Protokoll der Sitzung vom 20.02.2009

Nun versucht die Landesregierung also, diesen bis zu einem ersten Silvesterknaller dauernden Tiefschlaf durch unmögliche und umso größere Karnevalshektik überzukompensieren. In dieser Hektik stolpert sie jetzt mit einem Nachtragshaushalt 1/09 ins Parlament, der die Krise nicht wirksam bekämpfen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich jetzt auf diesen Nachtragshaushalt 1/09 zu sprechen komme, möchte ich noch ein paar Bemerkungen zum Charakter der Krise machen. Ich erspare mir dazu allerdings lange Ausführungen. Herr Bode, ich weiß, dass Sie jetzt aufmerken und sagen: Jetzt kommt der Werbeblock. - Die

FDP ist ja erfolgreich dabei, Werbeblöcke einzuführen. Das hat sie zunächst im Rundfunk getan, und das wird sie demnächst auch in den Schulen tun. Genaueres können Sie in dem Buch, das ich veröffentlicht habe, nachlesen. Es kostet 9,95 Euro. Ende des Werbeblocks.

(Heiterkeit und Beifall bei der LIN- KEN)

Ich unterstütze übrigens völlig das, was Herr Wenzel gestern gesagt hat: Wer glaubt, das sei nur eine ökonomische Krise, und sie würde sich nicht mit einer ökologischen Krise verbinden,

(Zuruf von der FDP)

der irrt gewaltig. - Ja, ich bin vorauseilend. Wir führen das mit den Werbeblöcken im Landtag demnächst sicherlich auch ein.

Herr Rolfes - er liest die Bild-Zeitung oder was auch immer; das ist auch in Ordnung - hat sich vorgestern dagegen verwahrt, die 700 Millionen Euro für Bürgschaften in irgendeine Beziehung zu den verweigerten 750 Millionen Euro für Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst zu setzen. Herr Rolfes, ich würde tatsächlich ein bisschen aufpassen, bevor Sie so laut Unsinn schreien. Auch Sie alle haben gestern gelesen: Hypo Real Estate erschreckt Berlin: 1 Billion verliehen. - Man sollte aber auch einmal andere Zeitungen lesen. Sie sollten nicht nur Herrn Schünemann junge Welt lesen lassen. Es lohnt sich, sie ab und zu zu lesen. Vorgestern hat die junge Welt Folgendes geschrieben - ich zitiere -:

„Glaubt man einem der britischen Tageszeitung The Daily Telegraph zugespielten Geheimbericht der Europäischen Kommission in Brüssel, dann ist nicht nur das US-amerikanische, sondern auch das europäische Bankensystem so gut wie pleite. In diesem hochbrisanten, 17 Seiten umfassenden Bericht schätzen EU-Finanzexperten nämlich, das 44 % der Vermögenswerte aller europäischen Banken, die in den Büchern noch mit 18,3 Billionen Euro bewertet werden, in Wirklichkeit Schrottpapiere sind. Dazu gehören auch Kredite in Höhe von 1 Billion Dollar, die hauptsächlich von EU-Banken in halsbrecherischer Weise an Osteuropa vergeben wurden, um dort Immobilienblasen und

