Protokoll der Sitzung vom 25.03.2009

Herr Schünemann, Sie verstecken sich immer hinter der nach Ihrer Darstellung rigiden Rechtsprechung. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es mittlerweile ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom 27. Januar 2009 gibt. Danach ist das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass Ausländer trotz falscher Angaben über ihre Identität einen Anspruch darauf haben, dass ihr Bleiberecht aus humanitären Gründen geprüft wird. Auf diese Bestimmungen im Aufenthaltsgesetz hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren hingewiesen. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen verlängert werden, wenn die Abschiebung eine besondere Härte bedeuten würde.

Dieses Urteil zeigt, welche Möglichkeiten das Gesetz bietet. Dies ist auch verständlich. Wenn Sie sagen „Er ist nicht bereit, an der Feststellung der Identität seiner Person mitzuarbeiten“, dann erwarten Sie ja, dass Betroffene ihre eigene Abschiebung organisieren. Möglicherweise hatten sie ja irgendwann einmal Gründe - vielleicht aus Angst oder aufgrund von Dingen, die sie erlebt haben -, nicht die von Ihnen geforderte Konstruktivität zu zeigen. Wenn die Flüchtlinge hierher kommen, haben sie zuvor auch über viele Jahre und Monate Bedingungen erlebt, die für sehr viel Skepsis gegenüber Behörden und Verhaltensweisen Anlass geben. Deswegen muss man Verständnis dafür haben, dass sie nicht alle so konstruktiv mitarbeiten - ich sage das auch einmal unter Würdigung humanitärer Gesichtspunkte - und nicht sozusagen ihre eigene Abschiebung organisieren. Das heißt nicht, dass wir den Katalog an Kriterien zurücknehmen, den wir einmal vorgelegt haben. Wir wissen, dass nicht alle Fälle - dies wissen Sie; dazu gibt es Entschließungsanträge von uns - berücksichtigt werden können.

Lassen Sie mich abschließend aus einem Brief zitieren, den Herr Wulff geschrieben hat. - Dies hätte ich gerne in seiner Gegenwart gemacht. - Herr Wulff hat an einen hohen kirchlichen Würdenträger geschrieben - ich habe dies vor einem Monat angekündigt -: Insgesamt finde ich es sehr bedauerlich, dass es der Härtefallkommission in ihrer derzeitigen Besetzung - damit meint er wohl diese „Blockadebesetzung“, die Sie organisiert haben - momentan offenbar nicht immer gelingt, abgewogene, am Einzelfall orientierte Entscheidungen zum Wohle der Betroffenen zu treffen. Wir sind uns sicher einig darüber, dass die Härtefallkommission ihrem humanitären Anspruch zukünftig besser gerecht werden muss, um ausländerrechtliche Härtefälle zu lösen, bei deren juristischer Aufarbeitung der Rechtsstaat gerade wegen seiner Besonderheiten des Einzelfalls an seine Grenzen stößt. - Herr Wulff, herzlichen Glückwunsch zu dieser Interpretation! Vielleicht versuchen Sie noch einmal, es Ihrem Innenminister zu erklären.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Oetjen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Im Namen der FDPLandtagsfraktion möchte ich zunächst einmal allen Mitgliedern der niedersächsischen Härtefallkommission sehr herzlich für ihre Arbeit danken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Denn wir wissen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie schwierig diese Arbeit ist, bei denen sich die Kommissionsmitglieder um Einzelfälle und menschliche Schicksale kümmern. Diese besondere Arbeit verlangt unseren Respekt und Dank. Immerhin hat die Härtefallkommission bisher 18 von 31 abschließend behandelten Fällen positiv beschieden. Dies zeigt, dass die Härtefallkommission in der Vergangenheit gut gearbeitet hat.

Nun liegt der Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen vor. Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass die FDP-Landtagsfraktion dieses Thema konstruktiv begleiten will. Dass wir nicht in allen Punkten mit den Grünen einer Meinung sind, können Sie sich denken, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Aber es gibt Fragen, über die wir aus meiner Sicht reden müssen.

