Ich erteile jetzt Frau Kollegin Modder von der SPDFraktion das Wort. Nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung haben Sie die Möglichkeit, für anderthalb Minuten hier Stellung zu beziehen.
meiner Meinung nach nicht so stehen bleiben. Deshalb möchte ich jetzt noch auf zwei oder drei Punkte eingehen.
Was die 70 Millionen Euro angeht, die hier im Raum stehen, bitte ich um eine Klarstellung dahin gehend, dass die Hälfte dieses Betrages, also 35 Millionen Euro, von der kommunalen Seite selbst zu erbringen ist. Vor dem Hintergrund der finanziellen Situation, auf die wir zulaufen, halte ich das für unverantwortlich.
Eine weitere Sache. Beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund haben Sie gesagt: Na klar, wir können auch über ein neues Leitbild Niedersachsen reden. - Wenn Sie das nur mit den kommunalen Spitzenverbänden machen, habe ich auch kein Verständnis mehr für die Haltung meiner Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Natürlich könnten wir alles abgeben. Wir könnten das auf Verordnungsebene regeln. Sie könnten ständig mit den Hauptverwaltungsbeamten reden. Darüber, wie ein Leitbild für Niedersachsen auszusehen hat, hat aber dieses Parlament zu entscheiden.
Wenn Sie sagen, wir müssten die Menschen mitnehmen, lasse ich mich - ich habe hier versucht, dies deutlich zu machen - nicht auf die Nummer „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis“ beschränken. Das Problem liegt viel tiefer, und Sie wissen auch, wie wichtig die kommunale Selbstverwaltung für unsere Gemeinden, Städte und Landkreise ist.
Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen: Sie stehen damit auch in Ihren eigenen Reihen ziemlich allein. Ich halte hier einmal einen Zeitungsartikel hoch, in dem der Kollege Oesterhelweg sagt: Land soll sich nicht vor Reformen drücken. - In diesem Artikel geht er noch einmal ausdrücklich darauf ein, dass Sie gesetzgeberisch tätig werden wollen. Wir wollen keinen Flickenteppich. Wir wollen ein neues Leitbild. Das wollen wir gemeinsam entwickeln.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Modder, das Kabinett hat beschlossen, bis zu 70 Millionen Euro für - - -
(Ralf Briese [GRÜNE]: Das Haus- haltsrecht ist das vornehmste Recht des Parlaments, Herr Minister! - An- haltende Unruhe)
Herr Minister, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Ich bitte darum, dass etwas mehr Ruhe einkehrt - das gilt auch für die Diskussionen in den Reihen der Abgeordneten -, damit der Minister hier seine Ausführungen so machen kann, dass sie für alle verständlich sind und auch alle zuhören können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat beschlossen, vom Jahr 2012 an 70 Millionen Euro jährlich zur Verfügung zu stellen. Diesen Beschluss umzusetzen ist dann Sache des Parlaments. Das ist überhaupt keine Frage. Der Abbau der Kassenkredite ist aber nicht nur eine Sache des Landes, sondern das ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Land und Kommunen. So ist das im Übrigen auch vom Staatsgerichtshof eindeutig gesehen worden. Insofern ist es völlig richtig, dass wir in diesem Zusammenhang auch die Kommunen mit in die Pflicht nehmen, gleichzeitig aber auch, wenn es die Haushaltslage zulässt, den genannten Betrag zusätzlich zur Verfügung stellen. Das steht meiner Meinung nach völlig außer Diskussion.
Darüber hinaus ist es richtig, nach den Jahren 1973/1974 zumindest einmal zu schauen, ob die gegenwärtig bestehenden Strukturen auch zukunftsgerichtet sind. Deshalb wollen wir uns im Zusammenhang mit dem Zukunftsvertrag nicht nur mit den kommunalen Spitzenverbänden, sondern auch mit der kommunalen Familie insgesamt darüber unterhalten. Das muss einfach überprüft werden. Zunächst einmal muss aber etwas erarbeitet werden. Das werden wir dann dem Innenausschuss und auch dem Parlament vortragen. Auch das ist meiner Ansicht nach überhaupt keine Frage.
