Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrates zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/990 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag insofern abgelehnt.

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 16 und 17, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe:

Einzige (abschließende) Beratung: Lehren aus dem Fall Conti ziehen: Meldepflicht verschärfen und wirkungsvoll sanktionieren -

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/435 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/1290

Einzige (abschließende) Beratung: Keine Schließung der Lkw-Reifenproduktion der Continental AG in Hannover - Arbeitsmarktpolitische Instrumente nutzen und eine langfristige Strategie entwickeln - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1041 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/1291

Die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr lauten zu beiden Punkten auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten damit in die Beratung ein. Dazu erteile ich dem Kollegen Schostok von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sie alle haben die Empfehlungen des Ausschusses gelesen. Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP lehnen die Anträge von SPD und Grünen ab.

Die Konflikte in und um die Conti sind eine lange Geschichte. Auch seit Beginn der Legislaturperiode läuft erneut die Diskussion um die Zukunft der Continental AG. Zunächst war es das heimliche Anschleichen durch die Schaeffler KG und die geplante Übernahme der Continental AG. Spätestens mit der Wirtschafts- und Finanzkrise kamen die erheblichen Probleme von Schaeffler hinzu, diese Übernahme zu finanzieren. Zuletzt gab es die Schließungsabsicht der Continental AG für die Nutzfahrzeugreifenproduktion am Standort Hannover-Stöcken - und dies aus völlig heiterem Himmel!

Mittlerweile ist hier wieder ein zwölfmonatiger Krimi geschrieben worden. Das Ende ist sicherlich noch nicht vollständig absehbar. Die Fragen nach den Lehren stellen sich bereits jetzt. Dafür waren die Diskussionen im Ausschuss wirklich sehr lehrreich.

Wenn man diesen Krimi in Kapiteln beschreibt, kann man sagen, das erste Kapitel muss heißen: Darf Politik Bedingungen stellen? - Ein wesentli

cher Punkt, warum die Regierungsfraktionen unserem Antrag nicht zustimmen konnten, waren Bedingungen an das Unternehmen, die die Politik für die Gewährung von Bürgschaften oder anderen staatlichen Hilfen formulieren sollen. Sie lehnten es ab. Aber nach Wochen und Monaten der Diskussion stellten wir fest: In der Frage einer Bürgschaft für Schaeffler und Conti stellt Minister Rösler mittlerweile Bedingungen, die wir selbst fordern und ohne Zweifel unterstützen können. Das wären: Erstens. Der Sitz der Continental AG muss in Niedersachsen bleiben. Zweitens. Konzernteile wie die Rubber Group dürfen nicht ausgegliedert werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Oder Herr Hoppenbrock von der CDU-Fraktion in der gleichen Debatte: Die Übernahme müsse an gewisse Bedingungen geknüpft werden. - Wir fragen uns deshalb: Warum können Sie den Antrag an dieser Stelle dann eigentlich nicht unterstützen? - Vielleicht fällt uns dazu noch eine Antwort ein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Abgeordnete, das zweite Kapitel müsste heißen: Eine bedauerliche unternehmerische Entscheidung - die Schließungsankündigung der Continental AG. - Alle Welt regt sich darüber auf, dass eine Konzernführung aus heiterem Himmel, und zwar überraschend sowohl für den Aufsichtsrat als auch für Betriebsrat und Belegschaft, die Schließung einer ganzen Produktionslinie, der Nutzfahrzeugreifen in Hannover, verkündet, und dies, nachdem die Betriebsangehörigen jahrelang alles für den Erhalt des Standortes getan haben. Wochen zuvor war erst mit der Werksleitung eine Betriebsvereinbarung mit wirklich schmerzhaften Einschnitten, aber auch mit intelligenten Zukunftsprogrammen ausgehandelt worden.

Herr Dr. Rösler, Sie waren der Grund für unseren Antrag. Ich zitiere Sie. Sie sagten damals in der Süddeutschen und auch in anderen Zeitungen am 11. März: „Es handelt sich um eine unternehmerische Entscheidung, die wir sehr bedauern.“ Mein Eindruck ist, dass Gespräche mit dem Betriebsrat und den Beschäftigten Sie dann haben wortreicher werden lassen. Zumindest die Kommunikation der Betriebspartner sollte wieder angestoßen werden. Dafür haben Sie sich eingesetzt. Damit haben Sie wirklich das Richtige getan, Herr Dr. Rösler.

