Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 3. April 2008 war im Norddeutschen Handwerk, der Wirtschaftszeitung der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachen, zu lesen, dass sich das Finanzamt Osterholz-Scharmbeck durch einen Ein-Euro-Jobber in einem halben Jahr sämtliche Räume habe streichen lassen. Der Malergeselle habe durch die kreiseigene Arbeitsver
mittlung ProArbeit den Job als „Hilfshausmeister“ vermittelt bekommen, in der Stellenbeschreibung seien allerdings keineswegs Malerarbeiten in diesem Umfang enthalten. Im März 2005 sei der Antrag des Finanzamts bewilligt worden. Zur gleichen Zeit suchte in der Region ein Malermeister dringend einen Gesellen, wobei dieser von ProArbeit eine Absage erhielt, weil es keine entsprechenden Arbeitslosen gebe.
Die Vergabe von Ein-Euro-Jobs folgt einem konkreten Handlungsrahmen, der vorschreibt, dass diese Arbeiten im „öffentlichen Interesse“ und „gemeinnützig“ sein müssen und vor allem „reguläre Beschäftigungsverhältnisse nicht verdrängen oder beeinträchtigen“ dürfen. Nach diesen Kriterien ist schon die Bewilligung des Antrags fragwürdig und die Ausnutzung des Arbeitnehmers durch das Finanzamt nicht mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar.
Daneben gilt der Grundsatz, dass jederzeit in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln ist, auch aus laufenden Fortbildungen oder Ein-Euro-Jobs.
1. Ist ihr dieser Fall bekannt, und welche Maßnahmen hat sie als Konsequenz ergriffen, damit sich derartige Vorgänge nicht wiederholen?
2. Wie viele und welche Art von Ein-Euro-Jobs sind in den verschiedenen Geschäftsbereichen der Landesverwaltung und in Landesbetrieben derzeit an Personen mit welcher Ausbildung vergeben?
3. Wie sichert die Landesregierung im eigenen Geschäftsbereich und in den Landesbetrieben die Einhaltung der genannten Vorgaben bezüglich EinEuro-Jobs für den Arbeitsmarkt, die nicht nur sozial- und wirtschaftspolitisch, sondern letztendlich auch für die Steuerschöpfung von großer Bedeutung sind?
(Beifall bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD] bespricht sich mit meh- reren Mitgliedern seiner Fraktion an seinem Sitzplatz)
Herr Jüttner, wenn es um kleine Fraktionssitzungen geht, möchte ich bitten, dass sie draußen abgehalten werden. Das stört sonst den Ablauf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angenommen, der Vorgang hätte sich so abgespielt wie in der Zeitung dargestellt und in der Frage unterstellt und ich hätte davon erfahren, dann hätte ich das sofort abgestellt, weil das, wenn es so gewesen wäre, nicht zulässig gewesen wäre. Das hätte damit so nicht stattfinden dürfen. Der Vorgang lag zwischen August 2005 und Februar 2006, das Ganze ist also schon ein bisschen länger her.
Grundsätzlich ist es ausgesprochen erwünscht, dass auch das Land, wie andere Arbeitgeber auch - öffentliche Hand oder private -, in geeigneten Bereichen Zusatzjobs anbieten und so einen Beitrag zur Integration von Langzeitarbeitslosen leisten. Diese Zusatzjobs müssen aber auch in diesen Fällen nach SGB II stets im öffentlichen Interesse liegen, zusätzlich und wettbewerbsneutral sein. Diese Voraussetzungen lagen bei der Beschäftigung des Ein-Euro-Jobbers im Finanzamt vor; genau genommen hat er 1,15 Euro je Stunde bekommen.
Die öffentliche Hand ist aufgrund ihrer Bindung an das Allgemeinwohl geradezu aufgefordert, erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen Hilfe zur Aufnahme einer Beschäftigung anzubieten. So hat der EinEuro-Jobber den Hausmeister des Finanzamtes als Hilfskraft zeitlich befristet unterstützt und damit lediglich zusätzliche Arbeiten geleistet, die reguläre Beschäftigungsverhältnisse nicht verdrängt haben. Er hat den Hausmeister in seinen Aufgaben, z. B. bei der Gartenarbeit, d. h. beim Heckeschneiden, Rasenmähen, Laubharken usw., bei der Müllentsorgung, bei der Aktenvernichtung bzw. bei der Aussortierung von Altakten - also Sortierarbeiten im Keller - und auch bei internen Umzügen, d. h. wenn Mitarbeiter von einem Raum in einen anderen umziehen mussten, unterstützt. Im Zusammenhang mit diesen Umzugsmaßnahmen hat er auch gemeinsam mit dem Hausmeister Malerarbeiten ausgeführt. Nach Auffassung des Landkreises Osterholz - hier das Sozialamt, im Vermerk vom 7. April 2007 - sind zusätzliche Malerarbeiten als Regelaufgaben eines Hausmeisters anzusehen und damit auch einer Unterstützungskraft zumutbar. Dies war in diesem Fall auch durchaus erwünscht, weil er gelernter Maler war. Wer Behörden kennt, der weiß, dass kleinere Malerarbeiten dort gelegentlich von den Hausmeistern durchgeführt werden.