Als Erstes möchte ich anführen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das Thema der Zusammensetzung für uns sehr wichtig und entscheidend ist. Die Frage der Mehrheiten hat schon in der Vergangenheit in den Diskussionen hier im Hause eine große Rolle gespielt. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, liebe Filiz Polat, dass wir in Richtung einer einfachen Mehrheit kommen, sondern wir müssen aus meiner Sicht mit qualifizierten Mehrheiten arbeiten, wie dies auch in anderen Ländern der Fall ist.

Die Zweidrittelregelung, die wir haben, führt bei den acht stimmberechtigten Mitgliedern in Wahrheit in der Tat zu einer Dreiviertelregelung. Von daher sind wir durchaus offen für die Diskussion, die Anzahl der Mitglieder der Härtefallkommission beispielsweise von acht auf neun zu erhöhen. Dies ist aus meiner Sicht ein Punkt, über den wir reden müssen.

Wir müssen auch über die Frage sprechen, wie das ganze Verfahren organisiert wird. Ich halte den Vorschlag von Minister Schünemann überlegenswert, das nicht über die einzelnen Mitglieder einzubringen, sondern beispielsweise über eine Geschäftsstelle zu arbeiten, wo das Ganze neutral behandelt wird. Das darf natürlich nicht in irgendeiner Art und Weise gewertet sein, sondern es

muss klare Verfahrensgrundsätze geben. Nicht eine personalisierte Einbringung in die Härtefallkommission, sondern eine neutrale über eine Geschäftsstelle, die das Ganze dann in die Härtefallkommission einbringt, halte ich durchaus für überlegenswert.

Man kann auch darüber reden, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie die Abgrenzung zwischen Nichtannahmegründen und Regelausschlussgründen ist. Dies wird sich aber aus meiner Sicht in der weiteren Diskussion zeigen.

Mir ist wichtig, dass wir uns bei diesem Thema, bei dem menschliche Schicksale betroffen sind, in diesem Hause nicht in polemischen Diskussionen ergehen, sondern dass wir konstruktiv und an der Sache orientiert arbeiten, um weiterhin eine wirklich gute Härtefallkommission für Niedersachsen zu ermöglichen und die Arbeit, die die Mitglieder der Härtefallkommission bisher leisten, weiter zu unterstützen. Das ist das Ansinnen der FDPLandtagsfraktion. Insofern werden wir einer konstruktiven Beratung nicht im Wege stehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Rolfes. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist ein Thema, über das sich in aller Sachlichkeit zu diskutieren geziemt. Ich finde, das ist bei dieser Debatte weitgehend gelungen. Ich habe allerdings immer einige Probleme mit Herrn Bachmann. Ich weiß, dass er sehr engagiert ist; das ist zu begrüßen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist aber ein ganz Lieber! - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das sagen Sie!)

- Er sollte jetzt lieber zuhören, was ich ihm sage. - Herr Bachmann, ich weiß, dass Sie engagiert sind; das ist zu begrüßen. Ich weiß auch, dass Sie das mit dem nötigen Rückhalt Ihrer Fraktion tun; auch das ist zu begrüßen. Aber Sie dürfen aufgrund der Tatsache, dass Sie in dieser Frage sehr engagiert sind, nicht so tun, als könnten Sie anderen die moralische Qualifikation absprechen, die mit dem gleichen Ernst, der gleichen Sorgfalt und den gleichen Gewissenskonflikten, die bei solchen schwie

rigen Entscheidungen immer auftreten können, dieses Thema der Härtefallkommission behandeln. Ich sage: Respekt vor Ihrer Arbeit! Aber kommen Sie nicht dazu, Ihre Arbeit dadurch zu qualifizieren, indem Sie andere abwerten!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Also bitte ein bisschen mehr Respekt auch gegenüber dem Innenminister im persönlichen Umgang und auch gegenüber denjenigen, die bei der Bewertung des Sachverhalts zu anderen Ergebnissen kommen!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist eine schöne Anforderung! Gelegent- lich komme ich darauf zurück!)

