Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Das soll nicht heißen, dass es sich um ein in irgendeiner Weise zu vernachlässigendes Thema handelt. Im Gegenteil, der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Kammergesetzes für die Heilberufe überträgt eine Richtlinie der Europäischen Union über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in unser Landesrecht. Ziel dieser Richtlinie ist es, die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen zu erleichtern, ein Ziel, das die CDU-Fraktion voll und ganz mitträgt und das deshalb mit diesem Gesetzentwurf umgesetzt werden soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Inhaltlich betrifft das Heilkammergesetz die Rechtsverhältnisse der fünf niedersächsischen Heilberufskammern, wie sie in § 1 benannt sind: Ärztekammer, Apothekerkammer, Psychothera

peutenkammer, Tierärztekammer und Zahnärztekammer Niedersachsen.

Entsprechend der EU-Vorgabe regelt das Gesetz: Mitgliedschaft, Melde- und Finanzwesen, Beiträge und Kosten, Aufgaben der Kammern, Einrichtung von Schlichtungsstellen und Versorgungseinrichtungen, Organe der Kammern und deren Bildung, Berufsausübung der Kammermitglieder, deren Weiterbildung, Ahndung von Berufsvergehen, Aufbau und Tätigkeit der Berufsgerichtsbarkeit sowie Vorschriften über Datenverarbeitung und Kammeraufsicht.

Ganz konkret werden künftig Weiterbildungsabschlüsse ausländischer Dienstleistungserbringer in Niedersachsen besser einzuordnen sein, werden der Informationsaustausch und die Verwaltungszusammenarbeit der Kammern über die Berufsqualifikation gefördert und können Informationen über Sanktionen der Berufsgerichte, die die Kammern benötigen, besser weitergegeben werden.

Über diese EU-Vorgaben hinaus haben wir noch einige weitere Änderungen vorgesehen: So wird die Genehmigungspflicht für den Haushalt der Kammern entfallen und die Satzungsbefugnis für die Alterssicherungsordnung von der Kammerversammlung dort auf die Delegiertenversammlung übertragen, wo eine derartige Delegiertenversammlung existiert. Dies ist bisher nur beim Altersversorgungswerk der Psychotherapeuten der Fall.

Zudem haben wir die Vertretungsmöglichkeit der Hochschulen in der Kammerversammlung erweitert und für berufsgerichtliche Verfahren als weitere mögliche Maßnahme die Entziehung der Weiterbildungsbefugnis eingeführt.

(Zustimmung von Norbert Böhlke [CDU])

Diese Änderungen gehen hauptsächlich auf Anregungen der Kammern zurück. Sie sind also buchstäblich aus der Praxis für die Praxis. Sie sind in enger Zusammenarbeit mit jenen entstanden, die sie direkt betreffen und die sich auskennen.

Weiterer Pluspunkt: Aus der Änderung des Heilkammergesetzes erwachsen keinerlei Kosten für die öffentliche Hand, da die Kammern ihre gegebenenfalls entstehenden Aufwendungen über Gebühren refinanzieren können.

Meine Damen und Herren, es ist gut und richtig, dass wir die besagte EU-Richtlinie nun, nachdem wir dies wegen des Beratungsstaus zum Ende der Legislaturperiode hatten verschieben müssen,

umsetzen können. Denn die europäische Einigung erstreckt sich auf immer mehr Bereiche des Lebens der Menschen, auch in Niedersachsen. Dieser von uns allen gewollten Entwicklung tragen wir mit diesem Gesetz für den Gesundheitssektor Rechnung. Wir erhöhen die Mobilität und Flexibilität jener, die in diesem Sektor arbeiten, und sichern gleichzeitig unsere hohen deutschen Standards, gerade im Aus- und Weiterbildungsbereich. Das verdient unser aller Zustimmung.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Lammerskitten. - Nun hat sich Frau Marianne König von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Frau König, ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht alles, was es vonseiten der Europäischen Union umzusetzen gilt, wird von der Bevölkerung als hilfreich angesehen. An dieser Stelle möchte ich nur die europäische Gesundheitsdienstrichtlinie erwähnen, die im Juni in Brüssel vorgestellt werden soll. Diese Regelung für das Gesundheitssystem halten wir für falsch, ebenso wie wir auch das Entsendegesetz ablehnen. Bolkestein lässt grüßen.

