Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas grundsätzlich über die Zusammenarbeit sagen. Sehr geehrter Herr Minister Hirche, von 1974 bis 1978 als Landtagsabgeordneter zu Beginn in sozial-liberaler Koalition hier tätig, ich war sehr fasziniert, als wir im letzten Jahr über Bildungspolitik gesprochen haben. Ich will ganz ehrlich sein: Es ist sehr schade, dass beim Kollegen Försterling davon überhaupt nichts angekommen ist.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Eine Unverschämtheit!)
Im November 1990 übernimmt Wirtschaftsminister Walter Hirche das Wirtschaftsressort in der Regierung Stolpe in Brandenburg. Was zeigt sich? - Wenn es auf wirtschaftliche Chancen ankommt, wenn es auf die Entwicklung der Häfen ankommt, dann funktioniert das nur gemeinsam. Das gilt gleichermaßen für die Politik. Ich bin davon überzeugt, dass Sie, Herr Minister, der Politik auch weiterhin erhalten bleiben. Als eigentlich sehr sozial-liberaler Mensch sind Sie uns auch stets willkommen, auch wenn am Ende wenig Sozialliberales zu spüren war. Aber das kann sich ja ändern. Ich hoffe also, dass sich bei Ihnen zu Hause zu der roten Decke, die Sie von uns bekommen haben, die gelbe Decke dazugesellt und Sie dadurch die Erinnerung der sozial-liberalen Politik nicht vergessen.
Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute! Halten Sie am Ziel der neuen Hanse fest! Ich glaube, das ist die entscheidende Entwicklung, die sicherlich auch Sie mit geprägt haben und die wir als Landtag hier auch in Zukunft prägen werden. Sie bleibt unser gemeinsames Ziel. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und bedanke mich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die erste Hanse zwischen dem 12. Jahrhundert und der Mitte des 17. Jahrhunderts wird gerne als Vereinigung zuerst von niederdeutschen Kaufleuten und später von nahezu 300 See- und Binnenstädten vorwiegend des heutigen norddeutschen Raumes charakterisiert. Neben der Sicherheit bei der Überfahrt oblag der ersten Hanse maßgeblich die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Nordens.
Die FDP will hier und heute in der Aktuellen Stunden geradezu beschwörend eine zweite Hanse herbeireden. Da muss ich zunächst einmal kräftig Essig in den Wein gerade der hiesigen Liberalen gießen.
Herrn Hirche als scheidendem Wirtschaftsminister und Herrn Rösler als designiertem Wirtschaftsminister sage ich: Jetzt sind leider nicht die Zeiten, in denen wir ein wachsendes und dynamisches Norddeutschland haben. Genau das Gegenteil ist der Fall. Statt in einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung befindet sich Norddeutschland ebenso wie die Nachbarstaaten Niederlande, Dänemark und die EU-Länder generell in der schwersten Wirtschaftskrise und Rezession der letzten 60 Jahre.
Von einem wachsenden Außenhandel ist angesichts der Einbrüche der Frachtraten in den Häfen von bis zu 80 % längst keine Rede mehr.
Zusehens ergreift auch hier im Norden die Krise den Arbeitsmarkt. Die gestern von der EU-Kommission veröffentlichten Prognosen für den Ar
beitsmarkt sind verheerend. Dies muss die Landesregierung und ihren alten bzw. neuen Wirtschaftsminister wachrütteln. Tausende Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen, davon viele bei VW, haben bereits ihren Arbeitsplatz verloren. Weiteren Zehntausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern droht in Norddeutschland dasselbe.
Vor allen Dingen junge Menschen bis 25 Jahre, alleinstehend und mit geringer Qualifikation und Berufserfahrung, sind akut von der Arbeitslosigkeit bedroht und brauchen jetzt schnelle Hilfe.
Herr Rösler, ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich sofort für die Sicherung der Arbeitsplätze insbesondere der jungen Menschen ein!
Legen Sie im Nachtragsetat 2009 aus Landesmitteln umgehend ein Programm gegen die um sich greifende Jugendarbeitslosigkeit auf, und bereiten Sie damit den Einstieg in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor vor, wie er in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Tausend tarifgebundenen Arbeitsplätzen bereits gute Früchte trägt!
Die Verbesserung der Hinterlandanbindung der großen Seehäfen ist - das haben wir fraktionsübergreifend gehört - eine große, auch nationale Aufgabe. Es geht darum, die Tore der Welt für die deutsche Volkswirtschaft leistungsfähig zu machen und zu erhalten. Die entsprechenden Bundes- und Landesmittel zur Lösung dieser Aufgabe sind daher entsprechend dem erzielbaren Nutzen in die Schienenstrecken zu investieren, unabhängig von Eigentümerschaft und Infrastrukturen. Herr Rösler, ich fordere Sie daher auf: Setzen Sie sich für eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik ein! Priorität müssen die Verkehrsvermeidung sowie der Ausbau von öffentlichem Güter- und Personennahverkehr haben.