den Konsum der neuen Eliten zu finanzieren.“

Wenn das auch nur zur Hälfte richtig ist, werden die Bürgschaften wirksam werden. Dann stimmt die Gleichung, deren Richtigkeit Sie gestern in Abrede gestellt haben. Das ist etwas, Herr Tanke, was Europa in den Grundfesten tatsächlich erschüttern würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer glaubt, eine Krise dieses Ausmaßes mit den Konjunkturpaketen I und II bewältigen zu können, ist unredlich oder ahnungslos und versteht von Ökonomie so viel wie der Schlachter von Herzoperationen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestern haben wir nun zu dem Konjunkturpaket II aufgrund unserer Dringlichen Anfrage noch einiges Neues gelernt. Wir hatten - Sie erinnern sich! - nach den Auswirkungen der Steuersenkungen auf die öffentlichen Haushalts gefragt. Herr Schünemann hat viele Worte geliefert, aber immerhin auch ein paar Zahlen, und diese Zahlen waren das einzig Interessante. Ich will Ihnen die Details dessen ersparen, was er uns vorgerechnet hat. Es endete damit, dass der Landeshaushalt allein durch Steuersenkungen aus den Konjunkturpaketen I und II in den Jahren 2009 und 2010 mit insgesamt 671 Millionen Euro belastet wird. Sie können das im Protokoll nachlesen. Dazu kommen die von Herrn Schünemann genannten und unserer Auffassung nach natürlich zu niedrig bezifferten Steuerausfälle für die Kommunen in Höhe von zusammen 310 Millionen Euro. Damit stehen dem Land und den Kommunen Steuerausfälle in Höhe von 981 Millionen Euro in den genannten beiden Jahren bevor. Damit sind die Steuerausfälle - jeder kann das nachrechnen - um 61 Millionen Euro höher als die vom Bund bereitgestellten 920 Millionen Euro. Darin sind übrigens die Steuermindereinnahmen durch die Absenkung der Steuerpauschale nicht enthalten. Diese habe ich nicht eingerechnet. Mit einem solchen Konjunkturprogramm, das wirklich nur die Überschrift „von der rechten Tasche in die linke Tasche“ verdient, glauben Sie eine Krise dieses Ausmaßes bekämpfen zu können. Herr Bode, das ist ökonomisch absoluter Unsinn und lächerlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Herr Wulff, mit diesem Nachtragshaushalt 1/09 werden Sie die Krise nicht wirksam bekämpfen. Sie verteilen Pflaster an Schwerverwundete,

und gleichzeitig nehmen Sie ihnen das Wasser weg. Das ist Zynismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun wissen auch wir, dass eine Landesregierung nicht alles stemmen kann. Sie könnten sich bei der Art und Weise, was eine Landesregierung zusätzlich tun kann, aber wenigstens Ihren alten Kumpel Koch als Vorbild nehmen. Man kann fast Angst haben, dass man von Herrn Koch links überholt wird. Das bereitet mir fast eine schlaflose Nacht. Es ist aber eine Tatsache, dass er 1,7 Milliarden Euro draufgesattelt hat. Wir haben in unseren Vorschlägen zum Nachtragshaushalt, die Ihnen detailliert vorliegen - es sind diesmal nicht 170, sondern ein paar weniger -, insgesamt 400 Millionen Euro zusätzlich als eigene Landesinitiative vorgeschlagen. Koch hat 1,7 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das ist ordentlich. Er steht sozusagen links von uns. Wunderbare Sache! Sie bewegen sich ja immerhin aus der Systematik heraus, die Herr Möllring am Anfang begründet hat. Mit den lächerlichen 20 Millionen Euro für die Lehrer bewegen Sie sich in die richtige Denkweise hinein, zu den Bundesmitteln noch ein bisschen an Landesspezifischem dazuzubuttern. Das ist aber völlig halbherzig. Die SPD hat eben zu Recht gesagt, in Sachen Schulpolitik herrsche Chaos, was mit dem Hinweis verbunden wurde, dass Sie sozusagen subkutan jetzt noch einmal 20 Millionen Euro einfließen lassen. Von diesem Chaos würde ich mir ein bisschen mehr wünschen. Ich würde mir hingegen ein bisschen weniger von dem sonstigen Chaos wünschen, das Sie ökonomisch gegenwärtig anrichten.

Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sohn, ich habe das Konjunkturpaket wirklich nicht erfunden. Ich sage Ihnen das, weil Sie mir das eben ja so zugerufen haben.

(Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Das kann man so also nicht sagen.

Herr Dr. Sohn und Herr Klein, vom Geschehen des heutigen Tages haben Sie hier einen Eindruck vermittelt, der dem Anlass nicht angemessen ist.

Heute ist in der Tat ein guter Tag für Deutschland und somit auch für Niedersachsen; denn seit heute herrscht Klarheit, die wir in den letzten Wochen und Monaten in Berlin und auf Bundesebene insgesamt vermissen mussten. Viele Menschen haben sich ja schon gefragt, was sie von dem herbeigesehnten Regierungswechsel auf Bundesebene im September erwarten können und was dann passieren wird. Es gab ja die unterschiedlichsten Stimmen zu der Frage, ob das drängendste Problem tatsächlich angegangen wird, ob das vorhandene Steuersystem radikal geändert und vereinfacht wird, ob die Steuersätze geändert werden, ob die kalte Progression abgeschwächt wird und ob die Familien entlastet werden.

