Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Drittens. Was können wir in Niedersachsen gegen die wachsende Fachkräftelücke tun? - Niedersachsen hat im Bundesvergleich schon jetzt zu wenige hoch qualifizierte Beschäftigte. Schon jetzt fehlen hierzulande über 2 000 Ingenieure. Es fehlen aber auch Ärzte und Lehrer.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Sehr richtig!)

Auf all diese Zukunftsfragen bleibt der vorgelegte Haushalt die Antwort schuldig.

(Beifall bei der SPD)

Der Gesamthaushalt wächst gegenüber dem Vorjahr um 3,8 %. Der Einzelplan 06 wächst dagegen mit 2,04 % unterdurchschnittlich. Für die Hochschulen bleibt sogar nur ein Plus von 1,2 % übrig.

Herr Minister, und das wollen Sie den Hochschulen im Ernst als „Vorfahrt für Bildung“ unterjubeln? - Sie lassen sich von Ihnen doch nicht für dumm verkaufen - und wir uns auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Der vorgesehene Aufwuchs für 2009 wird noch nicht einmal zum Ausgleich der gestiegenen Kosten der Hochschulen reichen, geschweige denn für die angekündigte Aufholjagd gegenüber dem Süden der Republik. Die Sparhaushalte der vergangenen Jahre mitsamt HOK und Zukunftspakt werden einfach fortgeschrieben, Programme und Initiativen des Bundes, wie der Hochschulpakt, der Aufwuchs bei den Forschungseinrichtungen oder das Professorinnenprogramm, werden mitfinanziert. Ein wenig zusätzliches Geld gibt es für den Hochschulbau und die Bauunterhaltung. Angesichts des vom Landesrechnungshof festgestellten Bauunterhaltungsbedarfes von über 216 Millionen Euro reicht das noch nicht einmal für den berühmten Tropfen auf den heißen Stein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das Land lässt auch weiterhin seine Hochschulen verrotten. Wir dagegen wollen zusätzlich 45 Millionen Euro in Landesimmobilien investieren, wovon natürlich auch die Hochschulen profitieren werden.

Meine Damen und Herren, vor zwei Wochen durften wir uns über den Anstieg der Erstsemesterzahlen freuen. Nach Prognosen der KMK wird der Anstieg noch bis 2015 andauern - eine Riesenchance für unser Land! Diese Chance können wir aber nur nutzen, wenn heute in Studienplätze und Infrastruktur investiert wird. Das Signal an alle jungen Menschen in Deutschland muss doch sein: Studiert! Die Hochschulen stehen für euch weit offen! - Viele Bundesländer drücken längst auf die Tube und nehmen zusätzlich Geld für den Ausbau der Hochschulen in die Hand. Und Niedersachsen? - Der Minister gackert aufgeregt, dass auch bei uns die Studienanfängerzahlen angestiegen sind.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wer wohl hier gackert!)

Selbst in Niedersachsen gehen die stark wachsenden Abiturjahrgänge nicht an den Hochschulen vorbei. Und das ist gut so. - Richtig ist aber auch, dass fast alle Länder deutlich mehr Studienanfänger gewinnen konnten als Niedersachsen. So glänzen Brandenburg, Hessen und Hamburg mit zweistelligen Zuwachsraten. Und Niedersachsen? - Mit mageren 2,5 % reichte es wieder einmal nur für einen Abstiegsplatz: Platz 14 von 16. - Herr Minister, Sie sollten die Tabelle einmal richtig herum halten, um den Ernst der Lage zu begreifen!

(Beifall bei der SPD)

Niedersachsen erreicht trotz des Anstiegs der Erstsemesterzahlen die im Hochschulpakt eingegangene Verpflichtung bisher nicht. Da können Sie noch so schöne Zahlen in die Mipla schreiben: Wenn die Studienanfänger nicht kommen, drohen den Hochschulen hohe Rückzahlungen an den Bund.

Meine Damen und Herren, soll das Abiturientenhoch zum Studierendenhoch werden, brauchen wir in ausreichendem Umfang Studienplätze. Wir brauchen dazu aber auch die soziale Infrastruktur. Dazu gehören: campusnaher Wohnraum, günstige Verpflegung in Mensen und vor allem Beratungen, z. B. zur Studienfinanzierung. - Die SPD wird deshalb die Finanzhilfe der Studentenwerke um 10 % aufstocken.

Darüber hinaus setzt sich die SPD dafür ein, dass die Förderung der Studentenwerke in das Wohnraumförderungsgesetz aufgenommen wird. In Schleswig-Holstein, Bayern und Hamburg ist das

längst der Fall. Es gibt schon jetzt bei unseren Studentenwerken lange Wartelisten auf einen Wohnheimplatz. Wir sind uns sicher: In Wohnheimplätze investiertes Geld ist gut investiertes Geld. - Aber Sie werden ja nur munter, wenn es um das Abkassieren der Studierenden geht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion steht zur staatlichen Verantwortung für Bildung und wird deshalb die Studiengebühren abschaffen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nachdem der Versuch von Frau Schavan, die HISStudie zu den Studiengebühren in der Schublade unter Verschluss zu halten, kläglich gescheitert ist, können auch CDU und FDP nicht mehr leugnen: Studiengebühren schrecken ab, und zwar vor allem Kinder aus Arbeiterfamilien und junge Frauen.

