Meine Damen und Herren, die zusätzlichen Euro summieren sich zur höchsten Neuverschuldung, werden bei den Einzelnen aber kaum spürbar sein und sicherlich keinen Kaufrausch auslösen. Haushalte, die Einkommensteuer zahlen, haben schon heute Spielraum für Anschaffungen oberhalb des Existenzminimums. Da ist es natürlich grotesk, dass Herr von und zu Guttenberg und Herr Westerwelle schon jetzt wieder das Lied von Steuersenkungen singen und die FDP an dieser Stelle ihren Bundesratsschaukampf um enttäuschte CDU-Wähler inszeniert.
Meine Damen und Herren, in Deutschland zahlt die Hälfte der Haushalte gar keine Einkommensteuer mehr. Deswegen müssen wir, wenn wir konjunkturell etwas erreichen wollen, genau dort ansetzen und die Transferleistungen für die, die sehr wenig haben, erhöhen, also z. B. das Arbeitslosengeld II.
Aber, meine Damen und Herren, diese Einsicht können wir sicherlich nicht von Leuten erwarten, die Verbesserungen in diesem Bereich lediglich als einen Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie anschauen. Ich hoffe, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie schämen sich wenigstens für Ihr Präsidiumsmitglied Mißfelder, der genau dies gesagt hat.
Dazu organisieren Sie auf Bundesebene eine Abwrackprämie für einen Ausverkauf der alten Flotte. Ich kann Ihnen angesichts der Erfahrungen, die man in anderen Ländern gemacht hat, schon heute sagen, was passiert, wenn dieser Boom zu En
de ist: Sie werden einen gewaltigen Kater bekommen. Sie behandeln nur die Symptome und glauben, Sie könnten damit die notwendige schmerzhafte Operation verhindern. Aber das funktioniert nicht!
Ich möchte zwei weitere Vorgaben der Bundesregierung herausgreifen, die insbesondere auf die Kommunen und auch auf die niedersächsischen Kommunen gravierende Auswirkungen haben können:
Zum einen sind bislang die Risiken, die mit den Regelungen zur Zusätzlichkeit von Investitionen verbunden sind, noch immer nicht abschließend geklärt. Sie bleiben damit unkalkulierbar. Laut Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Land ist eine Zusätzlichkeit dann gegeben, wenn diese Investitionen in den Jahren 2009 bis 2011 den Durchschnitt der Investitionen der Jahre 2006 bis 2008 überschreiten. Da dies aber die Jahre des Steuerbooms gewesen sind, ist es mehr als fraglich, ob Land und Kommunen das Investitionsniveau von 2006 bis 2008 wieder erreichen können, auch wegen des zu erwartenden deutlichen Einbruchs der Steuereinnahmen, insbesondere bei der Gewerbesteuer.
Ein zweiter Kritikpunkt ist die Vereinfachung des Vergaberechts. Unter dem Deckmantel der Förderung kommunaler Investitionen hat die Große Koalition durch die Hintertür einen ordnungspolitischen Sündenfall beschlossen, den Sie nun in Ihrem niedersächsischen Haushaltsgesetz munter nachvollziehen. Was uns besonders stört, ist Folgendes: Diese Änderungen, mit denen die entsprechenden Grenzen deutlich heraufgesetzt werden, gelten nicht nur für Maßnahmen aus dem Investitionsprogramm, sondern für die gesamte öffentliche Auftragsvergabe mit einem jährlichen Volumen von rund 300 Milliarden Euro. Eine faire, transparente und wettbewerbsorientierte Vergabe wird so weitgehend außer Kraft gesetzt. Damit werden aller Erfahrung nach die Kosten von öffentlichen Aufträgen und die Gefahr von Korruption willkürlich in die Höhe getrieben.
Nun aber zur Umsetzung des Konjunkturprogramms in Niedersachsen: Zunächst ist zu kritisieren, dass die Landesregierung ihre eigene Argumentation, hier handele es sich um einen Ein
Punkt-Nachtrag, wie der Finanzminister es eben wieder gesagt hat, selbst missachtet. Klammheimlich wird uns nebenbei eine massive Personalaufstockung für den Bereich der Straßenbauverwaltung untergeschoben. Diese Steuergeldverbrennung für die künftigen Investitionsruinen A 39 und A 22 lehnen wir entschieden ab!