Heute ist im Bundesrat Klarheit hergestellt worden. Es gibt eine Zusage an alle Wählerinnen und Wähler. Die Ministerpräsidenten Wulff, Rüttgers, Müller, Koch, Althaus, Seehofer und auch Oettinger haben heute gemeinsam mit der FDP erklärt, dass sie nach der Bundestagswahl unverzüglich eine strukturelle Reform des Einkommensteuerrechts in Angriff nehmen, die Bürger unverzüglich spürbar entlasten und die kalte Progression deutlich abmindern wollten. Diese Erklärung gilt.

(Beifall bei der FDP)

Darüber hinaus haben diese sieben Ministerpräsidenten erklärt, dass sie die Konsolidierung des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte weiterhin im Auge hätten und von der Konsolidierung auch nicht ablassen würden. Zukünftige Generationen stehen vor dem drängenden Problem, dass wir in der Vergangenheit immer zu sehr auf ihre Kosten gelebt haben. Die Bürger wissen also, dass sie nach der Bundestagswahl eine neue konjunkturelle Ausrichtung - man könnte vielleicht auch „neues Konjunkturpaket“ sagen - und eine deutliche Stärkung des Binnenmarktes erleben werden, weil die Unternehmen und die Bürger mehr Geld zur Verfügung haben werden, um zu investieren bzw. um ihr eigenes Leben zu gestalten.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das er- zählen Sie einmal einer Frisörin!)

Wichtig ist auch, dass wir an dieser Stelle auch die soziale Komponente nach vorne stellen und die kalte Progression bekämpfen wollen. Eines ist doch komisch: Da wir im Konjunkturpaket II steuerliche Maßnahmen vorgesehen und auch über die Senkung des Eingangssteuersatzes gesprochen haben, frage ich mich, warum die SPD, die ja gerade gesagt hat, dass ihr Finanzminister all dies maßgeblich mitgestaltet habe und dass sie einen

Eingangssteuersatz von 12 % wolle - ihr Partner in der Großen Koalition in Berlin, die CDU, will ja auch 12 %, und auch die Grünen und die FDP wollen 12 % -, jetzt auf 14 % kommt. Diese Mathematik kann hier in Deutschland doch niemand mehr verstehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, verständlich ist auch nicht, warum man zur einmaligen Finanzierung der 800 Millionen Euro, die das Vorziehen der Familienkomponente, für das sich die sieben genannten Ministerpräsidenten gemeinsam mit der FDP ausgesprochen haben, kosten würde, nicht dem Gegenfinanzierungsvorschlag der FDP, nämlich auf die Renovierung von Bundesministerien zu verzichten und dadurch 650 Millionen Euro einzusparen, zustimmt und dieses Geld den Familien zur Verfügung stellt. Warum verzichtet man nicht einfach auf 100 Millionen Euro Entwicklungshilfe zugunsten der Familien und für die Binnenkonjunktur?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Protekti- onismus! Nationalismus!)

Erstaunlich ist auch, was dafür von der Großen Koalition und Ihrem Herrn Steinbrück, der das alles ja maßgeblich gemacht hat, als Einsparungsvorschlag versprochen worden ist: die Senkung der Krankenkassenbeiträge. - Das ist ein ganz erstaunlicher Schritt. Da kommt Herr Steinbrück und sagt: Ich nehme es dir nicht mehr aus der linken Tasche, aus der du die Krankenkassenbeiträge bezahlst, sondern aus der rechten Tasche, aus der du die Steuern bezahlst. - Das, Herr Dr. Sohn, ist keine Entlastung, sondern ein hanebüchener Taschenspielertrick. Entlastung für die Bürger sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben heute im Bundesrat für die Zukunft ein eindeutiges Signal gesetzt bekommen. Die CDU/FDP- und CDU-regierten Länder haben gesagt, dass sie die Umsetzung nach der Bundestagswahl gemeinsam vornehmen wollen. Das ist es dann auch wert, dass wir heute den Weg freigemacht haben, damit all die Maßnahmen, die die FDP als sinnvoll angesehen hat, sofort wirken können, und bei allen anderen Maßnahmen wird nachgesteuert. Anderes war in den Verhandlungen dank der Grünen nicht mehr möglich.