(Christoph Dreyer [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Diese lassen sich auch nicht von Ihren herrlichen Krediten locken, Herr Minister. Diese Kredite will niemand, weil gerade für Kinder aus hochschulfernen Elternhäusern ein Studium der Weg in eine ungewisse Zukunft ist. Diese Zukunft mit Schuldenbergen beginnen zu müssen, das macht Angst. Da helfen auch Ihre wohlfeilen Appelle, dass doch Bildung eine Investition in die Zukunft sei und sich dafür Schuldenmachen lohne, wenig. Sie müssen den jungen Menschen dann auch einmal erklären, warum die Schulden, die ein junger Mensch als Investition in seine Zukunft machen soll, etwas Gutes sind, während die Schulden, die ein Land für Investitionen in seine Zukunft macht, etwas Schlechtes sind.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die SPD bleibt dabei: Herkunft darf nicht über Zukunft entscheiden. Studiengebühren schrecken ab. Deshalb werden wir Studiengebühren abschaffen.

Da wir uns der Verantwortung für die Hochschulen stellen, werden wir die Einnahmen aus Studiengebühren - 94 Millionen Euro - in vollem Umfang gegenfinanzieren. 94 Millionen Euro stellen wir den Hochschulen für einen Qualitätspakt für die Lehre zur Verfügung. Unser Ziel lautet: Gute Lehre für alle!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wissen, Niedersachsen ist kein reiches Land. Umso notwendiger ist deshalb eine intelligente Hochschulplanung, die Ressourcen bündelt und klug einsetzt.

(David McAllister [CDU]: Wieso reden Sie denn dann?)

Doch auch hier: Fehlanzeige! Niedersachsens Hochschulen haben einen Minister ohne jeden Ehrgeiz, der am liebsten verwaltet und das Regieren seinem Staatssekretär überlässt.

(Björn Thümler [CDU]: Heute noch nicht Zeitung gelesen?)

Und wenn er dann doch einmal etwas selbst anfasst, geht es schief. Wir werden nachher das Thema NTH diskutieren. Dort kann man - auch Sie - par excellence nachverfolgen, wie es der Minister schafft, eine gute Idee zum Rohrkrepierer werden zu lassen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Bei dem Stichwort „NWZ“ würde ich mir an Ihrer Stelle, Herr Minister, ernsthafte Sorgen machen. Wenn schon Herr Klare als Fürsprecher auftreten muss, dann steht es wirklich schlimm, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Mensch Kalle, was hast du denn da gemacht?)

Doch wer jetzt hoffte, meine Damen und Herren, dass bei dem Minister nach dem NTH-Fiasko eine gewisse Denkleistung eintritt, wird enttäuscht. Schon kündigt sich das nächste Drama an: Der NTH soll nun die nächste Superuni folgen, die Hochschule Nordwest. Nicht nur die Universitäten Oldenburg und Vechta mitsamt der Fachhochschule OOW sollen unter ein Dach, nein, die Bremer Hochschulen und Groningen sollen gleich mit in die Superuni. Nichts gegen Visionen, Herr Minister. Aber erledigen Sie doch erst einmal Ihre Hausaufgaben! Seit Jahren brodelt es zwischen den Standorten der Fachhochschule OOW. Trotzdem setzte der Minister gegen das Votum des Hochschulrates eine Parteikollegin als Präsidentin durch, deren fehlende Kompetenz zur Einigung niemanden wirklich überraschen konnte und die jetzt mit Pauken und Trompeten vom Senat abgewählt worden ist.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Was reden Sie denn da?)

Seit Jahren sieht der Minister tatenlos zu, wie die Hochschule zunehmend in schweres Wasser gerät. Über 30 Professuren werden im Ministerium blockiert und nicht zur Besetzung freigegeben. Mittlerweile brennt die Hütte für jeden sichtbar lichterloh.

Frau Dr. Andretta, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Zielke?

Nein. - Was fällt dem Minister auf? - Ich zitiere aus der Nordwest-Zeitung vom 3. Dezember:

„Die Abwahl der Präsidentin Vera Dominke scheint mir ein weiteres sehr starkes Indiz dafür zu sein, dass wir etwas tun müssen.“

(Oh! bei der SPD)

Dann tun Sie doch endlich etwas, Herr Minister!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Hören Sie auf, sich länger hinter Kommissionen und Arbeitsgruppen zu verstecken! Wenn Sie der Meinung sind, dass die Fusion nicht funktioniert, dann machen Sie sie rückgängig! Aber entscheiden Sie sich endlich, bevor die Hochschulstandorte hier zugrunde gehen!

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Hochschulpolitik in Niedersachsen, das heißt auch weiterhin: Politik ohne Profil und Perspektive. - Der einzige Ruhm, den Sie, Herr Minister, sich erworben haben, ist der höchst zweifelhafte Ruhm, der Don Quichotte der Landesregierung zu sein. Aber das reicht nicht!

(Beifall bei der SPD - Wilhelm Hogrefe [CDU]: Sie sind die Kassandra!)

- Leider hatte Kassandra aber immer recht behalten. Auch das sollte Ihnen zu denken geben.