Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Was war denn jetzt die Frage, Herr Kollege? - Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren im Moment darüber, wie wir uns zu einem Gesetzentwurf des Bundes stellen, der demnächst im Deutschen Bundestag eingebracht werden soll und der dann auch im Bundesrat und seinen Ausschüssen diskutiert wird. Es ist selbstverständlich, dass wir den Gesetzentwurf, sobald er vorliegt und an den Bundesrat überwiesen worden ist, in den entsprechenden Gremien behandeln und uns an der Diskussion beteiligen.

Aber wir können hier schlecht zu einem Gesetzentwurf Stellung nehmen, der heute noch gar nicht vorliegt.

(Zustimmung bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, weitere Wünsche im Hinblick auf Zusatzfragen zu Tagesordnungspunkt 13 a liegen mir nicht vor.

Ich komme damit zu Tagesordnungspunkt 13 b:

Kürzen, Ignorieren, Lavieren: Warum verschärft die Landesregierung den Pflegenotstand in Niedersachsen? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/1369

Die Anfrage wird von der Kollegin Tiemann von der SPD-Fraktion. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In seinem aktuellen Jahresbericht fordert der Landesrechnungshof ab 2010 eine Kürzung der seit 13 Jahren bestehenden Förderung der ambulanten Pflegedienste bei den Investitionskosten um 20 %. Widersprüchlich ist die Haltung der Landesregierung zu dieser Forderung. In der Antwort auf eine Mündliche Anfrage mehrerer SPDAbgeordneter im Mai-Plenum stimmt die Landesregierung der Kürzung zu, gegenüber der Presse lässt die Sozialministerin allerdings erklären, nichts sei entschieden. § 3 des SGB XI schreibt allerdings den gesetzlichen Auftrag „ambulant vor stationär“ fest.

Gleichzeitig häufen sich Berichte über den Verkauf von stationären Pflegeeinrichtungen an private Anbieter, weil sich ein ruinöser Kostenwettbewerb einschließlich Tarifflucht entwickelt habe. Die Landesregierung hatte im Jahr 2005 die Investitionskostenzuschüsse für die stationäre Pflege komplett gestrichen.

Der Landespflegebericht prognostiziert einen stark ansteigenden Bedarf in der ambulanten und stationären Pflege sowie in der Altenpflegeausbildung. Die Landesregierung hat bislang ihre seit Inkrafttreten der Föderalismusreform I im September 2006 deutlich erweiterten Gestaltungsspielräume - beispielsweise durch ein niedersächsisches Heimgesetz - nicht genutzt.

Immer mehr Pflegebedürftige und Pflegende, immer mehr Einrichtungen und deren Träger protestieren gegen diese Politik der Landesregierung. Zuletzt haben die Caritas und die katholische Kirche den „Pflegealarm“ ausgerufen, um damit auf den Pflegenotstand in Niedersachsen aufmerksam zu machen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das war ein Rohrkrepierer!)

Wir fragen deshalb die Landesregierung:

1. Wird die Landesregierung die Landesmittel für die ambulante Pflege nun um mindestens 20 % kürzen oder nicht?

2. Welche Konsequenzen hat die Streichung der Landesmittel für die stationäre Pflege im Jahr 2005 seither für die Pflegeeinrichtungen und deren Bewohner gehabt?

3. Wieso reagiert die Landesregierung nicht auf die Tatsache, dass sich immer mehr Pflegeeinrichtungen aus der Ausbildung von Altenpflegeschülerinnen und -schülern zurückziehen?