Dann gibt es plötzlich noch die 20 Millionen Euro für die Unterrichtsversorgung. Vor zehn Wochen haben wir hier den Haushalt 2009 verabschiedet. Bereits vor zehn Wochen waren die Probleme der Unterrichtsversorgung hinlänglich bekannt. Aber Sie haben aus ideologischen Gründen nichts unternommen. Jetzt nutzen Sie den Nachtrag zum Konjunkturpaket, um die größte Not in den Schulen kurzfristig etwas zu lindern, mal eben so, ohne Konzept und - darin sind wir uns einig - ohne echten Deckungsvorschlag.
Wir wissen doch alle, dass diese 20 Millionen Euro nicht ausreichen werden, um die vielfältige Problematik in unseren Schulen in den Griff zu bekommen. Wir erwarten weitere Verbesserungen und werden unsere Vorschläge dazu auch einbringen. Aber wir werden Ihnen natürlich nicht den Gefallen tun, diesen Änderungsvorschlag abzulehnen, damit Sie anschließend in den Sälen verkünden können, die Grünen seien gegen eine höhere Unterrichtsversorgung. Wir werden ihm zustimmen, um den notwendigen Handlungsbedarf zu unterstreichen.
Ich habe mir überlegt, dass ich in dieser Woche nicht noch einen weiteren Rücktritt fordern kann und deshalb Ihre Kultusministerin über dieses Wochenende retten werde.
Aber für die weitere Zukunft von Frau HeisterNeumann in der nächsten Woche kann ich nicht garantieren.
Meine Damen und Herren, ebenso wie die Politik der Bundesregierung ist das Konzept der schwarzgelben Landesregierung zukunftsblind. Da wird vermutlich ein Augenarzt als Wirtschaftsminister nicht viel Abhilfe leisten können. Die Chance, die Überwindung von Klima- und Finanzkrise zusammen anzugehen, wird vertan. Auch wirtschaftlich zeugt das Handeln der Landesregierung von Aktionismus statt Weitsicht.
Sie müssen sich die Fragen stellen: Was sind die Bereiche, die in zehn Jahren blühen und wachsen werden? Woran wollen wir in der Zukunft arbeiten? In was wollen wir in der Zukunft investieren? - Diese Fragen haben Sie sich beim Schnüren Ihres Pakets erkennbar nicht gestellt. Dabei sind sie gar nicht so schwer zu beantworten: Wir müssen heute in all das investieren, was unsere Wirtschaft nachhaltig unabhängiger macht. Wir müssen vor allen Dingen in das investieren, was dazu beiträgt, dass auf eine kohlenstoffärmere Produktion und Energieerzeugung umgestellt wird. Das ist die eigentliche Herausforderung. Da verknüpfen sich Klimakrise und Finanzkrise.
Das heißt, Sie müssen vor allen Dingen in ökologische Modernisierung investieren. Darauf hätten Sie die Verwendung der Gelder konzentrieren müssen. Das kann man dann auch schuldenfinanziert verantworten, weil es für die kommende Generation eine Verbesserung der Lebensbedingungen bedeutet und weil es eine maximale Chance zur Refinanzierung bietet. Aber was tun Sie? - Sie investieren in all das, was die verschiedenen Lobbygruppen innerhalb der Regierungsfraktionen durchgesetzt haben.
Mit Ihrem Wahlkampffonds „Wünsch’ dir was“ von 163 Millionen Euro, Ihrem sogenannten Aufstockungsprogramm, stellt sich wieder einmal heraus: Sie stecken das Geld nicht in eine kohärente Idee. Man kann nicht erkennen, dass diese Regierung eine Vorstellung hat, wie sie mit dieser Krise umgehen will.
Eine Leitidee ist in diesem Sammelsurium von Maßnahmen, die Sie hier vorgestellt haben, wirklich nicht erkennbar. Sie trauen sich nicht, die Frage der Ökologisierung unserer Wirtschaft anzugehen. Sie glauben, dass das Hinterherwerfen von Geld in der Krise eine Delle auffüllen kann und dass man dann einfach darübermarschiert.
