Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Damit ich jetzt keinen Fehler mache, frage ich, ob sich auch Frau Meißner zu einer Kurzintervention gemeldet hat. - Nein, das ist nicht der Fall. Dann erteile ich Frau Staudte das Wort zu einer Kurzintervention auf Herrn Focke. Sie haben das Wort. Anderthalb Minuten!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Focke, ich habe den Eindruck, Sie haben unseren Antrag nicht richtig gelesen oder ihn nicht richtig verstanden. Wir fordern sowohl die Einzelintegration als auch die Gruppenintegration, genauso wie es für den Bereich der über Dreijährigen geregelt ist. Als wir

unseren Antrag im Ausschuss vorgestellt haben, haben die Fraktionen in der Tat sehr einmütig reagiert. Wir waren schon froher Hoffnung und dachten, das könnte etwas werden. Dann hat man sich aber nicht intensiv genug mit dieser Materie befasst, sondern sich völlig einseitig auf die Beratung durch die zuständige Mitarbeiterin des Sozialministeriums verlassen. Man hat nicht einmal auf die Mitarbeiterinnen des Kultusministeriums gehört, die dazu eigentlich eine ganz andere Auffassung hatten und sich sehr wohl für unseren Antrag ausgesprochen haben. Es stimmt einfach nicht, dass es rechtlich nicht möglich ist, eine solche Durchführungsverordnung zu ändern. Wir sind doch das Parlament und können solche rechtlichen Vorgaben machen.

Ich habe eher den Eindruck, dass wir uns im Weitsprung üben, während Sie auf der Stelle hüpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Herr Focke möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten, Herr Focke!

Liebe Frau Groskurt, vielen Dank für Ihre Äußerung. Nichtsdestotrotz muss ich an dieser Stelle sagen: Uns geht es um das Ziel. Das Ziel haben wir fest im Auge. Es geht darum, das Ziel langfristig auf einer guten Grundlage anzupeilen, damit wir es hier wirklich schaffen, das Ganze zu festigen. Wir sollten nicht einem Antrag zustimmen, auch wenn wir ihn lange und intensiv diskutiert haben, sondern wir wollen das Ganze weiter fassen. Wir sind froh, dass wir den Auftrag zur Prüfung des Modellversuchs hineingeschrieben haben. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 30. März 2009 stand, dass die Bahlsen-Stiftung in dieser Richtung etwas macht. Das finde ich ganz toll. Mit Sicherheit wird das Ministerium dies aufgreifen und auf die Ergebnisse zurückgreifen. Es ist eine wunderbare Sache, was hier im Land vor sich geht. Von daher sind wir hier auf einem guten Weg.

Frau Staudte, ich habe Ihren Antrag sehr gut gelesen und mich von Anfang an mit ihm beschäftigt. Wir haben einen Änderungsantrag dazu vorgelegt. Am Anfang habe ich gedacht, dass wir die Grünen auf eine gute Reise und auf einem langfristigen Weg mitnehmen, um das Ganze für die Kinder mit

Behinderung abzusichern. Leider war es zum Schluss nicht der Fall. Ich finde das schade. Aber vielleicht haben Sie jetzt die Chance mitzustimmen. Das wäre ein gutes Signal.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat Frau Ministerin Ross-Luttmann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Mädchen und Jungen in Niedersachsen sollen die besten Zukunftschancen haben.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Menschen mit Behinderungen besonders am Herzen. Ich mache es an Folgendem fest: Wenn ich Menschen mit Behinderung in einer Werkstatt arbeiten sehe, wenn ich ihren Mut und ihre Zuversicht spüre, wenn ich ihren Stolz auf ihre Arbeitsleistung und auf ihre Arbeit selbst bemerke, dann habe ich davor Respekt. Diese Menschen sind Vorbilder.

(Beifall bei der CDU)

Ich erlebe die hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen und wie sie den ihnen anvertrauten Menschen zugewandt sind. Davor habe ich Respekt. Ich rede mit Eltern von Kindern, die eine Behinderung haben, und sehe, wie sie sich für ihre Kinder einsetzen und die beste Hilfe suchen. Auch davor habe ich Respekt. Aus diesem Grund setze ich mich ganz entschieden für die gleichberechtigte Teilhabe aller ein.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben rund 1,4 Milliarden Euro im Landeshaushalt für Eingliederungshilfe, für Hilfe für Menschen mit Behinderung, die direkt bei den Menschen ankommen. Genau das ist der Punkt.

Wenn wir jetzt über die Frage der Integration in Krippen sprechen, dann können wir alle an dieser Stelle nur gemeinsam sagen: Menschen mit und ohne Behinderung müssen natürlich auch den gleichen Zugang zu unserem Betreuungssystem haben.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Den haben sie aber nicht!)

In den Kindergärten haben wir eine ganz hervorragend funktionierende Einzelintegration und Gruppenintegration.

In Bezug auf den Krippengipfel, dessen Ergebnisse wir zurzeit ganz aktiv und energisch umsetzen - dafür stellen wir 460 Millionen Euro bis 2013 bereit -, müssen wir sagen: Wir sind im Aufbau. - Unsere Kommunen, die Wohlfahrtsverbände, die Kirchen und freie Träger bauen Krippenplätze. Damit einhergehend brauchen wir eine gute und verlässliche Betreuung für Kinder ohne und für Kinder mit Behinderung. Eines ist auch Faktum: Gegenwärtig gibt es kein unversorgtes Kind unter drei Jahren mit einer Behinderung in einer Betreuungseinrichtung. Das ist die Aussage, die ich aus dem Ministerium bekommen habe.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Wie bitte?)