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Ross-Luttmann. Ich erteile ihr das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst eine Klarstellung vorab: Niedersachsen verfügt über eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige Struktur von Pflegeangeboten in allen Bereichen,

(Beifall bei der CDU)

im häuslichen Bereich ebenso wie bei der Tages- und Nachtpflege sowie bei den Pflegeheimen. Pflegebedürftige können unter diesen Angeboten wählen und sich das heraussuchen, was ihrer persönlichen Situation und ihren individuellen Bedürfnissen am besten entspricht. Die Landesregierung hat sich stets dafür eingesetzt, dass diese Angebotsstruktur nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut und verbessert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe großen Respekt vor der Lebensleistung unserer älteren Mitbürger und Mitbürgerinnen. Unsere An

strengungen gelten einer Gesellschaft, in der unsere Senioren und Seniorinnen möglichst ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung führen können. Besonders im Bereich der Pflege im eigenen häuslichen Umfeld hat sich diese Landesregierung seit 2003 für eine Stärkung der Strukturen eingesetzt.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen: Erstens. Sie haben zum 1. Januar 2002, also in der Zeit unter Ihrer Regierungsverantwortung, trotz des erkennbaren Bedarfs die Mittel zur Förderung der ambulanten Pflege nicht nur begrenzt, sondern sogar gekürzt. Als eine unserer ersten Maßnahmen haben wir schon 2003 das Niedersächsische Pflegegesetz geändert und diese Deckelung zum 1. Januar 2004 aufgehoben.

(Zustimmung bei der CDU)

Während für die ambulante, teilstationäre und die Kurzzeitpflege im Jahr 2003 Investitionsmittel des Landes in Höhe von rund 30 Millionen Euro flossen, so liegen wir heute bei 42,5 Millionen Euro im Plan. Das ist, meine Damen und Herren, eine beeindruckende Steigerung von über 40 % in nur sechs Jahren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Uwe Schwarz [SPD]: Wie viel haben Sie bei der stationären Pflege wegge- nommen?)

Zweitens. Niedersachsen ist seit 2004 äußerst erfolgreich beim Aufbau und Ausbau niedrigschwelliger Angebote. Inzwischen gibt es ein dichtes Netz ehrenamtlicher Entlastungs- und Unterstützungsangebote für die Menschen, die ihre Angehörigen mit großem Einsatz zu Hause pflegen. Dies geschieht unter professioneller Anleitung und Begleitung. Das Land und die Pflegekassen stellen für die Förderung dieser Angebote in diesem Haushaltsjahr insgesamt rund 3,4 Millionen Euro bereit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im Jahre 2004 mit dem Aufbau eines flächendeckenden Netzes begonnen, zunächst mit 81 Standorten. Gegenwärtig sind es landesweit 306: eine Vervierfachung in nur sechs Jahren! Allen, die sich vor Ort engagieren, an dieser Stelle auch für diesen Einsatz ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der CDU)

In Niedersachsen sind wir beim Thema Pflege gut aufgestellt. Aber wir sehen auch die Folgen des demografischen Wandels. Die wachsende Zahl von älteren Menschen und die damit verbundene Zunahme pflegebedürftiger Menschen ist Auftrag für uns alle. Für die pflegebedürftigen Menschen brauchen wir gut ausgebildete Pfleger und Pflegerinnen. Wir brauchen auch Pflegenachwuchs. Diese Herausforderungen nehmen wir an.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung teilt im Grundsatz die Auffassung des Landesrechnungshofes, dass das Niveau der Investitionsförderung zurzeit nicht bei 100 %, sondern im Schnitt bei über 120 % liegt. Mit einer Reduzierung um 20 % würde die Förderung daher an die vom Landesrechnungshof festgestellte Investitionshöhe der ambulanten Pflegeeinrichtungen angepasst. Die Landesregierung beabsichtigt daher, dem Vorschlag des Rechnungshofes im Grundsatz zu folgen und den Bemessungswert bei der pauschalen Investitionsförderung des Landes für ambulante Pflegedienste ab 2010 um 20 % zu reduzieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die ambulanten Pflegedienste bedeutet diese Reduzierung übrigens nicht etwa eine Kürzung des Gesamtumsatzes um 20 % - das muss man an dieser Stelle einmal sehr deutlich sagen -; denn der Anteil der investiven Aufwendungen beträgt durchschnittlich unter 5 % des Gesamtumsatzes. Eine Reduzierung dieser 5 % um ein Fünftel macht im Ergebnis eine Reduzierung des Gesamtumsatzes um nur 1 % aus.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle noch eine Bemerkung. Niedersachsen hält auch künftig als eines von nur drei Bundesländern an der bewährten Pauschalförderung fest. Damit leistet Niedersachsen weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der häuslichen pflegerischen Versorgung und zur Vermeidung von dauerhaften Heimaufenthalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte diese frei werdenden Mittel aber nicht einsparen. Ich werde mich bei den anstehenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass sie in Maßnahmen fließen, mit denen die Attraktivität des Altenpflegeberufes und die Ausbildungsbereitschaft von Einrichtungsträgern unterstützt und gestärkt werden sollen.