Was aber nun in das Niedersächsische Kammergesetz aufgenommen werden soll, nutzt sowohl Ärztinnen und Ärzten als auch Patientinnen und Patienten. Es werden unnötige Hürden abgebaut, um überall in Europa arbeiten zu können. Sich gegenseitig anzuerkennen, ist eine der wichtigen Voraussetzungen, um seinen Beruf überall ausüben zu können. Ein Patient muss die Gewähr haben, dass eine Ärztin aus England, die vorübergehend hier arbeitet, genauso qualifiziert ist wie ihre deutschen Berufskollegen. Dies zu überprüfen, ist Teil des geänderten Kammergesetzes. Auf diese Weise bleibt die Kammer berufsrechtliche und standesrechtliche Aufsicht. Diese behält sie auch bei, wenn die Ärztin aus Hannover zwischendurch einmal auf Bornholm arbeitet. Für die neuen dänischen Arbeitgeber bleibt die Kammer der Ansprechpartner, um Auskünfte zur Qualifikation der Angestellten einzuholen.

Sie alle wissen von der Diskussion um die Abwanderung unserer Ärzte aus Deutschland. Mit dieser

Richtlinie wird es dem Nachwuchs leicht gemacht, Abwägungen anzustellen und zu gucken: Wo kann ich besser arbeiten? - Denn mit den starren Hierarchien, den überlangen Dienstzeiten und den permanenten Wochenenddiensten wollen sich immer weniger Ärztinnen und Ärzte abfinden. Andere Länder zeigen, dass mit einer Gesundheitspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzte wesentlich besser leben können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich das hier so sage, dann weiß ich, wovon ich spreche: 28,5 Jahre Dienst in landeseigenen Kliniken bringen ihre Erfahrungen mit sich. Ich habe Qualitätsaufbau und Qualitätsabbau erlebt. Ich habe erlebt, dass Assistenzärzte zu Lohnsklaven werden, dass sie, bevor sie sich um eine AiPStelle - Arzt im Praktikum - bewerben, schon fünf Jahre Forschungszeit hinter sich haben und dass ein Arzt im Nachtdienst, um einen Zeitvertrag zu bekommen, nicht mehr den Oberarzt anruft, der fachlich qualifiziert ist; denn er könnte ja keinen neuen Zeitvertrag mehr bekommen. Das ist Tatsache.

Unsere Krankenhauslandschaft ist im Wandel. Experten befürchten, dass in 20 Jahren ein Drittel aller Krankenhäuser dichtgemacht haben wird. Schon heute versuchen die Kliniken durch Zusammenschlüsse und Zentrenbildung ihr Profil zu verändern. Wir erleben es oftmals, dass Wert darauf gelegt wird, ein Zertifikat zu erreichen, damit es gut sichtbar in der Klinik hängt und man etwas vorweisen kann. Kräfte müssen in ihrer Freizeit dazulernen; denn wenn die Kommission kommt, müssen sie ja Auskunft geben können. Das kann nicht der Sinn sein!

Damit in den geänderten Rahmenbedingungen auch weiterhin eine Facharztausbildung stattfinden kann, muss auch die Definition von Weiterbildungsstätten geändert werden. Für mich stellt sich allerdings die Frage, wie unter den vorliegenden Bedingungen überhaupt noch eine qualifizierte Weiterbildung in den niedersächsischen Kliniken stattfinden kann.