Dass die Arbeiten des Ein-Euro-Jobbers lediglich Unterstützungshandlungen waren, ergibt sich auch daraus, dass das staatliche Baumanagement während seines zeitlich befristeten Einsatzes vom 22. August 2005 bis zum 21. Februar 2006 Aufträge für Malerarbeiten im Sitzungssaal und in acht weiteren Finanzamtsräumen vergeben hat. Diese sind also nicht von ihm durchgeführt worden, sondern regulär von einer Firma. In diesen Räumen mussten die Teppichböden ausgetauscht und die Räume entsprechend saniert werden. Dieser Auftrag ist ganz regulär an eine Malerfirma vergeben worden.
Ob der Ein-Euro-Jobber während der Ausführung seiner Unterstützungshandlungen im Finanzamt tatsächlich bei einem örtlichen Malerbetrieb hätte eingesetzt werden können, ist nicht mehr festzustellen. Ich darf dazu aus einem Vermerk des Landkreises Osterholz - hier wieder vom Sozialamt - vom 7. April 2008 zitieren:
„Nach seiner persönlichen Mitteilung hat der ortsansässige Handwerksbetrieb das Stellenangebot an die Agentur für Arbeit und an die ProArbeit gegeben und von beiden Stellen Absagen erhalten. Aufgrund der Softwareumstellung im Jahre 2005 ist bei der ProArbeit nicht mehr nachvollziehbar, ob und wann der Arbeitgeber Anfragen an die ProArbeit gestellt hat.
Der Erstkontakt mit dem Hilfeempfänger ist im Juli 2005 erfolgt. Im Rahmen der Eingliederungsbemühungen hat der Hilfesuchende auch das Bewerbungscenter aufgesucht. Offensichtlich ist weder im Bewerbungscenter noch im Rahmen der Arbeitsvermittlung das Stellenangebot des örtlichen Handwerkers zur Kenntnis gelangt. Auch die BA hat offensichtlich keine geeigneten Bewerber mitgeteilt.“
Ich darf Ihnen mitteilen, dass der Malerbetrieb, der sich aus zwei Gründen über das Vorgehen beschwert, den betroffenen Maler inzwischen in der Zeit vom 3. März 2008 bis zum 31. März 2008 im Rahmen einer Jugendmaßnahme beschäftigt hat. Es war allerdings ein unentgeltliches Praktikum. Er hat ihm also nichts bezahlt. Zu einer Einstellung des Klienten ist es allerdings noch nicht gekommen. Vielmehr ist auf Betreiben des Handwerksbe
triebs lediglich eine weitere Verlängerung des Praktikums bis zum 30. April 2008 erfolgt - unentgeltlich. Ob es später zu einer Einstellung kommen wird, ist aus der Sicht der zuständigen Fallmanagerin noch nicht gesichert.
Zu Frage 1: Der Fall war mir unbekannt. Nach den bisherigen Ermittlungen kann ich kein Fehlverhalten des Finanzamtes feststellen.
Zu Frage 2: Eine Umfrage in allen Geschäftsbereichen und allen Landesbetrieben war in der Kürze der Zeit nicht darstellbar. Die Frage datiert vom 7. April. Heute ist der 10. April. Das ist technisch nicht möglich. Wir haben aber versucht, es über das Arbeitsamt herauszubekommen. Landesweit gibt es bei den Trägern, die das SGB II in Niedersachsen umsetzen, also bei den 30 Arbeitsgemeinschaften und den vier Arbeitsagenturen mit getrennter Trägerschaft, etwa 17 000 Ein-EuroJobs. Darin sind die 13 Optionskommunen noch nicht enthalten. Für sie liegen auf Landesebene keine Daten vor. Man konnte uns auch nicht mitteilen, wie viele der 17 000 Ein-Euro-Jobber bei wem beschäftigt sind, weil es darüber keine Statistik gibt. Wir können diese Frage daher nicht beantworten.
