Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

Zweitens. Bei Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt der EuGH-Entscheidung noch nicht abgeschlossen waren, sind angemessene Lösungen zu finden, die dem jeweiligen Verfahrensstand entsprechen.

Meine Damen und Herren, das ist schlicht und einfach die Umsetzung von Rechtstreue gegenüber dem EuGH. Wenn das nicht so gehandhabt würde, könnte ein unterlegener Bieter zur Vergabekammer oder zum Gericht laufen und dann einen Prozess anstrengen. Deswegen war es nötig, unmittelbar nach dem Urteil solche Empfehlungen herauszugeben. Da der Stand der einzelnen Verfahren sehr unterschiedlich ist, konnte man das nur in Form dieser Empfehlung machen.

Wir als Wirtschaftsministerium werden jetzt zusammen mit Finanz- und Innenministerium sorgfältig prüfen, wie mit den europarechtskonformen Regelungen des Landesvergabegesetzes zu verfahren ist. Damit meine ich z. B. die Regelungen zur Wertung unangemessen niedriger Angebote oder zu durch die Bieter beizubringende Unterlagen. Aus meiner Sicht bietet sich an, die nicht beanstandeten Regelungen zusammenzufassen und in andere geeignete Vorschriften aufzunehmen.

Ganz sicher wird es dabei keine Ausweitung auf andere Bereiche der Wirtschaft und auch keine Absenkung von Schwellenwerten geben. Meine Damen und Herren, das will ich an dieser Stelle

schon einmal sagen. Im Übrigen will ich sagen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland - aus der Dynamik unserer Wirtschaft entstehen neue Arbeitsplätze - gerade dort am besten ist, wo wir keine Schutzzäune, keine bürokratischen Vorgaben haben, sondern wo Wachstum möglich ist.

Da der Baubereich aber unter anderen Voraussetzungen arbeitet - eine Baustelle kann man nicht einfach verlegen wie einen Industriebetrieb -, werden wir an dieser Stelle auch der besonderen Situation gerecht werden. Es war ein besonderer Zufall, dass ich bei meiner Reise nach China und Malaysia auf dem Flughafen in Kuala Lumpur, Herr Schminke, Ihren Kollegen Wiesehügel, den Vorsitzenden der IG BAU, und seinen Vertreter Schäfers sprechen konnte. Wir haben das zum Anlass genommen, die Situation auf diesem Sektor nach dem Urteil zu erörtern.

Wir haben hier in der Tat eine Tarifvereinbarung mit den Gewerkschaften. Das ist der Weg, den ich für richtig halte. Die Gewerkschaften haben mit den Arbeitgebern für den Westen Deutschlands einen Lohnkorridor zwischen 10,40 Euro und 12,50 Euro vereinbart. Das halte ich für richtig und angemessen. Dieser Weg der Lohnfindung durch die Tarifpartner und nicht durch den Staat ist der richtige Weg, weil damit ein Stück Freiheit für die Wirtschaft im Zurechtkommen zwischen den Tarifpartnern gesichert wird. Ein zentralistischer Staat, der alles regeln soll, ist die Vorstellung hier auf der Linken. Das haben wir im Sozialismus gehabt. Das wirtschaftliche Niveau, die Sicherheit der Arbeitsplätze, der Wohlstand und die Freiheit der Gesellschaft

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Liegen uns sehr am Herzen!)

waren nicht dort gewährleistet, sondern hier in der Bundesrepublik Deutschland.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Pfiff von der linken Seite)

Meine Damen und Herren, ich möchte erst einmal darauf hinweisen, dass wir hier miteinander reden und uns nicht gegenseitig auspfeifen. Ich bitte also, das Pfeifen zu unterlassen.

Das Wort hat noch einmal Herr Sohn für die Restredezeit der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, ich will nur zu zwei Punkten etwas sagen.

Der erste Punkt betrifft den eiligen Gehorsam gegenüber dem EuGH-Urteil. Es ist mir klar, dass Sie nicht auf die Linke hören. Das muss auch gar nicht sein. Aber dann wäre es vielleicht sinnvoll, zumindest auf den Bauindustrieverband zu hören, der laut rundblick vom 8. April

„die EuGH-Entscheidung mit Befremden zur Kenntnis genommen und darauf verwiesen (hat), dass das Bundesverfassungsgericht noch im Jahre 2006 eine der niedersächsischen Regelung entsprechende Tariftreue-Bestimmung des Berliner Vergabegesetzes ausdrücklich als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt habe“.

Er hat dann - das ist der entscheidende Punkt -

„vor vorschnellen Konsequenzen gewarnt … - vor allem im Hinblick auf eine ‚aus Kreisen der Landesregierung’ geforderte Abschaffung des Landesvergabegesetzes. Zunächst solle gründlich geprüft werden, welche Auswirkungen die EuGH-Entscheidung überhaupt habe“.