Ich bin des Weiteren der Auffassung: Eine veränderte Krankenhauslandschaft, die zunehmend auf Profit ausgerichtet ist, kann nicht für die Gesundung von Menschen förderlich sein. Deshalb stehen wir der Privatisierungswelle und auch der Aufgabe der Krankenhausplanung sehr kritisch gegenüber.

(Beifall bei der LINKEN)

Das emanzipatorische Streben nach Eigenständigkeit und Selbstverwaltung der Kammern bis zurück in das 19. Jahrhundert wird zurzeit durch die politischen Einschränkungen der Gesundheitspolitik gegeißelt.

Den Kammern in ihrer Ständepolitik stehe ich auch kritisch gegenüber, haben sie doch ihre Ziele nicht erreichen können. Die niedergelassenen Ärzte stehen heute vor einer Existenzbedrohung - wir lesen es immer wieder; einen Monat bekommen sie gar nicht mehr bezahlt -, und die Unterversorgung der Patienten ist weitreichend bekannt.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Das vorliegende Kammergesetz muss zur Einbringung kommen.

Frau König, kommen Sie bitte zum Schluss!

Die Probleme unseres Gesundheitssystems - Unterversorgung, Rationierung der Gesundheitsleistungen - werden damit nicht behoben. Bitte fangen Sie an, daran zu arbeiten, und zwar nicht so spät wie bei diesem Gesetzentwurf, der schon vor einem halben Jahr hätte erledigt sein sollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Christel Wegner [fraktions- los])

Die nächste Rednerin ist Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich kurz fassen und mich tatsächlich auf die Novelle zum Heilkammergesetz beschränken. Wir alle wissen, dass sie schon im Herbst letzten Jahres vorgelegen hat. Wir konnten sie aber wegen der Flut der Gesetzentwürfe, die Sie noch vor der Wahl verabschieden wollten, nicht mehr behandeln.

Sie haben gleichwohl die Überschreitung der Fristsetzung der EU zur Umsetzung der neuen Richtli

nie selbst zu verantworten; denn Sie hätten sie ja schon Ende 2006 vorlegen können.

(Norbert Böhlke [CDU]: Die Welt dreht sich trotzdem noch immer!)

Offensichtlich war Ihnen dieses Thema aber doch nicht wichtig genug.

Inhaltlich hat der Kollege der CDU-Fraktion ausgeführt, worum es in dieser Richtlinie geht. Detailfragen werden wir während der Ausschussberatung klären.

Ich möchte aber noch daran erinnern, dass wir während der letzten Wahlperiode eine Änderung des Wahlrechts für die Kammern vorgeschlagen haben. Dieses Ansinnen ist aus unserer Sicht nicht erledigt. Wir werden es in diesem Zusammenhang wieder einbringen.

Wir sollten uns im Ausschuss berichten lassen, wie sich die Übertragung der Aufgaben der ehemaligen Regierungspräsidien betreffend die Berufsausübung der Ärztinnen und Ärzte auf die Kammern bewährt hat und inwieweit in diesem Zusammenhang Änderungen angebracht sind. Dies wäre mir in den Ausschussberatungen wichtig. Wir werden das ja relativ schnell behandeln können und uns über die Details im Ausschuss aussprechen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Helmhold. - Herr Schwarz von der SPD-Fraktion ist der nächste Redner. Herr Schwarz, Frau Helmhold war in der Tat wesentlich früher hier. Deswegen kommen Sie jetzt erst zu Wort.

Herr Präsident, das bestreite ich nicht. Erstens haben Sie immer recht. Zweitens aber hatte ich die Wortmeldung von Frau Helmhold mitgebracht. Insoweit muss das zeitgleich gewesen sein.

(Heiterkeit)

Dann liegt es an uns hier oben.

Ich habe die Begründung gehört, dass es nach Schönheit geht. Dann wäre Frau Meißner, wie ich finde, noch vor mir zu Wort gekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)