Nehmen Sie aus diesem Grunde Abschied von Ihren Leuchtturmprojekten wie der Y-Trasse und unsinnigen Autobahnen,
die ganz viel Geld verschlingen! Es sind schnell wirksame und stufenweise umsetzbare Maßnahmen notwendig. Diese Maßnahmen gibt es; wir haben sie schon genannt. Nehmen Sie das Geld und setzen Sie es um!
Herr Hirche als scheidender Wirtschaftsminister, aber auch Herr Rösler als designierter Wirtschaftsminister, es gilt, die Krise zu bekämpfen und dafür die Mittel des Konjunkturpaketes II sowie deutlich mehr als die vorgesehenen Landesmittel den niedersächsischen Kommunen zur Verfügung zu stellen.
Sorgen Sie dafür, dass diese Mittel bei den Kommunen auch so ankommen und nicht durch noch mehr Steuersenkungen, die ausgerechnet Ihre Fraktion, Herr Rösler, fordert, in ihrer Wirkung begrenzt werden! Unterlassen Sie bitte Ihre konjunkturfeindliche und kommunalfeindliche Politik! Damit helfen Sie Norddeutschland mehr als mit einem schönfärberischen Herbeireden einer zweiten Hanse. Aktivitäten sind gefordert. Setzen Sie sie bitte um.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Leben lang hat mich der Satz Max Webers begleitet: Politik ist das hartnäckige Bohren dicker Bretter. - Dies trifft auch auf die Zukunftsperspektive der norddeutschen Länder und die neue Hanse zu. Trotz der schweren weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise war die Zeit für die Zusammenarbeit im Norden und eine prosperierende wirtschaftliche Entwicklung ganz Norddeutschlands nie so günstig. Die Globalisierung treibt und braucht den Welthandel, der auf Häfen mit ausreichenden Hinterlandanbindungen angewiesen ist.
Der Marktzugang nach Deutschland führt nun einmal über die norddeutschen Häfen. Deswegen gewinnt die Zusammenarbeit zwischen den Nordseeanrainern Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein an Bedeutung, und deswegen bleibt es richtig, Wilhelmshaven als Tiefwassercontainerhafen mit starken Hinterlandanbindungen auszubauen. Übrigens wird der Hafen anderthalb Jahre früher in Betrieb gehen, als es die SPD geplant hatte.
Wir rufen alle EU-Mittel ab und verfügen über alle Genehmigungen. Das Wahlkampfgetöse ist zusammengebrochen. Mich hat mehr als dies immer beeindruckt, dass die Menschen an der Küste, insbesondere in Wilhelmshaven, gesagt haben: Der macht seine Sache ordentlich, das geht voran, er hält zu uns, wir bringen es zusammen voran. Auch die kleine Geste der Oldenburger, mich heute in einer Kutsche herüberzufahren, sollte man zwar nicht überbewerten, Herr Hagenah, aber man sollte sie richtig einschätzen.
Ich habe dies genauso als eine sympathische Geste empfunden wie das Überreichen der roten Decke durch Herrn Bartling. Wir sollten es uns gelegentlich gönnen, vernünftig miteinander zu reden, und nicht in allem irgendein Körnchen suchen, das anzukreiden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, historisch ist die Hansezeit insbesondere vor Entdeckung der Neuen Welt ein Glücksfall für den Norden gewesen. Damals haben sich Wirtschaftskraft und Wohlstand entwickelt. Heute haben wir unter Einschluss Mecklenburg-Vorpommerns die Chance auf eine zweite Hansezeit. Ich sage ausdrücklich: Das Gutachten, das die Norddeutsche Landesbank jetzt erarbeitet, wird für die Wirtschaft in ganz Norddeutschland gelten. Es darf sich nicht allein auf Niedersachsen beziehen.
Meine Damen und Herren, bei allen Differenzen in der Sache, was die Notwendigkeit und die Voraussetzungen einer Elbvertiefung angeht, bei allen Zwistigkeiten über die Luneplate und andere Sachthemen ist es notwendig, dass sich die Küstenstädte und Küstenländer enger miteinander abstimmen. Die Maritime Konferenz in Rostock wird im nächsten Monat einen Beweis für die neuen Chancen des Nordens erbringen. Wir im Norden
sind für ganz Deutschland das Tor zur Globalisierung. Für Bremen und Hamburg war das schon viele Jahrhunderte lang gültig. In Niedersachsen haben sich viele Bürger - ich darf dies einmal scherzhaft sagen - lange nur als erdverwachsenkontinental verstanden: Sie haben mit Stolz auf die Varusschlacht verwiesen, gelegentlich auch auf interessante dynastische Beziehungen zu Großbritannien oder auf die Tatsache, dass der US-Bundesstaat Georgia den Namen eines hannoverschen Königs trägt. Dies als großartigen Gipfel der Internationalisierung zu bezeichnen, ist nicht mehr ganz ausreichend.