Auch wenn wir uns über das zwischen den Sozialpartnern im Betrieb - der Geschäftsleitung, der Gewerkschaft IG BCE und den Betriebsräten - erreichte Ergebnis freuen, ist es dennoch für Hunderte betroffene Beschäftigte, die sozialverträglich aus dem Betrieb scheiden müssen, sicherlich kein Grund zum Jubeln.

Gleichzeitig werden aber endlich die vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente, wie das der Kurzarbeit, genutzt. Und es wird mit einer gestaltbaren Perspektive für 2010 und für die folgenden Jahre eröffnet, dass es mit der Produktion nach Abklingen der Nachfrageeinbrüche am Nutzfahrzeugreifenmarkt am Standort Hannover weitergehen kann.

Sie müssen keine Kritik am unternehmerischen Handeln üben, wir können das aber. Es war ein unternehmerisches Handeln, das überhaupt keine Rücksicht auf öffentliche Belange nimmt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Anstatt die gesetzlichen Möglichkeiten der Kurzarbeit zu nutzen, wurden Kündigungen ausgesprochen. Auch wenn jetzt das Schlimmste verhindert ist - das muss einmal gesagt werden -: Dieses Beispiel hätte für die Unternehmenskultur in Deutschland wirklich eine Eisbrecherfunktion zum Schlechten gehabt. Die meisten anderen Unternehmen handeln in der Krise anders.

Ich komme zum dritten Kapitel. Es heißt: Nicht nur meckern, man muss auch loben. - Sie erinnern sich! Sie haben gestern bemängelt, dass wir kein einziges Lob ausgesprochen hätten. Das Engagement der Gewerkschaften, der Betriebsräte und der Kolleginnen und Kollegen der Continental AG ist großartig, und es ist ein Beleg für das erfolgreiche Konzept der Mitbestimmung und der Beteiligung im Betrieb.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hätten wir dieses alles nicht, würden zyklische Krisen teilweise ungebremst auf die Arbeitsmärkte durchschlagen, und sie würden sinnvolle Wertschöpfungsketten einfach zerstören. Die betriebliche Mitbestimmung ist kein Bremsklotz, sondern sie ist ein Instrument für sozial und wirtschaftlich verantwortungsvolle Unternehmensentscheidungen und für motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Rösler, Sie haben im Mai 2008 einmal gesagt, die FDP finde in der Wertediskussion nicht statt. Unser Eindruck ist, dass sich in der praktischen niedersächsischen Politik richtig viele Beispiele finden lassen, an denen man das erproben kann, an denen man diese Diskussion führen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich komme zum vorläufigen Schlusskapitel, das heißen müsste: Das darf nie wieder passieren. - Der Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert die Verschärfung der Meldepflichten und wirkungsvolle Sanktionsmaßnahmen. Das Ziel von mehr Transparenz an den Finanz- und Kapitalmärkten wird von der SPD deutlich unterstützt. Die weltweite Finanzarchitektur muss neu geordnet werden. Wir wollen starke und internationale Institutionen, die auch weltweit für Transparenz und Risikokontrolle sorgen.

Im Ausschuss war man sich über die Verschärfung von Sanktionen oder einen befristeten Wegfall des Aktienstimmrechts schon fast in der Sache einig. Selbst wenn dieser Antrag hier nun doch zur Ablehnung kommt, müssen wir das Ziel einer Bundesratsinitiative aus unserer Sicht weiterverfolgen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unsere Lehre muss sein: Es darf nach der Krise keine Rückkehr zu dieser Politik und zu den Verwerfungen durch risikoreiche Finanzmarktgeschäfte kommen. Das wäre ein ganz praktischer Beitrag zur Bewahrung der sozialen Marktwirtschaft.

Meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage, warum Sie trotz monatelanger Diskussionen im Ausschuss, trotz der Anmeldung von internem Beratungsbedarf in Ihren Fraktionen und trotz regelmäßiger Inaussichtstellung von eigenen Anträgen nun zu dem Schluss kommen, einfach nur alles abzulehnen, ist: Sie wollen einfach keine Festlegung zur Ausgestaltung der Instrumente der Wirtschafts- und Finanzpolitik vornehmen, damit Sie nach dem Überstehen der Krise sagen können: Weiter so! - Das wird aus unserer Sicht überhaupt nicht reichen.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Conti-Werk in Hannover-Stöcken schrumpft laut Einigungspapier mit dem Betriebsrat auf eine Produktionszelle zusammen. Ob sie über 2010 hinaus genutzt wird, steht leider noch in den Sternen. Hier wurde mit Bundeszuschuss für Ruhe im Wahljahr gesorgt, ohne die akute Gefährdung der in Hannover eng verknüpften Produktions- und Forschungskompetenz zu beheben. Das war noch keine erfolgreiche Operation, Herr Dr. Rösler, sondern allenfalls eine Beruhigungspille, die hier verabreicht worden ist.