- Das ist gut. Wenn Sie darauf zurückkommen, dann sind Sie sicherlich ein leuchtendes Vorbild.

Meine Damen und Herren, Frau Polat hat eben gesagt, was mit dem Gesetzentwurf alles geändert werden soll. Ich sage Ihnen: Es gibt ein Bundesland, in dem alle Mitglieder einstimmig den Beschluss über einen Härtefall fassen müssen. Es gibt Bundesländer, die das mit einer Dreiviertelmehrheit machen, z. B. das Saarland. Sechs Bundesländer machen das mit einer Zweidrittelmehrheit.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Es gibt vier Bundesländer, die das mit zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder machen. Es ist also nicht so, dass Niedersachsen in irgendeiner Weise ein fürchterlich abschreckendes Beispiel ist.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann machen wir doch das beste Gesetz!)

Selbstverständlich können wir über einzelne Punkte - Herr Oetjen hat dies gesagt - reden und diskutieren. Ich finde, dieses Thema eignet sich beim besten Willen nicht für Polemik und gebietet eine sachliche Diskussion.

Die Niedersächsische Härtefallkommissionsverordnung auf der Grundlage des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes datiert vom 6. August 2006 und wurde zuletzt am 10. September 2008 geändert, nachdem die kommunalen Spitzenverbände angehört und die Kirchen beteiligt worden sind. Bei der Einsetzung der Härtefallkommission ist es auf Empfehlung der Kirchen sowie einiger Gruppierungen zu dem Verfahren gekommen, dass Mitglieder der Kommission in der Regel von Verbänden vorgeschlagen werden. Nur drei Kommissionsmitglieder werden direkt benannt. Dadurch ist das Di

lemma entstanden, dass sich einige Gruppierungen, die sich beispielsweise vorbildlich mit humanitären Fragen beschäftigen und die bei der Auswahl der Kommissionsmitglieder nicht berücksichtigt worden sind, benachteiligt fühlen. Mit dem Gesetzentwurf zeigen Sie aber, Frau Polat, dass Sie dieses Problem nicht erkannt haben; denn Sie haben eine Reihe von weiteren Verbänden aufgeführt. Sie können versichert sein - ich könnte sie alle vorlesen, möchte dies aber aus Zeitgründen nicht tun -, dass diese Auflistung nicht vollständig ist. Die Diskussion, welcher Verband und welche Gruppierung mit welcher Kompetenz dort mitarbeiten, hat damit keineswegs ein Ende gefunden. Man muss kein Prophet sein, um diese Aufzählung als unvollständig zu erkennen. Von daher müsste man meiner Meinung nach darüber nachdenken, ob dies eine glückliche Regelung ist oder ob man nicht auch zu anderen Regelungen kommen kann.

Herr Bachmann, in der letzten Landtagssitzung hat der Ministerpräsident ausgeführt, dass er und der Innenminister mit allen Mitgliedern der Kommission Gespräche führen werden. Ich bin sicher, dass diese Gespräche zu einem guten Ergebnis führen. Die Arbeit der Kommission ist nicht so schlecht, wie sie von Ihnen dargestellt wird. Im Gegenteil, die Arbeit kann sich auch im Vergleich mit anderen Bundesländern durchaus sehen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der niedersächsische Minister für Inneres hat in der letzten Sitzungswoche des Landtages die Zahlen vorgelegt. Bei der Härtefallkommission sind insgesamt 159 Eingaben eingegangen. 127 Fälle wurden zur Beratung angenommen, wovon sich 40 durch zwischenzeitlich nach der Altfallregelung erteilte Aufenthaltserlaubnisse und 13 anderweitig positiv erledigt haben. In zwölf Fällen ist die Beratung zurückgestellt worden, weil über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung noch nicht abschließend entschieden wurde. Der Härtefallkommission lagen im Berichtszeitraum 14 Fälle vor, die entscheidungsreif sind. In 17 Fällen ist vom Ministerium eine Stellungnahme erbeten worden. Die Härtefallkommission hat bis heute über insgesamt 31 Fälle entschieden. Davon wurde in 18 Fällen ein Härtefallersuchen gestellt, in 13 Fällen nicht. Bei den 18 Fällen von Härtefallersuchen hat der Innenminister in 14 Fällen angeordnet, dass die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Lediglich in vier Fällen wurde der Antrag abgewiesen. - So viel zu den Zahlen.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Kommission am 19. Februar 2009 keine Fälle bearbeitet und ihr weiteres Arbeiten an Bedingungen geknüpft hat, obwohl es um die konkrete Situation von Personen gegangen ist, bei denen sich alle Kommissionsmitglieder über das Bleiberecht einig gewesen sind. Nach ersten Gesprächen hat die Kommission die Arbeit allerdings wieder aufgenommen und einvernehmlich positive Entscheidungen getroffen.

