandschaft, wenn die Berufung einer Frau in den Vorstand der Siemens AG die Zahl der weiblichen Vorstandsmitglieder von DAX-Unternehmen um 100 % steigert?! Nicht besser sieht es in Wissenschaft und Forschung aus. Lediglich 15 % der Professuren werden von Frauen ausgeübt. In den Parlamenten sieht es etwas, aber nur etwas besser aus. Frauen sind auf Landes-, Bundes- und Europaebene mit ungefähr 30 % vertreten.

Was sagen diese Zahlen? - Von wirklicher gleichberechtigter Ausübung von Macht und Einfluss sind wir noch meilenweit entfernt. Dies ist kein selbst gewähltes Schicksal von Frauen, sondern Grund dafür sind die von Männern dominierten Strukturen, die wir verändern müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Möglichkeit dafür ist übrigens die Frauenquote. Sie ist offensichtlich die wirksamste Möglichkeit der Beteiligung. Wie wirksam sie ist, sieht man daran, dass Parteien mit einer verpflichtenden Frauenquote immer einen Frauenanteil von mindestens 50 % unter den Abgeordneten haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht aber nicht nur um die Steigerung der Zahl von Frauen in Führungspositionen. In prekären Beschäftigungsverhältnissen sind Frauen überproportional vertreten. Viele Frauen müssen im Alter mit sehr geringen Finanzmitteln auskommen. Im Alter ist Armut tatsächlich weiblich. Viele Frauen pflegen oft unter schwierigsten Bedingungen Angehörige. Ohne dieses Engagement wäre unser Pflegesystem längst kollabiert. Viele Frauen werden von den Vätern ihrer Kinder bei der Erziehung im Stich gelassen. Zum Glück haben wir eine hohe Zahl mutiger Frauen, leider aber auch eine sehr hohe Zahl feiger Männer.

Viele Frauen werden nach wie vor Opfer häuslicher Gewalt. Gerade diese Frauen brauchen den Schutz der Gemeinschaft. Es ist beschämend, wie wenig sich die Landesregierung hier engagiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sollten die Augen auch nicht davor verschließen, dass viele Frauen Opfer sexueller Ausbeu

tung sind. Frauenhandel und Zwangsprostitution sind die übelste Form der Unterdrückung der Frauen auch in unserem Land. Es ist eigentümlich, wie wenig dagegen unternommen wird.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir keine weiteren 90 Jahre warten müssen, bis die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft erreicht ist. Wenn allerdings die Gleichstellungspolitik dieser Landesregierung das Tempo vorgibt, dann müssen die Frauen wohl auf den Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Dies aber - hier bin ich mir sicher - werden sich die Frauen nicht gefallen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Kreszentia Flauger [LIN- KE])

Lassen Sie mich mit einer Prognose schließen: Es werden mehrheitlich Frauen sein, die diese Landesregierung bei den nächsten Wahlen abwählen werden.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Wolfgang Jüttner [SPD] und von Kreszentia Flauger [LINKE])

Frau Pieper von der CDU-Fraktion, Sie haben das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich wende mich zunächst an unsere Landtagsvizepräsidentin mit einem Dank. Ich kann nur sagen: In Ihrer Rede habe ich mich heute Morgen wiedergefunden, ganz im Gegenteil zur Rede von Frau Groskurt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

100 Jahre Aufhebung des Politikverbots für Frauen, 100 Jahre Frauenstudium in Preußen, 90 Jahre Frauenwahlrecht und 50 Jahre Gleichberechtigungsgesetz. Der gestrige und der heutige Tag sind besondere und denkwürdige Tage in der Geschichte der Frauen. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, aktiv als auch passiv das Wahlrecht auszuüben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Erkämpft haben sie die!)

Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, das elementare Recht der politischen Mitbestimmung auszuüben. Für uns Frauen ist es heutzutage - ich betone: heutzutage - eine Selbstverständlichkeit, dass wir die Möglichkeit der politischen Beteiligung, die in der Gesellschaft verankert ist, gleichermaßen wahrnehmen. Ich gebe zu, dass dieser Erkenntnis ein langfristiger und auch kämpferischer Prozess im Umdenken sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern vorausgegangen ist. Aber dennoch war er wichtig.

Wenn ich in die Geschichte der christlichdemokratischen Frauen schaue, so sind dort bereits 1848 die Wurzeln in der bürgerlich-christlichen Frauenbewegung im Zuge einer allgemeinen Freiheitsbewegung entstanden.

(Widerspruch bei der SPD)

Das können Sie alles nachlesen. Nichts von dem, was ich sage, schüttele ich aus dem Ärmel.

Später, 1946, unter dem Vorsitz von Christine Teusch, kommt es in der britischen Besatzungszone zur ersten überregionalen Frauenvereinigung. Am 1. Mai 1948, also vor genau 60 Jahren, konstituiert sich die Frauenarbeitsgemeinschaft der CDU/CSU Deutschland, deren Vorsitzende Helene Weber wird. Diese Frauenvereinigung war es auch, die maßgeblich daran beteiligt war, dass die Gleichstellung von Frau und Mann und das damit verbundene Familienrecht, im Jahre 1949 die Witwenrente, 1952 das Mutterschutzgesetz, 1955 das Kindergeld und 1957 das Verbot von Frauenlohngruppen eingeführt wurden.

(Beifall bei der CDU)

Auch dass das Recht auf Kündigung der Frau durch den Ehemann gegenüber dem Arbeitgeber gestrichen wurde, trägt die Handschrift der CDUFrauen.

Durch die der CDU angehörende Niedersächsische Ministerin für Wirtschaft und Verkehr, Birgit Breuel - man nannte sie auch die Frau für schwierige Jobs - ist ebenfalls ein Meilenstein, hier in Hannover, gelegt worden, nämlich die EXPO 2000; vergessen Sie das bitte nicht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

- Das wollen Sie nicht hören.

Wenn ich mir nun den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion anschaue, frage ich mich, ob Sie

diese Ereignisse, diese zukunftsweisenden Beschlüsse ausgeblendet haben.

(Unruhe)

Frau Pieper, ich möchte Sie unterbrechen. - Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit, insbesondere bei den männlichen Kollegen auf der linken Seite des Hauses.