Zu 2: Diese Frage zielt auf Abschaffung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses in der vollstationären Pflege mit Wirkung ab dem Jahr 2004 ab. Einsparungen des Landes hatte dies

nicht zur Folge. Die Mittel wurden an die Kommunen weitergereicht. Die Abschaffung war unumgänglich. Die Förderbestimmungen der Vorgängerregierung hatten zu großer Rechtsunsicherheit geführt. Für die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner war es geboten, klare Verhältnisse darüber zu schaffen, was ihnen an Leistungen zusteht, wenn sie für die Kosten im Heim nicht selbst aufkommen können. Überdies wurde der Zuschuss seit seiner Einführung immer wieder gekürzt und zuletzt so gedeckelt, dass zu den reinen Leistungen der Sozialhilfe kaum noch ein Unterschied bestand. Für die Einrichtungsträger ergab sich als Konsequenz, die Höhe ihrer individuellen Investitionsaufwendungen mit den Trägern der Sozialhilfe zu verhandeln.

Meine Damen und Herren, auch ohne diese Landesförderung werden nach wie vor Pflegeheimkapazitäten geschaffen. Seit 2004 wurden in Niedersachsen rund 9 000 Plätze neu eingerichtet. Wir haben damit gegenwärtig sogar ein deutliches Überangebot.

Zu 3: Die Schulstatistik weist einen stetigen Anstieg von Altenpflegschülerinnen und -schülern bis zum Jahre 2005 aus. Nachdem in den Jahren 2006 und 2007 ein leichter Rückgang zu verzeichnen war, ist 2008 wieder ein erneuter Anstieg festzustellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der demografische Wandel wird zu einer steigenden Nachfrage in den pflegerischen Berufen führen. Daher räumt die Landesregierung der Förderung der Altenpflegeausbildung auch einen hohen Stellenwert ein.

(Beifall bei der CDU)

Mein Plan ist, ein umfangreiches Förderprogramm vorzusehen. Ich möchte die Träger unterstützen, die sich in der Ausbildung engagieren. Ich möchte die Schülerinnen und Schüler, die ausgebildet werden, von Schulgeld entlasten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Stärkung der Ausbildungsbereitschaft ambulanter Pflegedienste gelegt. Abrunden möchte ich dieses Pflegepaket auch mit einer Imagekampagne. Ich möchte das Berufsbild Altenpflege attraktiver machen. Die Menschen, die sich dort engagieren, haben unsere Wertschätzung verdient. Das werden wir deutlich machen.

(Beifall bei der CDU)

Die erste Zusatzfrage stellt die Kollegin Groskurt von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Frau Ministerin, da Sie gerade bestätigt haben, dass Sie die Investitionsförderung der ambulanten Pflege um 20 % kürzen wollen und aus Ihrem Hause immer wieder neue Kürzungsvarianten ins Gespräch gebracht werden, frage ich Sie voller Sorge: Plant die Landesregierung, auch die Investitionskostenförderung für die Tagespflege zu kürzen oder sogar ganz zu streichen?

Frau Ministerin Ross-Luttmann, bitte!

Nein, das ist gegenwärtig nicht geplant.

(Uwe Schwarz [SPD]: Dann sagen Sie das mal den Trägern! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wehe, wenn das nicht stimmt!)

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.