Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Annahme, dass die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen der Frage, in welcher Geschwindigkeit die in Niedersachsen aufgenommenen Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt werden, und der Frage sieht, wie schnell sich Flüchtlinge in Niedersachsen integrieren können, frage ich die Landesregierung, wie sie den Ablauf der Aufnahme und der Verteilung von Flüchtlingen auf Kommunen in Niedersachsen zeitlich und inhaltlich gestaltet.
Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Schünemann. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Ich könnte die ganze Antwort noch einmal vortragen; da stand alles drin. Ich will es Ihnen aber noch einmal sagen: Man kommt in Hannover am Airport an, setzt sich dann wahrscheinlich in einen Bus, wird nach Friedland gefahren und durchläuft dann die Erstaufnahme. Sie dauert ein paar Tage; sie kann bis zu 14 Tage dauern. Wenn dies abgeschlossen ist und wir feststellen, dass keine schwerste Traumatisierung und keine schwerste Erkrankung vorliegt, dann werden wir wahrscheinlich - wir müssen das Ausmaß der Notwendigkeit abwarten - das niedersächsische Kontingent nach Bramsche schicken. In Bramsche werden dann die Integrationskurse angeboten. Dort wird man dann drei Monate vor Ort betreut. Nach Ablauf der drei Monate wird sofort auf die Kommunen verteilt. Man hat also genügend Zeit, ganz genau zu sagen, um wen es sich handelt. Wir können auch schon einmal darstellen, welche Möglichkeiten die Flüchtlinge haben, wo sie vielleicht auch arbeitsmäßig unterkommen können. All das kann in diesen drei Monaten schon geschehen. Das haben wir aus den Erfahrungen mit den Spätaussiedlern gelernt. Vor allen Dingen können wir uns auch schon ganz speziell um die Kinder kümmern. Mit sieben oder acht Jahren sind sie eigentlich schulpflichtig. Wenn sie z. B. in Holzminden ankommen, müssten sie eigentlich schon am nächsten Tag in die Grundschule gehen. Wie schwierig das für diese Kinder ist, ist völlig klar. Insofern ist es viel besser, dass sie in den drei Monaten zunächst einmal speziellen Unterricht bekommen, sodass sie dann zumindest mit gewissen Sprachkenntnissen starten. Ich gebe zu: Sechs Monate wären besser, das ist aber aufgrund der Kapazitäten nicht machbar.
Noch einmal: Man kommt am Flughafen an, dann Friedland, dann Bramsche, dann Kommunen - - alles in der Zeitfolge, die ich gerade dargestellt habe.
Herzlichen Dank. - Eine weitere Zusatzfrage für die Fraktion DIE LINKE stellt Frau Kollegin Zimmermann. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass in Wolfsburg z. B. irakische Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, dort aber wieder in Sammelunterkünften untergebracht werden, frage ich die Landesregierung: Wie gestaltet die Landeregierung die Integration dieser Menschen in einer Kommune oder einer Stadt, was in Sammelunterkünften eigentlich schlecht möglich ist?
Darüber liegen der Landesregierung überhaupt keine Erkenntnisse vor. Ich kann es mir auch nicht vorstellen.
Herzlichen Dank. - Weitere Fragen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Damit ist die Behandlung der Dringlichen Anfragen beendet.
Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/499 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/882 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/942
Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Dr. Biester zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den Ihnen die Fraktionen der CDU und der FDP heute zur abschließenden Beratung vorlegen, hat eine Vorgeschichte in der letzten Legislaturperiode. Die Föderalismusreform hatte die Zuständigkeit für gesetzgeberische Regelun
gen des Strafvollzuges den Landesgesetzgebern übertragen. Das war eine richtige und gute Entscheidung; denn, meine Damen und Herren, wer die finanzielle Verantwortung trägt, wer die politische Verantwortung trägt, der muss auch die Möglichkeit haben, den gesetzgeberischen Rahmen des Vollzuges zu gestalten.
Meine Damen und Herren, wie sind die Fraktionen hier im Landtag in der letzten Wahlperiode mit diesem Thema umgegangen? - Die Oppositionsfraktionen haben die Regelungen der Föderalismusreform kritisiert. Sie malten einen Wettbewerb der Schäbigkeit an die Wand. Die Regierungsfraktionen haben gehandelt. Wir haben ein modernes, umfassendes Justizvollzugsgesetz für Niedersachsen geschaffen. Wir regeln darin - in einem Gesetz - den Erwachsenenvollzug - aufgeschlüsselt nach Männervollzug, Frauenvollzug und Jungtätervollzug, was wir für eine besonders gute Regelung halten -, den Jugendvollzug und auch den Vollzug der Untersuchungshaft. Hier gibt es - das will ich nicht verschweigen - ein verfassungsrechtliches Problem, nämlich die Frage: Sind wir umfassend für den Vollzug der Untersuchungshaft zuständig oder nicht? Aber diese verfassungsrechtliche Frage hat der Gesetzgeber in der letzten Wahlperiode entschieden, indem er seine Zuständigkeit für Niedersachsen angenommen hat. Das bedeutet gleichzeitig - nachdem wir unsere Zuständigkeit angenommen haben -, dass wir das Ganze jetzt nicht einfach wieder zurückgeben können, wie Sie es, Herr Kollege Adler, in der Ausschusssitzung vorgeschlagen haben, sondern dass wir, wenn wir Änderungsnotwendigkeiten sehen, diese im Rahmen unserer Kompetenz umzusetzen haben.
