Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Wir in Niedersachsen haben dazu die leidvollen Erfahrungen machen müssen. Deshalb sollten wir jetzt gemeinsam auf Bundesebene dafür sorgen, die zu laschen Rahmensetzungen endlich zu verschärfen. Für alle Investoren sind Regeln zu schaffen, damit der deutsche Kapitalmarkt fair und transparent wird.

Stimmen Sie unserem Antrag heute doch noch zu, damit wir wenigstens ein bisschen aus den Problemen gelernt haben!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Hoppenbrock von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu den Meldepflichten, und zwar zu Punkt 16. Mein Kollege Dr. Matthiesen wird anschließend zu Punkt 17 Stellung nehmen.

Meine Damen und Herren, wir alle erinnern uns sicherlich: Ohne Vorwarnung hieß es im vergangenen Herbst: Entweder wir kriegen die ContiAnteile, oder es gibt eine feindliche Übernahme. - Die Botschaft kam aus Herzogenaurach. Wir alle hätten natürlich gerne vorher gewusst, dass sich Frau Schaeffler auf Continental fixiert hatte.

Die Frage ist: Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, über zusätzliche Regelungen eine gut geplante, eine verdeckte Übernahme, ein Anschleichen zu verhindern? - Die Grünen meinen Ja und wollen über eine Bundesratsinitiative die Meldepflichten und die Sanktionsmöglichkeiten verschärfen.

Fakt ist allerdings auch: Mit dem im August 2008 beschlossenen Risikobegrenzungsgesetz - Herr Hagenah, Sie haben es angesprochen - hat der Bund bereits zusätzliche Meldepflichten und Schwellen eingeführt. Meldepflichtig sind jetzt auch Stimmanteile von Tochterunternehmen und von Dritten, auf die der Käufer einen Zugriff hat. Im Fall Conti/Schaeffler träfe das heute auf die von den Banken gehaltenen Anteile zu.

Auch die BaFin hat geprüft und sich eingeschaltet, und zwar mit dem überraschenden Ergebnis, dass alles, was gelaufen ist, rechtmäßig gewesen ist. Man hat allerdings das ganze Geschehen geprüft, noch bevor das Risikobegrenzungsgesetz verabschiedet worden ist. Das Risikobegrenzungsgesetz hätte hier also nicht gegriffen. Fraglich ist sowieso, ob uns in diesem Zusammenhang zusätzliche Gesetze weiterhelfen würden. Wer verdeckt Firmenanteile erwerben will - Sie haben es gesagt -, wird sein Ziel mithilfe der Banken oder anderen Instrumenten wahrscheinlich auch zukünftig erreichen können.

Eine weitere Forderung lautet, die Sanktionen ohne Kappungsgrenzen an möglichen Gewinnen auszurichten. - Das klingt zwar gut. Aber in der Praxis ist das kaum machbar, weil zukünftige Gewinne kaum vorhersehbar sind.

Wir waren und sind einer Meinung: Das einzige, wirksamste und schmerzhafteste Instrument wäre vermutlich eine Stimmrechtsbeschränkung auf die rechtmäßig und gesetzeskonform erworbenen Anteile gewesen. Das hätte richtig wehgetan.

Meine Damen und Herren, die Grünen wollen außerdem sämtliche Finanzderivate in die Meldeschwellen einbeziehen, d. h. auch die Papiere, mit denen keine Stimmrechte verbunden sind. Sie unterliegen aber überhaupt nicht dem Wertpapierhandelsgesetz.

Praxisfremd ist auch der Vorschlag, rückwirkend diejenigen Fälle zur Anzeige zu bringen, die vor Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes, also vor August 2008, liegen. Hier stünde der Mehraufwand in absolut keinem Verhältnis mehr zum eventuellen Nutzen.

Meine Damen und Herren, bisher ist es ja im Fall Schaeffler/Conti bei einem erfolglosen Übernahmeversuch geblieben. Inzwischen wissen wir: Schaeffler hat sich massiv übernommen. Zum angebotenen Kurs von 75 Euro je Aktie haben die Conti-Aktionäre das fränkische Familienunternehmen mit ihren Aktien regelrecht zugeschüttet. Das Geld wurde knapp, es reichte nicht aus, und plötzlich war Schaeffler von den kreditgebenden Banken abhängig. Tatsächlich haben sich damit viele Befürchtungen seit dem Zeitpunkt der Antragstellung bis heute relativiert.

Inzwischen ist nicht mehr von „Schaeffler schluckt Conti“ die Rede. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich die Vorzeichen ändern. Heute ist nicht mehr ausgeschlossen, eher wahrscheinlich, dass der ehemals zu Übernehmende, nämlich Conti, den ehemaligen Übernehmer, also Schaeffler, letztendlich schlucken wird. Dies wäre für uns tatsächlich eine Wende zum Guten. Dann würde unter der Führung von Continental der nach Bosch zweitgrößte deutsche Autozulieferer mit Sitz in Niedersachsen, mit Sitz in Hannover entstehen.

Meine Damen und Herren, die Grünen-Vorschläge sind sicherlich gut gemeint; das verdient Anerkennung. Aber sie sind mittlerweile weit von der Realität überholt worden; dies haben Sie eben zugegeben.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Durch Lie- genlassen!)

Die Grünen-Vorschläge sind in großen Teilen praxisfern und in der Durchführung zu bürokratisch. Sie haben das Pech: Sie kommen in Richtung Bundesrat wegen der anstehenden Bundestagswahl - darin waren wir uns einig - zum absolut falschen Zeitpunkt. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Kollegin Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rezession schlägt sich auch in Niedersachsen zunehmend auf dem Arbeitsmarkt nieder. Wir haben das auch in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder wahrnehmen müssen. Die Forderung im Antrag der SPD aus dem März dieses Jahres, arbeitsmarktpolitische Instrumente zu nutzen und eine langfristige Strategie zu entwickeln, gilt daher leider auch für immer mehr Betriebe auch in Niedersachsen.

