Es ist zweifelsohne richtig und wichtig, dass es mehr nicht deutschstämmige Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wir werden deshalb diesem Antrag zustimmen, Herr Bachmann, weil es wichtig ist, dass wir dieses Thema verstärkt in das politische Rampenlicht rücken.
Nun hat sich Frau Kollegin Dr. Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wesentlichen Argumente sind ja bereits ausgetauscht. Lassen Sie mich daher die Argumentationskette der Regierungsfraktionen noch einmal etwas näher beleuchten. Ich finde, das lohnt sich.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass man mit Kategorien wie Logik oder Verstand dieser tollkühnen Argumentationskette nicht gerecht werden kann, dann hätte jeder, der den Ausschuss besucht hat, jegliche Zweifel beiseite geschoben. Viele dieser Argumente haben Sie, Herr Nacke, hier wieder angeführt. Da ist ja wirklich alles dabei: Es gibt moralische und verfassungsrechtliche Bedenken. Da geht es um so etwas wie Wettbe
werbsverzerrungen nach dem Motto „Jeder Lehrer mehr ist ein Ingenieur weniger“ bis hin zum grundsätzlichen Anzweifeln der Integrationswirkung von Lehrkräften mit Migrationshintergrund.
Sie haben im Ausschuss ausgeführt, ein Bewerben der Lehramtsstudiengänge an Schulen stelle eine unzulässige Beeinträchtigung dar - dies haben Sie eben in ähnlicher Weise wiederholt -, weil sich Migranten dann moralisch verpflichtet fühlen könnten, Vorbildfunktionen als Lehrer zu übernehmen, statt nach den lukrativen Ingenieurberufen zu greifen.
Ich wäre gerne dabei gewesen, als der Ministerpräsident in Ihrer Fraktion die ethischen Folgen der IdeenExpo diskutiert hat; denn da wurden Ingenieursstudiengänge und Naturwissenschaften beworben.
Wo ist da der Unterschied? - Es muss also so etwas wie eine Art koalitionsinternes Mangelabsolventenranking geben, bei dem offensichtlich Ingenieure wichtiger als Lehrer sind, sodass man Ersteren gelegentlich auch einmal ein unmoralisches Angebot machen darf.
Auch bei der rechtlichen Bewertung zeigen sich CDU und FDP, finde ich, an dieser Stelle hochflexibel. Die Vergabe von Stipendien an Migranten oder die besondere Berücksichtigung von Migranten bei Referendarstellen halten CDU und FDP an dieser Stelle für verfassungsrechtlich bedenklich. Ähnliche Delikte lässt man dem Wissenschaftsminister, der Frauenförderprogramme an Hochschulen deckt oder im Rahmen des Hochschulpaktes gar Gender-Prämien für Frauen in MINT-Fächern auszahlt, einfach so durchgehen.
Zu guter Letzt hieß es dann - auch dies haben Sie hier wiederholt, Herr Nacke -, Lehrer mit Migrationshintergrund als Brückenbauer bei der Integration ausländischer Schüler zu bezeichnen, würde im Umkehrschluss bedeuten, dass deutsche Lehrer ohne Migrationshintergrund ausländische Schüler benachteiligen würden, und das sei nicht hinnehmbar. Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass Sie selbst vor dem Instrument der Selbstverleugnung nicht haltmachen, wenn es darum geht, die Opposition zu widerlegen. Es ist gerade einmal zwei Monate her, da haben Sie hier im Plenum einen Antrag verabschiedet, in dem es heißt - ich darf zitieren -:
„die die Kulturen und Lebensweisen hier lebender Menschen mit Zuwanderungsgeschichte kennen, sind selbst ein Zeichen erfolgreicher Integration und werden zugleich zu mehr Integration und Verständigung beitragen.“
Damals haben Sie also genau das beschlossen, was Sie jetzt am Antrag der SPD-Fraktion in seiner Wirkung infrage stellen.
Werte Kollegen von CDU und FDP, solange dieses Niveau der Argumentation beibehalten wird, kann es mit Ihrer Bildungspolitik nichts werden.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Klaus- Peter Bachmann [SPD]: Das muss am Integrationsminister liegen!)
Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Nacke von der CDU-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Heinen-Kljajić, ich kann nachvollziehen, dass Sie nicht möchten, dass ich das hier noch einmal ausführe. Sie haben mir eine Frage gestellt, nämlich: Was ist der Unterschied zwischen der IdeenExpo sowie dem Werben um MINT-Fächer - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - und dem, was in dem Antrag gefordert wird? - Dies möchte ich Ihnen gerne erklären: Die IdeenExpo, liebe Frau Kollegin, richtet sich an alle jungen Menschen, ganz gleich welcher Herkunft sie sind und welchen Hintergrund sie haben. Alle jungen Menschen sind herzlich willkommen, Ingenieure im Bereich der MINT-Fächer zu werden.
Ich sage Ihnen noch etwas: Alle jungen Menschen sind herzlich dazu aufgerufen, ein Lehramt zu studieren, weil wir sie ganz dringend brauchen. Ich hätte mir dringend gewünscht, wenn vor ein paar
Jahren intensiver Werbung für das Lehramt gemacht worden wäre; denn dann hätten wir die Probleme nicht, die wir heute haben. „Faule Säcke“ sind sie genannt worden. Das ist der Hintergrund!
Dies jetzt miteinander zu verknüpfen, ist falsch. Man hat wirklich das Gefühl, Sie haben sich mit der Frage der IdeenExpo wirklich nicht nachhaltig beschäftigt.