Wir müssen uns heute davor hüten - dies gilt weltweit -, Protektionismus als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zu predigen.
Im Gegenteil, wir müssen die Chance der Globalisierung nutzen. Eine leistungsfähige Infrastruktur und funktionierende Verkehrswege - das ist die gemeinsame Überzeugung der großen Mehrheit des Landtags - sind für die Wirtschaftsentwicklung und erst recht für die Entwicklung der Küste notwendig. Dazu muss eine neue Infrastruktur in Forschung, Entwicklung und Qualifizierung in ganz Niedersachsen kommen. So, wie vor hundert Jahren der Mittellandkanal gebaut wurde und sich zu einer Wirtschaftsachse Niedersachsens, zum wirtschaftlichen Rückgrat unseres Landes entwickelt hat, so ist es heute die Aufgabe, zum Nutzen ganz Niedersachsens eine zweite Wirtschaftsachse an der Küste zu entwickeln. Die Metropolregionen Bremen-Oldenburg und Hamburg werden zusammen mit Hannover, Braunschweig, Göttingen und den anderen Regionen diesen Prozess vorantreiben.
Wir brauchen den Ausbau der Schienenverbindungen einschließlich der nicht bundeseigenen Eisenbahnen und der Y-Trasse. Wir brauchen die neuen Autobahnen A 39 und A 22, weil sie das Land besser erschließen und die Häfen und Küstenregionen mit dem Hinterland verbinden. Außerdem müssen wir die Breitbandtrassen ausbauen. Wir brauchen, wie es erstmals im Hafenkonzept des Landes von 2007 aufgezeigt wurde, eine Verbindung der Seehäfen, der Wasserwege und der Binnenhäfen zu einem gemeinsamen Verkehrsnetz; wir brauchen die Verknüpfung der Verkehrsträger.
An der Küste selbst müssen wir erreichen, dass ein Containerhafensystem „Deutsche Bucht“ entwickelt wird, mit Terminals in Wilhelmshaven, Bremen und Hamburg, damit die Häfen nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten. Meine Damen und Herren, es ist eben von Herrn Lies völlig richtig gesagt worden: Unsere eigentlichen Konkurrenten sind auch nicht die ARA-Häfen, sondern die Mittelmeerhäfen. Wir müssen die Bundesregierung umso mehr dazu bringen, ein nationales Hafenkonzept zur Unterstützung und zum Ausbau unserer Häfen zu entwickeln.
Die Internationalisierung an der Küste muss durch Innovationsschwerpunkte im Land ergänzt werden. Wir müssen es schaffen, wie z. B. mit dem CFK Nord, neue Perspektiven neben traditionellen Hafenentwicklungen auszubauen. Cuxhaven und Emden mit ihren neuen Zentren für regenerative Energie sind andere Beispiele. Wenn wir diese Aktivitäten mit solchen im Binnenland verbinden, dann entwickeln wir auch Niedersachsen als Teil Norddeutschlands über die landsmannschaftlichen Grenzen hinweg zu einem Ganzen. Wenn die Qualifizierung in Stade auf die Zusammenarbeit mit der privaten Fachhochschule Göttingen, der Universität Braunschweig und der Universität Bremen setzt, wenn Entwicklungen im Energiebereich an der Küste mit dem Energie-Forschungszentrum in Goslar verbunden werden, dann ergeben sich Innovationsstränge durch das ganze Land hindurch.
Insofern, meine Damen und Herren, hat meine Politik der letzten Jahre an die 80er-Jahre angeknüpft, als ich mit dem Deutschen WindenergieInstitut in Wilhelmshaven, dem Clausthaler Umwelttechnik-Institut und dem Institut für Solarenergieforschung in Hameln Innovationsakzente im Energiebereich setzen konnte. Jetzt sind in der Materialforschung - Stichwort „CFK“ - und in der Adaptronik - ökoeffiziente Antriebe - weitere Akzente größerer Effizienz dazugekommen.
Bei uns im Norden gibt es eine Menge Branchen, die weltweit ganz oben positioniert sind. Die Küste bietet mit ihren Ressourcen hervorragende Chancen, natürlich auch für Standorte der Chemie, der Kraftwerke und auch der Raffinerien, meine Damen und Herren. In der weiteren Entwicklung wird alles nötig sein. Selbstverständlich muss es da eine Abwägung mit anderen Zielen wie dem Tourismus geben. Aber das ist doch die Aufgabe der