Erstaunlich ist doch, wie Herr Klein hier heute aufgetreten ist. Man muss sich doch einmal vorstellen,

dass es die Grünen waren, die die Große Koalition in die Schwierigkeit gebracht haben, dass sie in eine Bundesratssitzung gegangen ist, in der das gesamte Paket wegen einer nicht erfolgten Einigung über die Besteuerung von Dieselkraftfahrzeugen - diese Einigung ist übrigens an der SPD gescheitert; die CDU wollte dies ja machen - beinahe gescheitert wäre, wobei weitere Änderungen wegen des Fristablaufs nicht mehr möglich gewesen wären. Dass Sie sich heute hier hinstellen und eine derartige Rede halten, Herr Klein, wirft kein gutes Licht auf die Grünen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die sinnvollen Investitionen, die im Bereich Bildung angestoßen werden, wollen wir entsprechend weiterleiten und umsetzen. Deshalb begrüßen wir - wie in Niedersachsen geschehen - die pauschale Zuweisung an die Kommunen nach Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Auch hier gibt es eine soziale Komponente. Man sagt nämlich: Die Kommunen, die weniger Geld und eine geringere Steuerkraft haben, werden vom Land in die Situation versetzt, das ihnen zugewiesene Geld ausgeben zu können, weil sie eine geringere Kofinanzierung leisten müssen.

Erstaunlich ist auch, wie wir die SPD heute erlebt haben. Ich habe in den Zeitungen gelesen, was Herr Jüttner gesagt hat. Ich habe ihn auch hier im Plenum gehört. Herr Bartling, vielleicht sollten Sie ihn, wenn er wieder genesen ist - von hier aus gute Besserung -, einmal fragen, was aus der Forderung der SPD geworden ist, die Mittel insgesamt pauschal an die Kommunen zu überweisen. Alles! Jeden einzelnen Euro! Was ist daraus geworden? Warum stimmen Sie heute zu, Frau Geuter? Warum? - Sie haben immer ganz andere Kernforderungen erhoben. Sie wollten nicht, dass eine solche Aufteilung vorgenommen wird. Sie wollten kein Geld für die Studentenwerke. Sie wollten kein Geld für die Hochschulen. Sie wollten kein Geld für die Krankenhäuser. Sie wollten alles pauschal an die Kommunen geben. Warum stimmen Sie dann heute zu?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Haushaltsplanberatungen sind immer die Stunde der Wahrheit. Es ist schon erstaunlich, Herr Bartling, dass Sie hier am Mittwochabend fern von der Öffentlichkeit - nur die GdP war noch da - gesagt haben: Innere Sicherheit ist ein Kernthema. Man muss wesentlich mehr Geld für die innere Sicherheit ausgeben. - Sie ha

ben sogar entsprechende Forderungen erhoben: Erhöhung der Erschwerniszulage, Erhöhung des Ausgleichs für Dienst zu ungünstigen Zeiten etc. - Herr Bartling, Sie haben ja einen Änderungsantrag zum Haushalt gestellt. Er enthält aber keinen einzigen zusätzlichen Cent für die innere Sicherheit. Sie haben Ihren Antrag nicht geändert. Sie haben der GdP schlicht und ergreifend nur Hoffnung gemacht. Man kann das ja machen. Dann verliert man aber die Abstimmung gegen CDU und FDP. Sie haben es aber nicht einmal zur Abstimmung gestellt. Das ist doch der eigentliche Skandal, und Sie glauben, dass das draußen niemand merkt.

(Beifall bei der FDP)

Genauso verhält es sich mit den Studentenwerken. Heute Nachmittag hier im Plenum große Reden. Aber kein einziger Antrag der SPD zum Nachtragshaushalt mit dem Ziel, den Studentenwerken mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. So schlecht ist das Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit dann doch nicht.