Als nächste Rednerin hat sich Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum wiederholten Male spielt das Thema Härtefallkommission in dieser jungen Legislaturperiode des Landtages eine Rolle. Erst zögert der Innenminister immer und immer wieder den Erlass heraus, welcher regelt, dass die Kommission über das Ende des Jahres 2008 hinaus arbeiten kann. Die dann beschlossenen Veränderungen allerdings sind nur marginal. Weiterhin sind die Zugangskriterien hoch - viel zu hoch. Das Quorum, welches benötigt wird, um einen Fall positiv zu bescheiden, ist unverändert. Immer wieder weigert sich der Innenminister, positive Empfehlungen der Kommission in die Tat umzusetzen, was letztlich sogar dazu führte, dass sich der Herr Ministerpräsident einschaltete. Aber wir sind es ja in diesem Hause gewohnt, dass einige Dinge immer wieder zur Chefsache gemacht werden.
Kommissionsmitglieder denken angesichts der Ignoranz ihrer Arbeit in der Kommission durch den Innenminister darüber nach, ihre Tätigkeit zu beenden.
Meine Damen und Herren, der Anspruch, dass Niedersachsen ein weltoffenes und tolerantes Land ist, nimmt insbesondere durch das unverantwortliche Handeln von Innenminister Schünemann einen mittlerweile fast irreparablen Schaden. Das ist nicht mehr hinnehmbar.
Meine Damen und Herren, das zynische Verhalten des Ministers macht auch auf eine andere Tatsache mehr als aufmerksam: Durch keine wie auch immer zusammengesetzte Härtefallkommission kann die inhumane Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union insgesamt und die darauf fußende Gesetzgebung außer Kraft gesetzt werden. Hier müssen wir die Stellschrauben ansetzen und einen grundsätzlichen Wandel herbeiführen.
Trotzdem unterstützt meine Fraktion natürlich auch kleine Veränderungsschritte. Einen solchen Schritt stellt der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen dar. Es verhält sich genau so, wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs festgehalten ist.
Die Verordnung des Innenministeriums schöpft die Handlungsspielräume des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes, welches die Einsetzung einer Härtefallkommission ermöglicht, nicht aus und verhindert die Arbeitsweise einer Kommission, die den humanitären Anforderungen gerecht würde. Wie wir bereits festgestellt haben, ist unter diesen Umständen die Härtefallkommission nicht arbeitsfähig. Sie wird so stark eingeschränkt, dass die Intention des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes konterkariert wird.
Aus diesem Grund ist es richtig, dass nunmehr der Gesetzgeber - sprich: der Landtag - das Heft des Handelns in die Hand nimmt und ein eigenes Gesetz zu den Arbeitsgrundlagen der Härtefallkommission verabschiedet. Dafür bietet der uns vorliegende Entwurf eine gute Grundlage.
der Bitte, dass man nun zur Vernunft kommen möge, verzichte ich an dieser Stelle bewusst. Die Erfahrungen und die Ergebnisse der letzten Wochen und Monate zeigen mir, dass hier eine hartnäckige Beratungsresistenz vorliegt.
Insofern fordere ich nunmehr die Abgeordneten der CDU/FDP-Koalition auf, von den Möglichkeiten im Landtag Gebrauch zu machen und gemeinsam mit der Opposition ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das es der Härtefallkommission ermöglicht, ihrer Tätigkeit ordentlich und verantwortungsbewusst nachzugehen. Wir stehen in diesem Zusammenhang im Übrigen für Gespräche zur Verfügung.
Ich hoffe auf eine ernsthafte Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen, was aus meiner Sicht eine Anhörung unbedingt mit einschließt.
Herr Bachmann von der SPD-Fraktion hat das Wort. Bitte schön! - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. - Jetzt relativiert es sich wieder. Das sieht ganz gut aus.
Gerade hatte man den Eindruck, dass mehr Leute stehen als sitzen. Vielen Dank. - Herr Bachmann, Sie haben das Wort.
Danke. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als am Montag dieser Woche Herr Innenminister Schünemann in der Kommission für Integrationsfragen des Landtages sein Arbeitsprogramm und die Inhalte des Integrationskonzeptes der Landesregierung vorgestellt hat - dort gibt es viel Übereinstimmung; darauf sind wir aber letztes Mal eingegangen -, hat er nicht von sich aus die Frage des Umgangs mit Härtefällen bei Flüchtlingen angesprochen. Erst auf Nachfrage eines Kommissionsmitglieds ist er auf dieses wichtige und aktuelle Thema eingegangen und hat gesagt: Was wollen Sie eigentlich? Ich bin froh, die Härtefallkommission arbeitet wieder. Sie hat in den
Herr Schünemann, irren Sie sich an dieser Stelle nicht? Es gibt eine Zusage des Ministerpräsidenten - übrigens ist bezeichnend, dass er nicht hier ist, obwohl er weiß, dass dieses Thema jetzt debattiert wird -
an die Mitglieder der Härtefallkommission, bis April dieses Jahres über die berechtigten Anliegen sowie eine Reform zu sprechen und Einvernehmen zu erzielen. Möglicherweise ist das Fehlen von Herrn Wulff jetzt schon der Beweis, dass er an dieser Stelle vor Herrn Schünemann einknickt.