Zusammengefasst: Meiner Meinung nach bringt es überhaupt nichts, den Ball immer wieder auf die eine Seite oder auf die andere Seite zu spielen.
Wenn Sie sagen, dass Ihnen die kommunale Selbstverwaltung absolut wichtig sei, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Was kann eine Landesregierung eigentlich noch mehr tun, als ein freiwilliges Angebot zu unterbreiten und zu sagen, dass sie nur moderieren werde, und die Entscheidungen vor Ort getroffen werden sollen?
Hinter vorgehaltener Hand wird gesagt - auch das will ich hier nicht verschweigen -: Natürlich ist das der schwierigere Prozess für die Kommunen. Manchmal wäre es vielleicht einfacher, wenn die Landesregierung etwas entscheidet. Dann könnten wir wenigstens dagegen protestieren. Das hat natürlich nichts mit kommunaler Selbstverwaltung zu tun. Dann sollten Sie uns nicht vorwerfen, dass wir etwas gegen die kommunale Selbstverwaltung täten.
Gleich. Wenn Sie einverstanden sind, möchte ich erst noch etwas zu dem Kollegen Oesterhelweg sagen, weil auch ich das gelesen und ich ihn gefragt habe. Das, was der Kollege Oesterhelweg einfordert, ist ja genau das, was die Landesregierung macht: Wir moderieren und bieten an, das auch umzusetzen.
Damit auch dies klar ist - in diesem Punkt unterscheiden wir uns vielleicht, was ich an dieser Stelle überhaupt nicht verschweigen will -: Für mich kommt eine Region Braunschweig mit 1,2 Millionen Einwohnern und einer gegenüber der Region Hannover doppelten Quadratmeterzahl nicht in Frage. Aus meiner Sicht wäre eine solche Region verfassungswidrig.
Meiner Ansicht nach hätte eine solche Region auch nichts mehr mit Bürgernähe zu tun. Das habe ich schon immer gesagt und sage ich auch hier im Parlament. Das ist mit mir nicht zu machen. Eine weitere Region in dieser Größenordnung macht keinen Sinn und ist für das Land Niedersachsen kein Modell.
Herr Minister, da das Parlament hier über die Einsetzung einer Enquetekommission, einer parlamentarischen Kommission debattiert, frage ich Sie, ob Sie es für angemessen halten, dass sich die Landesregierung in diesem Umfang dazu einlässt.
Sie haben ja mich aufgefordert, zu handeln und insbesondere auf der kommunalen Ebene Antworten zu präsentieren. Wenn ich Ihnen dann hier darlege, welche Antwort die Landesregierung durch Kabinettsbeschluss gegeben hat, dann ist das meiner Ansicht nach nur richtig. Wenn das Parlament aber meint, dass parallel dazu auch eine Enquetekommission eingesetzt werden sollte, ist das immer eine Sache des Parlaments. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir bereits Antworten gefunden haben, die Sie in einer Enquetekommission vielleicht erst noch diskutieren wollen. Deshalb sage ich Ihnen: Es ist besser, jetzt zu handeln und den Kommunen schnell etwas an die Hand zu geben, als immer nur zu reden.
Ich habe Ihnen ferner gesagt: Sie drücken sich doch vor einer klaren Aussage! Weil Sie sich drücken, wollen Sie eine Enquetekommission einrichten. Das ist doch der Punkt.