Das heißt, jedes Kind hat gegenwärtig die Möglichkeit, an einer Tagesbetreuung teilzunehmen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Dann weiß das Ministerium das nicht! Die Eltern sagen etwas anderes!)

- Nein, das kann gar nicht sein. - Ich möchte gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern der Krippen natürlich darüber sprechen, wie wir die Integration für Kinder unter drei Jahren hinbekommen. Ich möchte, dass unsere Kleinen und Kleinsten, ob mit oder ohne Behinderung, die gleichen Zugangsmöglichkeiten haben und dass wir flächendeckend möglichst schon zum nächsten Kindergartenjahr eine Betreuung der Kinder mit Behinderung unter drei Jahren in einem Modellversuch ermöglichen können, und zwar sowohl im Rahmen der Einzelintegration als auch im Rahmen der Gruppenintegration. Hierzu laufen gegenwärtig die Abstimmungsgespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden.

(Beifall bei der CDU - Reinhold Hil- bers [CDU]: Sehr gut! - David McAl- lister [CDU]: Sehr überzeugend! - Gudrun Pieper [CDU]: Wenn wir das schaffen, bringen wir alles auf den Weg!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Ende der Beratungen und kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/267 in geänderter Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: a) Neuordnung der Grundsicherung für Arbeitsuchende: Ja zu den „Zentren für Arbeit und Grundsicherung“ - Ja zu den Optionskommunen - Ja zur zügigen und kompetenten Betreuung aus einer Hand - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1051 - b) Reform der Jobcenter darf nicht scheitern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1108 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/1232

Die Beschlussempfehlung lautet zu a und b auf Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser gemeinsamer Appell an die Bundesebene, die Zukunft der Jobcenter noch vor der Bundestagswahl gesetzlich verfassungsrechtlich abzusichern, ist leider ungehört verhallt. In Berlin bewegt sich zu diesem Thema vor der Wahl offenbar nichts mehr. Damit verkommt dieses ungelöste Problem zum Wahlkampfthema. Das ist nicht nur deprimierend, sondern, wenn ich ehrlich bin, ein Armutszeugnis für die Großkoalitionäre im Bund.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Und auf Landes- ebene!)

Diese Agonie geht eindeutig zulasten der Betroffenen. Dies sind die Beschäftigten der Jobcenter, die sich nun angesichts der ungewissen Zukunft der Argen anders orientieren, zum Teil schon gekündigt haben oder weggegangen sind, und auch die Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger, die wieder mit unzureichendem, vermutlich neuem und

zeitlich befristetem Personal konfrontiert werden, mit allen Folgen für fehlerhafte Bescheide. Die Flut von Klagen gegen ALG-II-Bescheide ist ja nicht nur mit den zugegebenermaßen auch handwerklichen Fehlern der Gesetzgebung zu erklären, sondern in nicht unbeträchtlichem Ausmaße mit fehlerhaften Entscheiden, die ausschließlich auf unzureichend qualifiziertes Personal zurückzuführen sind.

Herr Jüttner hat hier in der letzten Debatte zu diesem Thema sinngemäß gesagt: Wenn nicht schleunigst ein Kompromiss gefunden wird, wird bei den Argen in den nächsten Wochen alles auseinanderfliegen. - Das wird wirklich schlimm werden. Die Verantwortung für diese Situation trägt nun einmal die Große Koalition in Berlin, in persona Frau Merkel und Herr Kauder, aber auch Herr Scholz und die SPD, die sich in Sachen Optionskommunen nicht bewegen wollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang kann man Folgendes voraussagen: Für Herrn Scholz wird die Situation, je länger sich dieser Streit hinzieht, aus seiner Sicht immer komfortabler. Nach meinem Eindruck will er nämlich zurück zur getrennten Aufgabenwahrnehmung. Dazu, Herr Watermann, brauchte es ja auch keine Verfassungsänderung, und die Zuständigkeit der jetzt optierenden Kommunen für das ALG II könnte schlicht einfachgesetzlich verlängert werden.

Ob und wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Verfassungsänderung nach dem Karlsruher Urteil will, steht letztlich ebenfalls noch nicht fest. Wahrscheinlich wird erst das Ergebnis der Bundestagswahl zeigen, wie es hier weitergehen kann.

Leider werden wir jetzt zu diesem Thema Wahlkampfgetöse erleben. Wir sind allerdings der Meinung, dass sich dieses Thema dazu überhaupt nicht eignet.

(David McAllister [CDU]: Ihre Rede ist ja kein Getöse!)

Erklären Sie den betroffenen Menschen, was dieser Streit auf Bundesebene soll! Für die Menschen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, was sich dort abspielt.

Meine Damen und Herren, die Lage ist verfahren. Wir waren in Niedersachsen gemeinsam immer anderer Meinung und haben uns auf einen gemeinsamen Weg begeben.

(David McAllister [CDU]: Das wissen wir!)

Uns liegt eine Beschlussempfehlung des Fachausschusses vor, die etwas hinter unseren Ursprungsantrag zurückgeht, mit der wir aber gut leben können.

(David McAllister [CDU]: Na also!)

Bewirken wird sie - das ist nüchtern zuzugeben - vor der Wahl wohl nichts mehr. Gleichwohl sollten wir unseren gemeinsamen Willen hier noch einmal bekräftigen.