Ich sage Ihnen: Wenn sich unsere Wirtschaft nicht ökologisiert, wenn wir die Chancen des Strukturwandels nicht ergreifen, dann geht es nach der Krise nicht weiter wie vorher, sondern weiter bergab. Wir schlagen Ihnen dagegen ein nachhaltig wirkendes Investitionsprogramm vor. Wir wollen, dass die gesamten Mittel in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro in Niedersachsen für eine ökologische Modernisierung genutzt werden, um so die Folgekosten einer falschen Energie- und Verkehrspolitik zu senken. Deshalb haben wir anders als die Landesregierung, die ohne jeden Gestal
tungsanspruch unterwegs ist, einen Kriterienkatalog festgelegt. Damit können wir neue Energietechnologien und die Energieeffizienz fördern, die Abhängigkeit von fossilen Energien mindern und Energie- und Betriebskosten senken. Wir wollen dabei die pauschalen Zuweisungen an die Kommunen von 600 Millionen Euro auf 800 Millionen Euro erhöhen, indem wir die nach Förderschwerpunkten zu vergebenden Mittel für die Schulinfrastruktur dem kommunalen Topf zuschlagen. Das verbessert die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen deutlich und ermöglicht eine sinnvollere Verwendung der Gelder.
Knapp 200 Millionen Euro sollen für die Investitionen in Hochschulen verbleiben. Fast 400 Millionen Euro verwenden wir für ein Energiewendeprogramm Niedersachsen, das u. a. Sofortmaßnahmen bei den Landesliegenschaften, bei der Ertüchtigung des Schienennetzes und bei der Umsetzung dezentraler innovativer Technologien beinhaltet. Folgen Sie unserem Konzept! Dann wird dieses Konjunkturprogramm auch Wirkung haben. Ansonsten setzen Sie es in den Sand.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Nachtragshaushalt 1/09 wird von der Landesregierung mit der Begründung vorgelegt - ich zitiere aus dem Antragstext -, „um die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise wirksam zu bekämpfen“. Um zu dieser Aussage zu kommen, hat die Landesregierung eine erstaunliche Wende vollzogen. Noch im Oktober wurde Herr Finanzminister Möllring in der Presse unwidersprochen mit folgenden Worten zitiert - ich zitiere aus dem rundblick vom 17. Oktober 2008 -:
„Der am Donnerstag von der Bundesregierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder gefundene Kompromiss zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz wird von Hartmut Möll
Wenige Tage vor Weihnachten wird derselbe Minister in der HAZ dann unwidersprochen mit den Worten zitiert, er warne vor Panikmache. Wörtlich hieß es:
„Ich kann nicht nachvollziehen, warum viele gegenwärtig einen derartigen Pessimismus verbreiten, sagte Möllring der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Man könne derzeit“
„nicht von einer Wirtschaftskrise sprechen. Das Einzige, was bemerkbar sei, sei das fehlende Vertrauen der Banken, sich untereinander Geld zu leihen.“
Dabei ist allerdings schon damals den auf Kurzarbeit gesetzten Stahlarbeitern und MAN-Kollegen das Lachen im Halse stecken geblieben.
Von Silvester bis Fastnacht wurde diese MöllringWende eigentlich nur noch durch die RöslerPirouette der letzten Tage getoppt. Herr Dr. Althusmann verkörperte eben ja die 75 kg schwere, fleischgewordene Erleichterung über das Ende dieser Pirouette, die dann in einem Kniefall geendet hat.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das ist für mich ein Kompliment! Ich gebe zu, dass es mehr sind!)
Nun versucht die Landesregierung also, diesen bis zu einem ersten Silvesterknaller dauernden Tiefschlaf durch unmögliche und umso größere Karnevalshektik überzukompensieren. In dieser Hektik stolpert sie jetzt mit einem Nachtragshaushalt 1/09 ins Parlament, der die Krise nicht wirksam bekämpfen wird.