Ich gebe dem Abgeordneten Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für anderthalb Minuten die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein erster Satz, den ich ganz wichtig finde: Ich glaube, in diesem Parlament fordert niemand, wenn ich es richtig verstanden habe, jetzt möglichst schnell eine Gebietsreform von oben durchzuführen. Meine Fraktion jedenfalls fordert das nicht, Herr Innenminister, und ich habe auch die SPD-Fraktion nicht so verstanden. Ich richte das jetzt auch an
Zweitens brauchen wir in diesem Land - das ist doch das zentrale Problem in dieser Debatte - so etwas wie eine Blaupause oder eine Skizze, zumindest aber eine Vorstellung davon, wie dieses Land in fünf bis zehn Jahren aussehen soll. Das alles haben wir bisher aber nicht, Herr Minister. Das ist doch das Kernproblem. Entsprechende Vorstellungen gibt es nicht.
Das ist doch das Problem, dass insbesondere Sie mit Ihrer sogenannten moderierten Freiwilligkeit eingehen. Das Problem liegt darin, dass es vielleicht einige Gemeinden oder auch Städte geben wird, die klug und vorausschauend handeln und sagen werden: Ich bin anscheinend nicht zukunftsfähig, nicht zukunftssicher, also lasse ich mich auf diesen Prozess ein. - Einige andere werden das aber vielleicht nicht tun und störrisch sagen: Ich brauche gar keine Veränderung. - Die steuern dann noch weiter ins Drama hinein mit der Folge, dass die Disparitäten, die Unterschiede in diesem Lande letztendlich noch größer sein werden, weil einige schlicht und ergreifend auf der Strecke bleiben werden. Was haben Sie dann am Ende Ihrer moderierten Freiwilligkeit gewonnen? - Ein Land, das sich noch weiter auseinander entwickelt hat. Deshalb müssen Sie zumindest eine Zielvorstellung davon entwickeln, wohin dieses Land gehen soll. Eine solche Zielvorstellung haben Sie bislang aber anscheinend nicht, sondern Sie sagen nur: Ich moderiere das alles irgendwie. Die Klugen werden sich schon finden und sich auf diesen Prozess einlassen. Die, die das nicht tun, bleiben dann am Wegesrand liegen. - Das kann es aber nicht sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Briese, wir haben bereits ein Leitbild aus den 70erJahren, das von Landkreisen mit etwa 150 000 Einwohnern ausgeht. Das haben wir nicht überall
umgesetzt. Ich glaube, es hilft auch nichts, immer wieder über die Entwicklung neuer Dinge zu reden. Überprüfen werden wir das aber, was ich im Zusammenhang mit dem Zukunftsvertrag auch dargestellt habe. Wichtig ist, dass wir uns zunächst einmal die Probleme anschauen und im Anschluss daran Angebote machen. Ich habe nicht nur von Entschuldungshilfe gesprochen, sondern auch davon, dass wir auch strukturverbessernde Maßnahmen mit auf den Weg geben müssen.
Insofern hilft es auch nicht, sich alternativ ins Innenministerium zu setzen und zu sagen: Dort, wo wir Probleme haben, schneiden wir die Gemeinden einfach größer - nicht nur 5 000 Einwohner, sondern 20 000 Einwohner -, dann haben wir die Probleme gelöst. - Das wäre viel zu einfach. Insofern ist der ganze Prozess anspruchsvoll. Man kann nicht einfach nur eine Lösung nennen, sondern wir sind im Land Niedersachsen sehr gut damit gefahren, dass wir gesagt haben: Wir schreiben nicht irgendeine Zielzahl vor, sondern wir suchen individuelle Lösungen. Es gibt kleinere Landkreise, wie z. B. den Landkreis Wittmund und andere, die durchaus erfolgreich arbeiten. Es gibt aber andere Landkreise etwa im Harz mit einer ähnlichen Größenordnung, die überhaupt nicht nach vorne kommen. Insofern bringt es nichts, nur allein über die Gebietsreform zu reden. Wir müssen stattdessen dieses Land insgesamt weiterentwickeln. Daran arbeiten wir. Sie sollten es sich nicht so einfach machen. Wir jedenfalls machen es uns nicht so einfach.