Bei Karmann in Osnabrück hatten bereits im März dieses Jahres - also noch vor Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens - 1 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren. Vorgestern wurde nochmals 300 Kolleginnen und Kollegen gekündigt.

Ähnlich ist die Lage auch anderswo zwischen Harz und Ems, in ganz Niedersachsen. Das Instrument Kurzarbeitergeld und seine Verlängerung von 18 auf 24 Monate tragen bundesweit dazu bei, die Lage zu entspannen und den Absturz in die Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Ebenfalls weiter zugespitzt hat sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Selbst Bundesarbeitsminister Scholz befürchtet heute, dass in diesem Jahr wegen der Krise rund 50 000 Lehrstellen weniger als im Vorjahr zur Verfügung stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Alarmsignal. Darum müssen diese Instrumente weitergelten wie bisher bei Conti.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Daher fordern wir als Linksfraktion Herrn Minister Dr. Rösler erneut auf, endlich eigene Initiativen für die Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen

junger Frauen und Männer auf den Weg zu bringen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ma- chen wir doch schon längst!)

Die Zahlen belegen es: Wir brauchen in Niedersachsen endlich innovative Lösungen für die Festeinstellung von Langzeitarbeitslosen, u. a. zu tariflichen Bedingungen. Wir haben das mit unserem Instrument des ÖBS vorgeschlagen und wundern uns natürlich, dass die SPD diesem Vorhaben sehr skeptisch gegenübersteht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, fahren Sie doch einmal nach Berlin, und schauen Sie sich das in der Praxis an!

Der von der SPD vorgelegte Antrag findet dennoch unsere Zustimmung, weil er die richtigen Wege zur Lösung des Problems bei Conti aufzeigt. Die erheblichen Probleme zur Arbeitsplatz- und Standortsicherung von Conti sind auf diesem Wege zwar nicht gelöst, können aber zumindest entspannt werden. Der Kampf um Hannover als Standort für die Reifenproduktion und für 1 000 Arbeitsplätze muss unvermindert weitergehen. Auch das wurde bereits von einigen der Vorredner gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun komme ich zum Antrag der Grünen „Lehren aus dem Fall Conti ziehen“: Er greift aus unserer Sicht in seiner Gesamtanlage zu kurz. Daher - das sage ich vorweg - werden wir uns bei diesem Antrag, wie schon im Ausschuss angekündigt, der Stimme enthalten. Bei diesem Enthaltungsvotum berücksichtigen wir natürlich die Tatsache, dass der Antrag bereits vor neun Monaten gestellt und in den Landtag eingebracht wurde, er aber natürlich auch wegen der Dynamik der Ereignisse an Aktualität eingebüßt hat.

Aus der Übernahmeschlacht um Conti durch das Unternehmen Schaeffler - aber nicht nur daraus - müssen gerade unter den Bedingungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise prinzipiellere Schlussfolgerungen als im Grünen-Antrag gezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verschärfung der Meldepflicht zu Optionen, Futures und Swaps bzw. das Ausbringen wirkungsvoller Sanktionen im Wertpapierhandel und weitere Rechtsvorschriften sind wichtig, aber eben nicht ausreichend.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Linksfraktion ist eine Lehre aus der Krise, nicht nur die Meldepflichten zu Derivaten bei Unternehmensübernahmen zu verschärfen, sondern diese Instrumentarien überhaupt zu verbieten. Verboten werden sollen nach unserer Auffassung auch Leerverkäufe an Aktien- oder Hedgefonds überhaupt. Durch Bundesratsinitiativen auch nach der Bundestagswahl muss dieses Ziel weiterverfolgt werden. Wir werden das auf jeden Fall tun. Weil also der Antrag der Grünen zu kurz greift, werden wir uns bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile der Kollegin König von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden über zwei Anträge, die die Wirklichkeit längst überholt hat. Im Fall Schaeffler/Conti oder - heute eher passend - Conti/Schaeffler haben sich bereits Veränderungen vollzogen, die bei Verfassung des Grünen-Antrags so noch gar nicht ersichtlich waren. Außerdem haben Sie wohl nicht wirklich erfasst, dass bereits Verschärfungen beschlossen wurden. Wie scharf soll das Gesetz denn noch werden, um Ihnen zu genügen?

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Bis keine Lücken mehr da sind!)

Wahrscheinlich soll es verschärft werden, bis niemand mehr den Standort Deutschland attraktiv findet.

(Zustimmung bei der FDP)

Zum einen ist eine Verschärfung der Meldepflicht bereits am 19. August 2008 geschehen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hagenah?

Nicht jetzt. - Das ist in § 22 Abs. 2 WpHG nachzulesen. Zum anderen werden Bußgelderhöhungen bei Übernahmen nie ein wirksames Hemmnis sein. Sie würden im Ernstfall immer einkalkuliert.

Bei Conti ist die Meldepflicht aber gar nicht verletzt worden. Also hätte auch nichts gegriffen. Die

Schritte von 3 % (neu), 5 %, 10 %, 15 % (neu), 20 % (neu), 25 %, 30 % (neu), 50 % und 75 % sind mehr als eng gesteckt. Freie soziale Marktwirtschaft darf nicht zur Strangulierung führen. Erinnern Sie von der SPD und von den Grünen sich bitte an die gestrigen Worte von Professor Wernstedt zu Alfred Kubel! Es ist falsch, zu fragen: Wie viel Freiheit gewähre ich den Unternehmen? - Es muss heißen: Wie weit darf ich in die Freiheit eingreifen?

(Beifall bei der FDP)