Herr Schünemann, Sie können aber sicher sein: Wenn Sie diese Zusage einer Reform bis April dieses Jahres nicht einhalten oder heute nicht das entsprechende Signal geben, wird der Landtag mit einem Gesetzentwurf das Heft des Handelns selber in die Hand nehmen. Wie ich schon in der letzten Plenarwoche gesagt habe, ist das für uns genauso wie für die Grünen der nächste Schritt. Noch haben Sie die Chance auf eine Reform. Wenn Sie diese Reform nicht bis April vollziehen, dürfen Sie sich nicht wundern, was passieren wird.
Am Montag haben die Integrationspolitikerinnen und -politiker meiner Fraktion aktuell mit allen Wohlfahrtsverbänden und den Vertretern von Caritas und Diakonie, also auch mit dem kirchlichen Bereich, gesprochen. Es ist bestätigt worden: Wenn diese Zusage nicht eingehalten wird - im Augenblick arbeitet die Kommission im Interesse der Menschen und im Vertrauen auf ein Versprechen des Ministerpräsidenten -, dann wird es Rücktritte geben.
Herr Schünemann, offensichtlich rechnen Sie auch fest damit, weil sich der Hardliner wohl wieder gegen den Ministerpräsidenten, der zunächst zu vermitteln versucht hat, durchgesetzt hat. Denn es geht das Gerücht durchs Land, dass Sie schon Honoratioren befragen lassen, ob sie sich eine Mitwirkung in der Härtefallkommission vorstellen können,
nach dem Motto „Die Rücktritte kommen, dann berufen wir halt freihändig andere“. Das heißt, Herr Schünemann will sich seine Mehrheit zementieren, damit es bloß nicht zu veränderten Entscheidungen kommt.
Kurzum: Der in der letzten Plenarwoche leider von Ihnen nicht zugelassene Dringlichkeitsantrag, den wir in der Geschäftsordnungsdebatte begründet haben und der sich jetzt ordnungsgemäß im Verfahren befindet, wie Frau Polat eben ausgeführt hat, kann noch zu einem Konsens führen, wenn Sie handeln.
Ansonsten bin ich den Grünen dankbar. Wir hatten einen solchen Entwurf ebenfalls in Vorbereitung, aber wollten erst einmal dem Ministerpräsidenten die Chance geben,
positiv zu reagieren. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt vor. Er ist weitestgehend identisch mit unserem Entwurf. Weil der Gesetzentwurf vorliegt, werden wir in eine Gesetzesberatung eintreten und die Chance nutzen, dass der Landtag mit allen Möglichkeiten einer Gesetzesberatung das Heft in die Hand nimmt.
Ich will mich noch einmal ausdrücklich den Feststellungen von Frau Polat anschließen. Nehmen Sie endlich einmal zur Kenntnis - auch Herr Biallas; auf seine letzte Presseerklärung zu diesem Thema habe ich ja sofort reagiert -,
dass die Mitglieder der Härtefallkommission nicht an gesetzliche Regelungen gebunden sind, sondern dass der § 23 a des Aufenthaltsgesetzes den Ländern die Möglichkeit gibt, über eine solche Kommission jenseits aller Rechtswege, gesetzlichen Regelungen und Gerichtsurteile ausschließlich Einzelfälle nach humanitären Gründen entscheiden zu können!
Bertrand Russell, ein Literaturnobelpreisträger aus Großbritannien, hat einmal über den Unterschied zwischen Wissenschaftlern und manchen Politikern gesagt: Die Wissenschaft versucht, das Unmögliche möglich zu machen, und es gibt Politiker, die das Mögliche unmöglich machen wollen. - Er wusste, dass Sie irgendwann hier Innenminister werden!
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist wirklich zu viel der Ehre gewesen!)
Nutzen wir also die Chance, die Möglichkeiten des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes in diesem Lande umzusetzen! Das ist die Erwartungshaltung aller derjenigen, die sich in diesem Lande für humanitäre Anliegen einsetzen und in dieser Kommission konstruktiv und verantwortlich mitarbeiten wollen, aber kritisieren, dass durch die von Ihnen gemachten Spielregeln die Chancen und rechtlichen Möglichkeiten des Gesetzes nicht ausgenutzt werden.
Ein Hannoveraner Bürger hat in diesen Tagen dem Ministerpräsidenten einen Brief geschrieben. Davon haben wir eine Kopie bekommen. Dieser Bürger war viele Jahre im Diakonischen Werk tätig. Vor Kurzem hat er sich auch mit einem Leserbrief an eine Zeitung in diese Debatte eingeschaltet. Er hat gesagt: Die Schünemann’sche Politik mag ja rechtmäßig sein. Diese Politik nutzt aber die Spielräume nicht aus. Was die Fragen der Humanität angeht, ist sie sogar unerträglich. - Dem schließe ich mich an.
Herr Schünemann, Sie verstecken sich immer hinter der nach Ihrer Darstellung rigiden Rechtsprechung. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es mittlerweile ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom 27. Januar 2009 gibt. Danach ist das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass Ausländer trotz falscher Angaben über ihre Identität einen Anspruch darauf haben, dass ihr Bleiberecht aus humanitären Gründen geprüft wird. Auf diese Bestimmungen im Aufenthaltsgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren hingewiesen. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen verlängert werden, wenn die Abschiebung eine besondere Härte bedeuten würde.