Ihr Versuch, in Hessen Ministerpräsidentin zu werden, ist vielfach als machtbesessen tituliert worden; die anderen, weniger parlamentarischen Ausdrücke möchte ich hier gar nicht verwenden. Ich bin fest davon überzeugt, dass gleiches Verhalten von Männern in der gleichen Situation anders bewertet worden wäre. Vielleicht wäre da sogar gesagt worden: Das ist ein mutiger Versuch.
Solche unterschiedlichen Bewertungen sind häufig. Man sagt: Männer wissen sich zu wehren, Frauen zicken rum. Männer sind zielstrebig, Frauen sind karriere… Über die unterschiedliche Bewertung, die bei Sexualität stattfindet, möchte ich gar nicht erst reden. Der Grat, auf dem sich Frauen in Bezug auf ihr Verhalten ohne negative Bewertung bewegen können, ist immer noch deutlich schmaler als der für Männer.
Wir sollten gemeinsam täglich darauf achten - ich spreche ausdrücklich auch die Frauen an - und immer wieder kritisch prüfen, ob wir in diesen Rollenbildern denken und ob wir, wenn wir das Verhalten einer Frau negativ bewerten, den gleichen Maßstab bei einem Mann anlegen würden.
Frauen immer noch entgegenstellen, wenn sie Wege gehen wollen, die für Männer selbstverständlich offen stehen, möchte ich für alle Mädchen und Frauen mit einem Zitat von Clara Zetkin, einer mutigen Vorkämpferin der Frauenbewegung, schließen:
„Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten nur eine Antwort: Erst recht!“
Frau Pieper von der CDU-Fraktion hat um das Wort für eine Kurzintervention gebeten. Sie haben eineinhalb Minuten, Frau Pieper.
Danke schön, Herr Präsident. - Frau Flauger, Sie haben soeben das Beispiel von Andrea Ypsilanti angeführt. Ich denke, es ist gut, dass Frau Ypsilanti ihre Ziele verfolgt hat. Aber es ist schon skandalös, wie sie sie verfolgt hat.
Wenn so etwas dann auch noch als Vorbild angeführt wird, möchte ich diesen Zeitungsausschnitt zeigen.
Das ist ein schlechtes Beispiel für Frauen, die in ihrer Welt weiterkommen wollen. Darauf sollten wir achten. Mit Maß und Mittelmaß, gleichberechtigt Seite an Seite ist es immer besser als andersherum.
Zunächst einmal war das, was Sie uns gezeigt haben, ein Artikel aus der Bild-Zeitung. Die nehme ich generell nicht zum Maßstab.
Mit der Überschrift, dass Frau Ypsilanti unbelehrbar wäre, bestätigen Sie nur das, was ich gerade gesagt habe.
Ich glaube, dass Sie mir nicht richtig zugehört haben. Es geht hier nicht um die Frage, wie das, was in Hessen passiert ist, politisch zu bewerten ist. Das war nicht mein Ansatz. Ich habe deutlich gesagt, es geht um die Bewertung des Verhaltens von Frau Ypsilanti, von dem gesagt wird, das sei machtbesessen. Wie gesagt, was ansonsten noch geäußert wurde, möchte ich hier nicht anführen, weil ich sonst einen Ordnungsruf bekäme.
Also, das Verhalten von Frau Ypsilanti wird machtbesessen genannt. Bei Männern in der gleichen Situation würde das gleiche Verhalten aber sicherlich anders bewertet. Ich finde, das müsste auch die CDU annehmen können, ohne sich gleich in die politische Diskussion zu versteigen, ob man die Koalition in Hessen gut findet. Darum ging es hier gar nicht, und wenn Sie zugehört hätten, dann hätten Sie es auch verstanden.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Editha Lorberg [CDU]: Drei Frauen haben ihr die Gefolgschaft verwei- gert!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für mich heute schon etwas ganz Besonderes, in diesem Hause und zu diesem Thema sprechen zu können. Viele mutige und starke Frauen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg haben das Frauenwahlrecht erstritten. Ihnen gilt Dank, Achtung und Anerkennung.