- Doch, gerne. Aber ob der Aufwand lohnt, dass wir jetzt bei allen Behörden eine Umfrage darüber starten, wie viele Ein-Euro-Jobs wir haben,- - -
- Ich habe doch gar kein Problem damit. Es ist nur nicht innerhalb von drei Tagen machbar. Dann werden wir jetzt eine entsprechende Berichtspflicht herausgeben. Ob das sinnvoll ist? - Aber bitte, wir machen es gern. Selbstverständlich. Dieser Anspruch ist unstreitig, wenn das Parlament dies möchte. Ich habe hier auch schon einmal stundenlang Statistiken vorgelesen, weil Sie das unbedingt wollten.
- Herr Will, auch wenn Sie regieren würden, könnten Sie nicht in drei Tagen sämtliche Behörden abfragen und Antworten bekommen, die Sie dann
Zu Frage 3: Die Argen und Optionskommunen bewilligen den Landesbehörden als Maßnahmeträger die Arbeitsgelegenheiten für Ein-Euro-Kräfte. Mit der Bewilligung wird neben allgemeinen Regelungen wie z. B. zur Maßnahmedauer und Arbeitszeit auch die Stellenbeschreibung festgelegt, an der sich die Träger orientieren müssen. Die Dienststellen des Landes und die Landesbetriebe arbeiten eng mit den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen zusammen und beachten selbstverständlich die Vorschriften.
Darüber hinaus hat das Land bereits 2005 gemeinsam mit der Bundesagentur und den Sozialpartnern einen Leitfaden zur Umsetzung und Ausgestaltung von Zusatzjobs in Niedersachsen veröffentlicht, der als Handlungsempfehlung und Leitlinie für einen effizienten, wettbewerbsneutralen und sozial gerechten Einsatz der öffentlich geförderten Beschäftigung dienen soll. Dieser Leitfaden ist veröffentlicht und wird selbstverständlich angewandt.
Jetzt kommt die Bewährungsprobe dafür, auf einleitende Bemerkungen zu verzichten. Gelegenheit dazu hat der Abgeordneter Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE.
Darf ich einmal unterbrechen? Ich bitte, jetzt keinen Dialog zu führen, sondern Ihre Frage vorzutragen.
Ist es - - - Jetzt haben Sie es tatsächlich einmal geschafft. Das gestehe ich Ihnen zu. Sie haben es jetzt einmal geschafft, mich aus dem Konzept zu bringen. Aber das wird Ihnen nicht wieder gelingen.
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Noch einmal einen kurzen Blick! - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Bitte keine Vorbemerkungen!)
Die zentrale Frage, die uns beschäftigt, ist, wer die Tätigkeiten, die in der eiligen Anfrage der Grünen beschrieben worden sind, vor Einführung des SGB II beim Finanzamt erledigt hat. Denn Aktenvernichtung, Gartenarbeiten etc. mussten auch schon vorher erledigt werden.
Darüber hinaus ist es der Landesregierung anscheinend bekannt, dass mit der Einführung von sogenannten Ein-Euro-Jobs - - -
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was ist das denn? Das ist keine Frage! - Dr. Bernd Althusmann [CDU] - zu Hans-Henning Adler [LINKE] -: Herr Adler, was sagen Sie denn nun? Man sollte das relativ flexibel gestalten!)
Ist der Landesregierung trotz Ihrer Einleitung bekannt, dass durch die Einführung sogenannter Ein-Euro-Jobs keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse abgebaut werden dürfen? Darauf wünsche ich mir vor allen Dingen vor dem Hintergrund der Tatsache eine Antwort - - -
- Herr Präsident, können Sie nicht einmal dafür sorgen, dass auch ich meine Frage in Ruhe stellen kann?
Ich bitte, dem Abgeordneten die Chance zu geben, seine Frage - eigentlich sind das schon zwei - vorzutragen.
Meinen Sie nicht, dass es vor dem Hintergrund der geschilderten Tatsachen nicht an der Zeit ist, die sogenannten Ein-Euro-Jobs unverzüglich abzuschaffen?
Zur Klarstellung: Es sind zwei Fragen gestellt worden. Ich bin jetzt großzügig. - Ich bitte Herrn Minister Möllring von der Landesregierung, dazu Stellung zu nehmen.