Conti nutzt die Wirtschaftkrise als Anlass, um einen lange vorher einkalkulierten weiteren Rationalisierungsschritt durchzuziehen. Die Conti-Führung hat in den Aufschwungjahren in Billiglohnländern gezielt Überkapazitäten beim Reifenbau geschaffen. In der Abschwungphase sollen nun weniger profitable Altstandorte liquidiert werden, um die Rendite zu erhöhen. Die betriebswirtschaftlichen Gründe für eine Werksschließung, mit denen jüngst auch hier in Hannover argumentiert wurde, werden so künstlich vorher selbst erzeugt. Die Lkw-Reifenproduktion hier war und ist auch in Hannover profitabel zu machen. Da hat der Antrag der SPD-Fraktion völlig recht, und wir stimmen ihm zu.

Dieser Karawanenkapitalismus hat eine zerstörerische Eigendynamik, weil er in immer schnellerer Folge Produktionsstandorte nur so lange nutzt, wie sich weltweit kein günstigerer findet. Dieses Catchas-catch-can ohne faire Regeln ist dem Unternehmen Conti jetzt fast selbst zum Verhängnis geworden.

Die Vorgehensweise bei den Übernahmeversuchen von Conti durch die Schaeffler-Gruppe zeigt ebenso wie das Vorgehen von Porsche bei VW, dass auch der deutsche Kapitalmarkt unzulängliche Rahmensetzungen für das Transparenzgebot hat. Hier haben deutsche „Heuschrecken“-Familien zugeschlagen. Bestehende Meldepflichten und Sanktionsstrafen haben nicht verhindert, dass sich zwei deutlich kleinere Familieunternehmen heimlich an niedersächsische DAX-Konzerne heranschleichen konnten und sich im Hintergrund beinahe dominierenden Einfluss sicherten. Die neuen Entwicklungen, womöglich mit Rückabwicklung,

sind allein der Finanzmarktkrise geschuldet und kein Zeichen von Selbstheilungskräften der unvollkommen geregelten Freiheit in unseren Märkten.

Die soziale Marktwirtschaft braucht Fairness und Transparenz, damit alle Akteure erkennen, wer welche Absichten am Kapitalmarkt verfolgt. Was bei Conti und VW geschah, könnte jedem Großunternehmen bei uns passieren. Deswegen ist es wichtig, dass aus Niedersachsen eine entsprechende Initiative in den Bundesrat geht.

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren ohne durchschlagenden Erfolg versucht, die Möglichkeiten feindlicher Übernahmen zu reduzieren. Aber selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen hat das Vorgehen der SchaefflerGruppe im Nachhinein als rechtmäßig bezeichnet. Bei Porsche läuft die Prüfung noch.

Tatsächlich lassen sich also bislang mit legalen Tricks die bestehenden Meldeschwellen im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz sowie im Wertpapierhandelsgesetz umgehen. Die Verschärfung durch das neue Risikoabgrenzungsgesetz auf Bundesebene erhöht die Transparenz nicht in ausreichendem Maß. Dennoch will die Bundesregierung den Umfang der erfassten Finanzinstrumente nicht ausweiten. Selbst wenn tatsächlich einmal eine Meldepflicht verletzt und erfolgreich geahndet würde, schrecken die bisherigen geringen Sanktionsstrafen von maximal 200 000 Euro keinen Investor vor Verstößen ab. Darüber lacht doch die Porsche-Kasse!

Die deutsche Gesetzgebung reicht eindeutig nicht aus, die modernen Instrumente eines angelsächsisch geprägten Kapitalmarktes zu erfassen. - Herr Hoppenbrock zuckt zwar mit den Schultern. Aber Sie können etwas tun: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ich sage noch etwas dazu! - Reinhold Coenen [CDU]: Da kommt noch was!)

Wir in Niedersachsen haben dazu die leidvollen Erfahrungen machen müssen. Deshalb sollten wir jetzt gemeinsam auf Bundesebene dafür sorgen, die zu laschen Rahmensetzungen endlich zu verschärfen. Für alle Investoren sind Regeln zu schaffen, damit der deutsche Kapitalmarkt fair und transparent wird.