90 Jahre aktives und passives Wahlrecht für Frauen in Deutschland. Seitdem sind viele Rechte von Frauen eingefordert und zum Glück auch Rechte von Männern abgebaut worden. Das Beispiel wurde vorhin schon erwähnt, aber ich möchte es hier noch einmal anführen. Bei der Erarbeitung eines Frauenprogramms zum 8. März ist uns in der Stadt Göttingen zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten aufgefallen, dass bis in die 70er-Jahre hinein Ehemänner das Recht hatten, das Arbeits
Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung Niedersachsens aus: 51 %. Das war schon Thema, aber nicht hier im Landtag.
Frau Groskurt, Sie sagen, die Frauenpolitik sei bei der SPD in besten Händen. Das sehe ich nicht ganz so. Dazu müssten Sie auch hier im Landtag eine Quote von 50 % erreichen.
Es gilt also bei drei Parteien, große Sorge dafür zu tragen, dass Geschlechtergleichheit erreicht wird.
Frauen bilden nicht nur die Mehrheit der Bevölkerung in Niedersachsen, sie leisten auch mehr, erhalten dafür aber deutlich weniger als die andere Hälfte. Die Geschlechtergleichheit ist noch lange nicht erreicht, im Gegenteil, sie wird durch Rotstiftpolitik aktiv abgebaut. Dazu zwei Beispiele, eins davon wurde schon erwähnt: die Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung mit der Kürzung der Zahl der Stellen für Frauenbeauftragte, und: Frau Sozialministerin von der Leyen hat Frauenprojekte mit Kleinstförderung bis 7 000 Euro gestrichen.
Auch sind Frauen auf dem niedersächsischen Arbeitsmarkt in den letzten Jahren nur oberflächlich gesehen die Gewinnerinnen. Genau genommen betrachtet es sich um eine Zunahme von Teilzeitbeschäftigungen, was bedeutet, dass es sich um Einkommen, von denen Frauen nicht leben können, und um Arbeitsplätze ohne Aufstiegschancen handelt. Tatsächlich gehören Frauen zu den Verliererinnen der Arbeitsmarktreformen von SPD und Grünen.
Sie werden unter Verweis auf verdienende Partner in den Bezug von Arbeitslosengeld II und damit letztlich aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Frauen erhalten zunehmend befristete Arbeitsverträge und können keine Lebensplanung mehr vornehmen. Ich erinnere an die Diskussion über die Schwangerschaftstests in der Fleischfabrik Kemper.
Frauen werden zunehmend in den Niedriglohnsektor und in Minijobs gedrängt. Sie betrachten diese Arbeitsverhältnisse nicht als Chance, in das Er
werbsleben zurückzukehren; denn diese von der FDP vielgepriesene Chance dauert oftmals Jahre und setzt Frauen der Altersarmut aus.
Meine Damen und Herren, es fehlt noch vieles. Dieser Antrag der SPD ist ein erster Schritt, in Niedersachsen Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Meine herzliche Bitte: Tragen Sie, die Parteien, die die Quote noch nicht erreicht haben, Sorge dafür. Sie haben die Chance, dieses Thema bei der Aufstellung der Listen zur Bundestagswahl umzusetzen, damit Frauen in diesem Land gerecht vertreten sind und ihre Politik einbringen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Ulla Groskurt, ich war schon enttäuscht über Ihre Rede. Wenn wir Gleichberechtigung, eine Gleichstellung der Geschlechter und gleichen Zugang zu allen Bereichen erreichen wollen, dürfen wir uns nicht permanent, noch dazu mit falschen Behauptungen, gegenseitig in die Pfanne hauen. Das hilft überhaupt nicht weiter.
Dass CDU und FDP angeblich alles falsch machen, wie Sie gesagt haben, ist ganz klar zu widerlegen, und ich fand auch Ihre Angriffe gegen Heidi Mundlos ganz daneben.
Sie haben sich zwar entschuldigt, ich wollte es aber trotzdem noch einmal ansprechen. Das war nicht gut.