Dieses Vollzugsgesetz hat in der Praxis Anerkennung gefunden, es ist nämlich auch ein sehr praxisnahes Gesetz geworden, weil wir damals die Praxis umfassend eingeschaltet haben.
Es hat aber einen wesentlichen Kritikpunkt im Bereich der Untersuchungshaft gegeben. Dieser Kritikpunkt war die Schaffung der sogenannten Vollzugsgerichte. Diese Vollzugsgerichte hatten nicht wir uns originär ausgedacht, sondern ihre Schaffung war eine Folge von juristischen Bedenken unseres Beratungsdienstes, die wir auch nachvollziehen konnten und mussten. Der Beratungsdienst hat uns darauf hingewiesen, dass wir immer dann,
wenn Strafverfahren mehrere Bundesländer betreffen, sich also nicht nur in Niedersachsen abspielen, mit einem niedersächsischen Gesetz keine Regelungen treffen können, die beispielsweise ein Haftrichter in Nordrhein-Westfalen oder in einem anderen Bundesland auszuführen hat. Dafür haben wir einfach nicht die Gesetzgebungszuständigkeit. Wir haben das in der letzten Periode dadurch gelöst, dass wir im Interesse einer einheitlichen, verständlichen und einfachen Zuständigkeitsregelung Vollzugsgerichte geschaffen haben. Das ist in der Praxis in der Tat auf Kritik gestoßen. Die Kritik bestand einmal darin, dass der sogenannte Richter am Vollzugsgericht, also der Richter an den Amtsgerichten, an denen Strafanstalten sind, sehr viel zusätzliche Arbeit bekommen hat, weil er auf diese Art und Weise mehr Zuständigkeiten erlangte. Dem hätte man dadurch Rechnung tragen können, dass man personalwirtschaftlich gegensteuert. Der zweite Kritikpunkt war für uns wesentlich entscheidender: Die Praxis wies darauf hin, dass wir mit diesem neuen Gremium eines zusätzlichen Vollzugsgerichts weitere Informationsflüsse schaffen. Das Problem eines Informationsflusses von einer Stelle zur nächsten Stelle besteht darin, dass Zeit vergeht und dass möglicherweise die eine oder andere Information nicht oder nicht vollständig ankommt.
Diese Kritik haben wir sehr ernst genommen, weil sie für die Praxis von erheblicher Bedeutung ist. Wir haben deshalb schon in der Koalitionsvereinbarung zwischen der CDU und der FDP darauf hingewiesen, dass wir diesen Bereich des Gesetzes vorzeitig evaluieren wollen und dass wir für den Fall, dass sich diese Kritik als berechtigt herausstellt, dort in der Tat zu einer Änderung kommen wollen.
Diese Evaluation ist durchgeführt worden. Die Konsequenz daraus ist der Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf mit der entsprechenden Regelung, die Vollzugsgerichte weitestgehend abzuschaffen. Nach der neuen Regelung soll bis zur Erhebung der Anklage jetzt wiederum der Haftrichter zuständig sein für Entscheidungen im Untersuchungshaftvollzug, und mit Erhebung der Anklage soll, wie bisher auch, das erkennende Gericht Zuständigkeit erlangen. Wir behalten das Vollzugsgericht nur noch da bei, wo es verfassungsrechtlich zwingend geboten ist und wir auch gar nicht anders können, nämlich bei Fällen, in denen mehrere Bundesländer betroffen sind.
weitere Anregungen aus der Praxis aufgegriffen, die ich kurz nennen will: Wir übertragen Zuständigkeiten des Gerichts durch das Gericht auf die Staatsanwaltschaft, wir schaffen die Möglichkeit der Übertragung von Zuständigkeiten durch die Staatsanwaltschaft auf Ermittlungspersonen, z. B. bei der Besuchs- und Telefonüberwachung, und wir übertragen Zuständigkeiten durch das Gericht auch auf die Vollzugsbehörde, allerdings nur mit deren Zustimmung. Es ist richtig, dass wir das nur mit Zustimmung der Vollzugsbehörde tun, weil die Vollzugsbehörde originär natürlich nur für Sicherheit und Ordnung in der Haftanstalt unmittelbar zuständig ist. Wenn wir der Vollzugsbehörde weitere Aufgaben aus der Untersuchungshaft übertragen, kann das, weil es möglicherweise über ihre Kapazität hinausgeht, nur mit ihrer Zustimmung geschehen. All diese Zuständigkeitsübertragungen erfolgen stets durch den Richter oder mit Zustimmung des Gerichtes, sodass es eine rechtsstaatlich einwandfreie und sehr gute Lösung ist.