Sehr geehrter Herr Nacke, wenn man einen Mangel in bestimmten Berufen, bei Absolventen oder Ähnliches feststellt, dann hat diese Landesregierung - viele andere Landesregierungen tun dies ebenfalls, und auch wir stellen dies in unseren Anträgen zum Teil fest - zwei Möglichkeiten zu handeln: Das eine ist, bestimmte Fächer oder bestimmte Berufe zu bewerben. Das andere ist, Menschen, die man in bestimmten Berufen haben möchte, mit positiver Sanktionierung sozusagen das Berufsfeld bzw. die Ausbildung attraktiver zu machen.
Der Unterschied ist, dass Sie das zwar bei bestimmten Berufsfeldern zulassen, aber ausgerechnet bei Migranten für das Lehramt nicht. Erklären Sie mir einmal, wieso es z. B. beim Anwerben von Migranten für den Polizeidienst völlig in Ordnung ist, was beim Anwerben von Migranten für das Lehramt nicht statthaft sein soll.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion greift ein Minimosaik für ein insgesamt sehr wichtiges Thema heraus. Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist selbstverständlich ein bedeutendes Thema für uns alle,
aber bitte gesamtgesellschaftlich betrachtet und nicht nur in Bezug auf eine Berufsgruppe. Dies ist, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, der wesentliche Fehler Ihres Antrages. Sie greifen sich eine Berufsgruppe heraus - in diesem Fall die Lehrerinnen und Lehrer - und stellen dann vier ungefähre und ungenaue Forderungen auf. Das, meine Damen und Herren, ist dann ein wunderbarer Antrag, um ihn zielorientiert einzusetzen, z. B. im Wahlkampf. Der Kollege Nacke hat bereits darauf hingewiesen. Das ist aus der Sicht meiner Fraktion Schaufensterpolitik. Deswegen werden wir diesen Antrag entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses ablehnen.
Meine Damen und Herren, sicherlich ist es richtig, dass zu wenige Migrantinnen und Migranten das Gymnasium besuchen. Daraus folgt, dass diese Gruppe dann auch an den Hochschulen unterrepräsentiert ist. Die Ursache dafür liegt aber in der frühkindlichen und Primarbildung. Da hat diese Landesregierung mit den Fraktionen von CDU und FDP in der Vergangenheit einen deutlichen Schwerpunkt gesetzt. Daran werden wir weiterarbeiten.
Aus ihren Zahlen ergibt sich übrigens, dass die Migrantinnen und Migranten schon heute überdurchschnittlich bei den Lehramtsstudierenden vertreten sind. Im Verhältnis haben wir dreimal mehr Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund als Abiturienten.
Interessant und geradezu grotesk wird es, wenn die SPD fordert, die Migranten sollten weniger Ingenieurwissenschaften studieren. Das geht nun wirklich völlig an der Realität vorbei. Wirtschaft und Politik versuchen jeden Tag händeringend, Ingenieurnachwuchs zu gewinnen. Wir überlegen uns Mittel und Wege, wie wir Schülerinnen und Schüler schon von Anfang an für Ingenieurwissenschaften begeistern können, unabhängig von der Herkunft. Jetzt kommt die SPD und versucht, diese jungen Menschen davon abzubringen. An diesem Punkt wird der Antrag dann wirklich schädlich für unser Land.
Für die FDP-Fraktion gilt: Wir müssen die Potenziale von Migrantinnen und Migranten für ihre Entwicklung und die unseres Landes insgesamt besser nutzen. Wir müssen bei der Suche nach neuen
Herzlichen Dank, Herr Grascha. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Stratmann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle zunächst einmal fest - insofern brauche ich dazu keine weiteren Gründe anzuführen -, dass wir uns im Ziel einig sind. Ausländische Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind in der Tat eine Bereicherung. Sie sind - da zitiere ich aus Ihrem Antrag - auch so etwas wie Brückenbauer für unsere Schulen. Zahlreiche Lehrkräfte und Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger aus osteuropäischen Staaten, die vielfach naturwissenschaftliche Fächer unterrichten können, arbeiten bereits an unseren Schulen. Wir freuen uns insbesondere darüber, dass es im naturwissenschaftlichen Bereich mehr Anfragen gibt. Wir freuen uns natürlich über jeden, der zusätzlich an unsere Schulen kommt.
Wir haben in Niedersachsen mittlerweile auch Programme, die dazu beitragen sollen, den Anteil der Lehramtsstudenten insbesondere in den Mangelfächern zu erhöhen. Ich sage hier sehr deutlich, dass es dabei nicht um eine Differenzierung zwischen denen, die einen Migrationshintergrund haben, und denen geht, die keinen solchen Hintergrund haben. Es geht uns darum, dass wir es schaffen, alle, die dafür infrage kommen, für den, wie ich finde, wichtigsten Beruf überhaupt zu begeistern.
Dabei ist es selbstverständlich, dass man für den Fall, dass man es mit potenziellen Interessenten mit Migrationshintergrund zu tun hat, auf die besonderen Interessen dieser Menschen eingeht. Ich glaube, das bedarf keiner weiteren Ausführung.
Um beispielsweise gerade junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte für den Lehrerberuf zu interessieren, ist es nach meiner Auffassung erforderlich, das Berufsbild des Lehramtes insbesondere bei Migrantenfamilien zu verbessern. Deshalb wird an dieser Stelle auch angesetzt.