Das Gleiche hat auch der Niedersächsische Handwerkstag getan. Wenn Sie nicht auf uns hören, hören Sie doch wenigstens auf die Bauindustriellen und den Handwerkstag!

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt müssen wir in der Tat nach Lösungen suchen, die den Geltungsbereich des Gesetzes über das Baugewerbe hinaus ausweiten. Frau Helmhold hat hier entsprechende Hinweise gegeben.

Man erwartet von mir ja bestimmte Begriffe. Ich will diese Erwartung erfüllen. Angesichts dessen, was in Rosdorf geschehen ist und hier sehr plastisch beschrieben wurde, ist das, was die FDP da geliefert hat, Frau König, nicht nur Klassenkampf von oben, sondern auch eine Verhöhnung der Opfer der Politik, die dort entfaltet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen also jetzt gemeinsam nach Lösungen der entstandenen Problematik suchen. Nachdem nun die Gerichte gesprochen haben, ist jetzt die

Stunde der Parlamente, hier in Hannover, in Berlin und auch in Straßbourg.

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Offen gestanden, habe auch ich die Sorge, dass die Kälte, die für die von ihm Betroffenen aus diesem Urteil strahlt, dazu führen wird - man wird das in den nächsten Wochen sich entfalten sehen, auch mit Ihrer Hilfe -, dass Europa verantwortlich gemacht wird. Sie sind mit Ihrer vorschnellen Reaktion ein Stück weit mit dafür verantwortlich, dass mit dem Begriff Europa nicht Wärme, Rechtssicherheit und soziale Standards verbunden werden, sondern zunehmend Kälte, Dumpinglöhne und Sozialabbau.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie als Landesregierung können das korrigieren, und zwar auf zwei Wegen. Zum einen sind Sie als Landesregierung mitverantwortlich für den Prozess der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon. Diese Ratifizierung, die Sie Ende Mai vor der Nase haben, können Sie zunächst so lange zurückstellen, bis klipp und klar gesichert ist, dass die Auswirkungen dieses EuGH-Urteils sich nicht gegen Sozialstandards richten. Zum anderen erwarten wir nach der heutigen Diskussion - weil das nur unvernünftig ist - eine Bundesratsinitiative für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8 Euro.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es hat sich jetzt Herr Minister Möllring zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit schon überschritten hat.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Wir leben in einem Rechtsstaat. Das sollte bekannt sein. In einem Rechtsstaat gibt es die Gewaltenteilung: Die Legislative macht Gesetze, und die Exekutive hat sich an diese Gesetze zu halten - allerdings nur bis die Judikative sagt, dass ein Gesetz in einem bestimmten Punkt nicht anwendbar ist, weil es gegen unsere Verfassung oder gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. In diesem Fall ist die Exekutive allerdings verpflichtet, sofort zu handeln. Es sei denn, die Judikative hat bestimmte Fristen gesetzt. Wir kennen das vom Bundesverfassungs

gericht. Das sagt ja gelegentlich: Ihr müsst das bis zu dem und dem Zeitpunkt geändert haben.

Deshalb kann es in einem Rechtsstaat keine andere Erklärung geben, als dass wir, wenn dieses Urteil so gefällt ist, wie es gefällt ist, ab sofort diesen Bestandteil des Gesetzes nicht mehr anwenden können. Das habe ich getan.

Deshalb halte ich mich hier an Recht und Verfassung und gehe nicht blind einem Urteil hinterher. Was ist das denn für ein Rechtsverständnis, wenn man sich so ausdrückt?

(Ursula Körtner [CDU]: Gar keine!)

Das zeigt ja nur, dass man den Rechtsstaat nicht unterstützt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung, zunächst zu Tagesordnungspunkt 12. Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden.

Ich halte Sie für damit einverstanden, dass wir die Überweisung zu Tagesordnungspunkt 13 gleich mit vornehmen. In diesem Fall soll sich der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit der Thematik beschäftigen.

Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Rechnung über den Haushalt des Niedersächsischen Landesrechnungshofs (Epl. 14) für das Haushaltsjahr 2005 - Antrag des Landesrechnungshofs - Drs. 15/4388 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 16/63

Der Ausschuss für Haushalt und Finanzen empfiehlt, Entlastung zu erteilen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen darüber einig, dass über diesen Tagesordnungspunkt ohne Besprechung abgestimmt werden kann. - Ich sehe keinen Widerspruch und lasse daher gleich abstimmen.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE ist so beschlossen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Verkauf landeseigener Grundstücke in Bad Nenndorf (Gemarkung Bad Nenndorf, Flur 20, Flurstücke 13/37, 13/13 und 13/12, insgesamt 18 411 m2) - Antrag der Landesregierung - Drs. 16/37 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 16/64

Die Beschlussempfehlung lautet auf Zustimmung.

Hier ist ebenfalls keine Berichterstattung vorgesehen.