Zusammenfassend lassen Sie mich Folgendes sagen: Mit den Ihnen jetzt zur Entscheidung vorliegenden Änderungen machen wir aus einem sehr guten Gesetz ein vorzügliches Gesetz.
(Beifall bei der CDU - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist ein Widerspruch in sich! Sie mussten es ändern!)
Herzlichen Dank. - Die nächste Wortmeldung kommt von der SPD-Fraktion. Herr Kollege Brunotte, bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. So ging es uns im September 2008, als CDU und FDP nach vielen Ankündigungen endlich erste zaghafte Änderungen am Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz vorschlugen.
Wir stimmen Ihrem Gesetzentwurf zu, weil jede Änderung des Vollzugsgesetzes das Gesetz nur besser machen kann und weil diese Änderungen auch dringend erforderlich sind und waren.
Wir sehen uns aber auch in unserer Position bestätigt, dass drei Gesetze deutlich besser gewesen wären:
Das wäre praktikabler gewesen als ein einziges unübersichtliches, wuchtiges Gesetz mit vielen Verweisungen.
Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz ist ein Schnellschuss aus der letzten Wahlperiode, dessen negative Auswirkungen im Vollzug von Gerichten, Anwälten und Inhaftierten kritisiert wurden und werden. Es ist bei Weitem nicht erkennbar, dass es sich hierbei um ein modernes Gesetz handelt, das in der Praxis durchweg gelobt und hervorgehoben wird. Dieses Gesetz weist deutliche Mängel in der Praxis auf, die aber bereits im Gesetzgebungsverfahren und auch in der Anhörung des Unterausschusses in der letzten Wahlperiode im Detail von den Oppositionsfraktionen und von den Praktikern angesprochen wurden. Es war klar, dass dieses Gesetz in Bezug auf die Untersuchungshaft mangelhaft funktionieren musste, weil die Praktiker das Gesetz in diesem Punkt von Anfang an kritisiert haben.
Stichwort Vollzugsgerichte: Bisher haben die mit dem Verfahren betrauten Ermittlungsrichter die Untersuchungshäftlinge für den Bereich der Post- und Besuchskontrolle betreut. Seit dem 1. Januar 2008 ist das nicht mehr so. Stattdessen müssen die am jeweiligen Gefängnisstandort zuständigen Amtsgerichte über Besuchs- und Telefongenehmigungen entscheiden und sämtliche Briefe der U-Häftlinge lesen. Dies führt zu einer deutlichen Überbelastung der betrauten Amtsgerichte und zu einer Abkopplung zwischen Strafverfahren und Postkontrolle. Das wollen Sie nun ändern.
Auch wenn Ihr Gesetzentwurf etwas sperrig ist, geht er in die richtige Richtung. Wir bewerten die zaghaften Änderungen als positiv.
Es gibt aber auch über den Kernbereich hinausgehende Änderungen. Die eigentliche Änderung in § 134 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes ist unstreitig und von uns auch immer wieder gefordert worden. Das haben wir von Anfang an gesagt. Wir halten aber die mögliche Übertragung von Kompetenzen der Gerichte an die Staatsan
waltschaft oder an Vollzugsbehörden für zweifelhaft. Hier muss nach rechtsstaatlichen Grundsätzen der Richtervorbehalt auch weiterhin gelten. Sie vermischen hier juristisch sinnvolle Gesetzesänderungen mit politischen Zielen, die deutlich über das Ziel hinausschießen.
Eine weitere Frage hat den Rechtsausschuss bewegt: Wer hat die Gesetzgebungskompetenz? - In den Beratungen im Rechtsausschuss haben wir intensiv darüber diskutiert, ob dem Bund die vorrangige Gesetzgebungskompetenz zusteht oder ob mit der Föderalismusreform I die Gesetzgebungskomptenz für diesen Bereich den Ländern übertragen wurde.
Obwohl wir in beiden Bereichen deutliche Kritik äußern, stimmen wir heute dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP aus pragmatischen Gründen zu. Wir wissen, dass die Praxis auf die Änderung für den Bereich U-Haft dringend wartet. Deshalb sind wir hier als Gesetzgeber gefordert.
Der Einstieg in das Nachbessern und Optimieren des Vollzugsgesetzes reicht jedoch nicht aus. Wir fordern weitere Änderungen. Ein erster Schritt ist getan. Nun müssen weitere folgen. Ich erinnere hier an den Entschließungsantrag der Fraktion der Grünen, der seit April 2008 vorliegt und schon einiges vorgibt und in die richtige Richtung zeigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und FDP, fassen Sie sich ein Herz und machen Sie weiter! Belassen Sie es nicht nur bei den Änderungen im Bereich U-Haft, sondern wagen Sie sich an weitere Änderungen und Verbesserungen! Resozialisierung muss wieder alleiniges bzw. vorrangiges Vollzugsziel werden. Der geschlossene Vollzug ist mittlerweile Regelvollzug. Wir fordern, den offenen Vollzug wieder in den Vordergrund zu stellen.