Der Erfolg der Härtefallkommission bemisst sich übrigens nicht nur an den Zahlen. Der Erfolg der Arbeit bemisst sich auch nach dem Inhalt und danach, ob nach einer schwierigen Abwägung unter Berücksichtigung besonderer Umstände einer Familie, einer Einzelnen oder einem Einzelnen ein Aufenthaltsrecht zugebilligt wird. Wenn man sich das klarmacht, ergibt sich, dass die Arbeit der Kommission, was die konkrete Situation der Betroffenen angeht, sicherlich erfolgreich war.

Die Verordnung über die Härtefallkommission in Niedersachsen nach dem Aufenthaltsgesetz tritt gemäß § 9 am 31. Dezember 2009 außer Kraft. Die Arbeit sollte dann evaluiert werden. Im Übrigen haben die Gespräche zwischen dem Ministerpräsidenten, dem Innenminister sowie den Mitgliedern der Härtefallkommission in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden. Dieser Dialog wird fortgesetzt. Ich bin mir sicher, dass man einvernehmlich zu einer guten Lösung kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die jetzigen Mitglieder der Kommission im Interesse der betroffenen Menschen beraten und entscheiden.

Wir als CDU-Fraktion bedanken uns bei den Mitgliedern der Kommission selbstverständlich für die bisherige Tätigkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Oetjen hat eben gesagt, dass man über bestimmte Einzelheiten nachdenken muss und dass man über bestimmten Einzelheiten auch sprechen kann. Ich bin ganz sicher, dass der Ministerpräsident und der Innenminister mit allen Mitgliedern der Härtefallkommission sprechen werden. Ich bin ganz sicher, dass man dann auch zu einem vernünftigen Ergebnis kommt. Ich bin auch ganz sicher, dass das, was wir zu diskutieren haben, in ein vernünftiges Fahrwasser kommt und dass wir die Arbeit der Härtefallkommission, die am 31. Dezember 2009 ausläuft, auf der Grundlage einer einvernehmlichen Regelung nach dem genannten Zeitpunkt fortführen können. Für ein Härtefallkommissionsgesetz besteht weder heute noch

in Zukunft Anlass oder Grund. Was zu regeln ist, können wir auf dem bewährten Wege, den wir bisher beschritten haben, regeln. Die einschlägigen Gespräche werden wir in aller Sorgfalt führen.

Ich bedanke mich an dieser Stelle einmal ausdrücklich beim Innenminister. Angesichts dessen, was ihm manchmal vorgehalten wird, muss ich sagen: Wenn er sich gegenüber Asylsuchenden, gegenüber Menschen, die sich an die Härtefallkommission wenden, gegenüber irgendwelchen Bürgerinnen und Bürgern im Lande und auch gegenüber Oppositionspolitikern so äußern würde, gäbe es einen lauten Aufschrei. So, wie Sie ihn behandeln, kann er Sie selbstverständlich nicht behandeln. Das wird er auch nicht tun, weil das nicht sein Stil ist. Ich würde bei der Auseinandersetzung einmal darüber nachdenken.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Da lacht so- gar der Innenminister! - Weitere Zuru- fe)

- Herr Bachmann, ich habe Sie gemeint. Denken Sie, wenn Sie den Innenminister angreifen, immer daran, dass auch der Ton die Musik macht.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister Schünemann hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ganz soft, bitte! - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das Seelchen redet!)