Weil Sie Angst vor einer Entscheidung haben, bleibt in vielen Kreisen eine weitere Schülergeneration vom Besuch einer Gesamtschule ausgeschlossen, können die Schulträger nicht loslegen.
Manche in Niedersachsen haben Ihnen vor der Wahl geglaubt, dass es Ihnen ernst ist. Was passiert nach der Wahl? Sie tauschen Minister Busemann gegen Frau Heister-Neumann aus, angeblich, weil sie die bessere Zusammenarbeit mit den
(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Wolf- gang Jüttner [SPD]: Aber die hat doch gerade die Langsamkeit entdeckt!)
Herr Wulff, im Wahlkampf haben Sie in den schulpolitischen Debatten Ihre schulpolitischen Sprecher, Herrn Klare und Frau Körtner, vorgeschickt. Warum hat wohl der Kollege Klare so deutliche Vorschläge gemacht hat, wie man noch ganz schnell in diesem Jahr zu neuen Gesamtschulen kommen kann? Warum hat wohl Frau Körtner in Bad Münder versprochen, sich für die baldige Gründung einer Gesamtschule einzusetzen? Ich kann es Ihnen sagen - ich war bei vielen solcher Diskussionen dabei -: weil Ihre schulpolitischen Sprecher dort im Wahlkampf mitbekommen haben, wie dringend Eltern längeres gemeinsames Lernen an Gesamtschulen wollen, und zwar noch 2008.
Sie haben eingesehen, dass Sie sich dem Wunsch vieler Eltern nach einer Gesamtschule, nach einer Schule, die ihren Kindern die Bildungschancen nicht frühzeitig verbaut, nicht länger verweigern können. Zugleich aber wollen Sie Ihr rückständiges gegliedertes Schulsystem um jeden Preis erhalten,
und zwar einschließlich der Hauptschulen, denen auch schon ohne die Gründung von Gesamtschulen die Schüler weglaufen. Wenn Sie es wirklich zur Vorbedingung für die Neugründung einer Gesamtschule machen wollen, dass es künftig auf dem flachen Land zusätzlich zur Gesamtschule in der Nähe auch noch eine Realschule und ein Gymnasium, vor allem aber auch noch eine Hauptschule geben muss, dann wird es auf dem flachen Land keine einzige Neugründung geben. Das wissen Sie ganz genau. Damit ist Ihre Ansage ein Ausschlusskriterium.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Das ist das Regel- schulsystem!)
Ihr neuester Vorschlag, die KGS als Teil des gegliederten Schulsystems zu definieren, ist nur ein neues Manöver, die Gründung von integrierten Gesamtschulen auszubremsen. Das haben wir sofort durchschaut.
Als größter Bremser in dieser Frage erweist sich ja die angeblich so liberale FDP. Was hat Herr Schwarz den Gesamtschulinitiativen im Januar nicht alles versprochen?
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Schulpolitik ist, nachdem der allzu forsche Bauherr Busemann die Baustelle Hals über Kopf verlassen hat,
nur noch mehr in den Strudel völliger Konzeptlosigkeit und Konfusion geraten. Die nichtssagende Rede der neuen Ministerin beim Schulleitungsverband vor über 1 000 Schulleitungen hat diesen Eindruck leider nur noch verstärkt. Aber vielleicht durfte sie dort auch gar nicht mehr sagen.
Herr Wulff, Sie waren die letzten zwei Monate offensichtlich mehr mit privaten Dingen beschäftigt. Aber Sie stehen gegenüber den Wählerinnen und Wählern in Niedersachsen im Wort. Sie haben neue Gesamtschulen angekündigt. Die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen können von Ihnen ein klares Konzept erwarten, wie noch in diesem Jahr neue Gesamtschulen ihre Arbeit aufnehmen können.
Dort, wo Eltern eine Gesamtschule für ihre Kinder wollen, muss diese auch eingerichtet werden - ohne Wenn und Aber. Die Bedarfsermittlung muss unverzüglich erfolgen können. Nehmen Sie deshalb den Verbotserlass von Herrn Busemann zurück!
Gesamtschulneugründungen kann man sehr schnell regeln - man muss es nur wollen. Erzählen Sie mir nicht, das müsse man alles vorbereiten. Wir wissen, was 2003 passiert ist: Zehn Tage nach der konstituierenden Sitzung haben Sie Ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Wenn man will, kann man schnell sein. Sie stehen im Wort, Herr Wulff. Niedersachsen wartet auf Ihre Antwort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegen drei Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen vor, so auch der unsere, die alle nur das eine Ziel haben, das Gründungsverbot aus dem Niedersächsischen Schulgesetz zu streichen. Aktuell fehlen in Niedersachsen nach Schätzung der niedersächsischen Gesamtschulinitiativen 4 000 Gesamtschulplätze, davon 2 500 in Schulbezirken, in denen Gesamtschulen existieren. Das sind registrierte Anmeldungen für 2007/2008, die nicht berücksichtigt werden konnten. Das sind vorsichtige Schätzungen, denke ich. Beispielsweise im Landkreis Schaumburg werden vier von fünf Kindern, die eine IGS besuchen wollen, abgewiesen. Neue Gesamtschulen stehen in den Startlöchern und könnten zum 1. August ihre Arbeit aufnehmen, wenn endlich das Gesetz geändert würde. Dieser jetzige Zustand ist ein bildungspolitischer Skandal.
Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, mit Ihrem Festhalten am selektiven Schulsystem und dem Verbot neuer Gesamtschulen wollen Sie ein Schulsystem zementieren, das Kinder sozial benachteiligter Familien und Kinder mit Migrationshintergrund systematisch ausgrenzt. Nirgendwo in Europa entscheidet soziale Herkunft in dem Maße über den erreichten Bildungsstand wie bei uns.
Wir dagegen formulieren in der Begründung zu unserem Antrag das Recht eines jeden Kindes, eine IGS zu besuchen. Ich verhehle nicht, dass wir die integrierte Gesamtschule als Regelschule wollen, in der alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam gegebenenfalls bis zum 13. Jahrgang unterrichtet werden.
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Sie sagen das, was sich die SPD nicht zu sagen traut! Ihr seid konsequent!)
Wir wollen integrative Gesamtschulen auch als ersetzende Schulform. Zurzeit stirbt - entgegen Ihren Beteuerungen - die Hauptschule, weil sie von vielen nur noch als Weg in die Perspektivlosigkeit gesehen wird.
Deshalb werden dort immer weniger Kinder angemeldet. Egal, was Sie sagen: Es gibt keine annähernde Durchlässigkeit im gegliederten Schulsystem. Dagegen bieten es die Strukturen vielerorts in
Niedersachsen an: Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien könnten zusammengelegt werden, integrierte Gesamtschulen könnten gegründet werden.
Zum Gesamtschulverbot möchte ich auch noch auf Aussagen des ehemaligen Kultusministers und Verfassungsrichters Ernst Gottfried Mahrenholz verweisen, nach denen er das Gründungsverbot für Gesamtschulen in Bezirken, in denen der Bedarf eindeutig ermittelt ist, für verfassungsrechtlich bedenklich hält.
Jeder, der die Veranstaltung der niedersächsischen Gesamtschulinitiativen am letzten Donnerstag besuchte, hörte: Wir wollen Gesamtschulen jetzt - ohne Wenn und Aber. Leider waren kaum oder keine Vertreter der Regierungsparteien anwesend. Deutlich war dort nämlich auch die Enttäuschung über Ihre Verschleppungstaktik zu hören, einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Niedersächsischen Schulgesetzes zur Aufhebung des Gründungsverbots nicht, wie vor den Wahlen versprochen, kurzfristig - für mich heißt das: jetzt im April - einzubringen. Offensichtlich soll hier verhindert werden, dass neue Gesamtschulen im August an den Start gehen können.
Einige Pressemeldungen der letzten Tage ließen hoffen, dass zumindest in Einzelfällen Sonderregelungen überlegt werden - nicht so Ihre Äußerung, Herr McAllister, im Weser-Kurier vom Montag. Eine Lösung wären einzelne Sonderregelungen nicht. Ich frage mich, warum Sie im konservativen Lager so starr an Ihrer Vorstellung vom selektiven Schulsystem und dem Gründungsverbot festhalten. Das ist natürlich, wie auch in den letzten Jahren, eine ideologisierte Auseinandersetzung. Doch Sie wissen heute: Der Bedarf für eine flächendeckende Versorgung mit Gesamtschulen in Niedersachsen ist vorhanden. Sie geben selber zu: Integrierte Gesamtschulen haben Qualität, wie z. B. die Robert-Bosch-Schule in Hildesheim.
Hat es mit Angst zu tun? Haben Sie Angst davor, dass schon bald nach Gründung von integrierten Gesamtschulen - es würden viele werden, wenn das Gründungsverbot gefallen ist - das Votum der Eltern, Schüler und Lehrer für die integrierten Gesamtschulen zu eindeutig ist? Dann müssten Sie Ihr starres Festhalten am selektiven Schulsystem infrage stellen. Deshalb verschleppen Sie jetzt die Novellierung des Schulgesetzes und werden wahrscheinlich versuchen, möglichst viele Hürden auf
zustellen, um weiter gemeinsames Lernen in einer qualitativ hochwertigen Schulform ohne soziale Ausgrenzung zu verhindern.
Ich appelliere an Sie: Verschleppen Sie nicht weiter! Machen Sie mit uns den Weg frei für die Aufhebung des Gründungsverbots von Gesamtschulen jetzt!
Vielen Dank, Frau Reichwaldt. - In der Reihenfolge der Wortmeldungen rufe ich jetzt Herrn Försterling von der FDP-Fraktion auf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Oppositionsfraktionen, Sie sprechen in der Diskussion über Gesamtschulen immer von der „Abstimmung mit Füßen“. Nun hat der Wähler am 27. Januar mit Kreuzen abgestimmt und sich mehrheitlich für das Bildungskonzept von CDU und FDP entschieden.
Und was machen Sie jetzt? - Schublade auf, alte Anträge hervorgekramt und weitere fünf Jahre rückwärtsgewandt mitgearbeitet!
So kann man die hier vorliegenden Gesetzentwürfe der Opposition kurz und knapp charakterisieren. In der aktuellen Debatte bringen uns die Entwürfe der Opposition nicht weiter und stellen nur den Versuch dar, auf einer Welle mitzureiten, die für sie zu groß ist.
In der vergangenen Legislaturperiode hat die Opposition immer wieder kritisiert, dass CDU und FDP die notwendigen Reformen zu schnell vorangebracht hätten. Und nun verweigert man sich vonseiten der Opposition durch diesen Schnellschuss einer konstruktiven Zusammenarbeit.