Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Zu Frage 1: Die Gehälter der Vorstände und der Geschäftsführer landesbeteiligter Gesellschaften richten sich nach der Größe, also nach Umsatz und Anzahl der Beschäftigten, sowie nach der Ertragslage des Unternehmens und auch dessen Bedeutung für das Land Niedersachsen. Es gibt keine formale Begrenzung von Gehältern für Vorstände oder Geschäftsführer von Gesellschaften, an denen das Land beteiligt und in deren Aufsichtsräten es vertreten ist. Eine Begrenzung wird auch nicht für erforderlich gehalten, da die in der Öffentlichkeit diskutierten Auswüchse bei den Managergehältern ausschließlich börsennotierte Aktiengesellschaften betreffen. Die Vorstandsgehälter der landesbeteiligten Gesellschaften - Volkswagen AG und Salzgitter AG - sind transparent für jedermann in den im Internet veröffentlichten Geschäftsberichten der beiden Gesellschaften nachzulesen. Es ist nicht beabsichtigt, eine Obergrenze für Vorstands- oder Geschäftsführergehälter bei Landesgesellschaften festzulegen.

Zu Frage 2: Der Entwurf des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung ist ein Entwurf der Koalitionsfraktionen des Bundestages. Als solcher wird er zunächst im Bundestag beraten, ohne dass zuvor der Bundesrat beteiligt wird. Der

Rechtsausschuss des Bundestages hat zu dem Entwurf eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Er will über den Entwurf voraussichtlich am 17. Juni 2009 - also heute - abschließend beraten. Anschließend wird das Plenum des Bundestages vermutlich am 18. oder 19. Juni über den Entwurf beraten. Erst danach wird der Gesetzesbeschluss feststehen, der dann dem Bundesrat zur Abstimmung zugeleitet werden wird.

Üblicherweise bilden sich die beteiligten Ressorts erst nach Vorliegen des Gesetzesbeschlusses des Bundestages zunächst eine interne Meinung über ihr Stimmverhalten in den Ausschüssen des Bundesrates und etwaige Antragsstellungen. Nach Abschluss der Ausschussberatungen pflegen schließlich die Ressorts über das Stimmverhalten des Landes im Bundesrat miteinander zu beraten. Falls sich dabei Divergenzen ergeben, wird sodann im Kabinett entschieden.

Den Ergebnissen dieses gestuften Entscheidungsprozesses kann ich für die Landesregierung nicht vorgreifen. Ich kann Ihnen daher nur zurufen: Sie kommen mit Ihrer Frage zu früh. Es gibt noch keine Position der Landesregierung zu einer Vorlage, deren Inhalt noch nicht feststeht.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Dann kommen wir später noch einmal dar- auf zurück!)

Zu Frage 3: Ich kann für die Landesregierung nur auf die Antwort zu Frage 2 verweisen. Auch die Frage nach langfristigen Anreizen gehört zu den Dingen, über die gegebenenfalls nach dem Vorliegen der endgültigen Beratungsgrundlage des Bundesrates zu befinden sein wird. Auch hier gilt, Herr Dr. Sohn: Sie kommen mit der Frage etwas zu früh.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Besser zu früh als zu spät!)

- Das ist wohl wahr. Irgendwann sind ja einmal ein paar Leute zu spät gekommen. Sie erinnern sich.

Meine Damen und Herren, Sie werden in der Landesregierung niemanden finden, dem es nicht einleuchtet, dass für ein Anreizsystem bei der Vergütung auf der Leitungsebene auch vernünftige Gründe insbesondere der Motivation sprechen.

Das System muss aber mit Augenmaß ausgestaltet werden. Das heißt: Es muss den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und des prosperierenden Fortbestandes des Unternehmens im Allgemeininteresse Rechnung tragen, und es muss vermei

den - wo immer vorhersehbar -, Anreize zu kurzfristigen Einflussnahmen auf den Aktienkurs zu geben.

Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich stelle jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses offiziell fest.

Ich erteile dem Kollegen Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zur ersten Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da viele Experten der Meinung sind, dass die fehlende Managementhaftung in der Vergangenheit dazu verleitet hat, dass allzu große Risiken eingegangen worden sind, was schließlich auch eine der wesentlichen Ursachen für die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise war, frage ich die Landesregierung, ob sie sich vor diesem Hintergrund im Bundesrat dafür einsetzen wird, dass das Vorstandsvergütungsgesetz mit einer entsprechenden persönlichen Haftung ausgestattet wird.

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Hagenah! Manchmal muss man die Vergütungsebene, die insbesondere unter dem Aspekt der Angemessenheit zu betrachten ist, und die Haftungsebene, die etwa dann eine Rolle spielt, wenn Fehlverhalten angesagt ist, unterscheiden. Ich sage jetzt nichts zu den vielen an dieser Stelle einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften. Aber Fehlverhalten, das dann auch auf die Vergütungsebene durchschlagen kann, muss betrachtet werden.

Wenn Sie den Gesetzentwurf der Bundesregierung durchlesen, werden Sie feststellen, dass er weitergehende Regelungen als bisher dafür enthält, dass die Vergütung angemessen festgesetzt und vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Lage des Unternehmens - also vor dem Hintergrund seiner Größe, seiner Wettbewerbslage, seiner Ertragslage und anderer Dinge mehr - immer wieder neu betrachtet werden muss. Insbesondere der Aufsichtsrat - um den geht es in diesem Zusammenhang ganz besonders - muss gucken, ob er die

Vergütung unter Angemessenheitsgesichtspunkten dann und wann nicht verändern muss, auch nach unten verändern muss.

Es ist, wie ich finde, eine beachtliche Neuerung des Gesetzentwurfs, dass der Aufsichtsrat, der verschläft, die Vorstandsvergütung z. B. rechtzeitig herabzusetzen, für die Differenzsumme persönlich in Haftung genommen werden kann. Demnächst müssen also Aufsichtsratmitglieder besser aufpassen als bisher.

Der Vorstand als solcher, der - die Vertragsautonomie gilt ja Gott sei Dank in Deutschland - eine bestimmte Vergütung erhält, dem aber z. B. auch zivilrechtlich Fehlverhalten anzulasten ist, ist sozusagen seit Bestehen des bürgerlichen Zivilgesetzbuchs natürlich auch in der Situation, dass er persönlich haften muss. Wer seinem Unternehmen abseits von strafrechtlichen Verantwortlichkeiten durch Schlechtleistungen usw. Schaden zufügt, der muss dafür angeguckt werden dürfen. Das gilt auch schon nach den jetzigen Bestimmungen. Ich persönlich wäre gar nicht der Meinung, dass hier Begrenzungen einzuziehen wären. Wer seine Firma um 3 Millionen Euro schädigt, muss dafür auch persönlich einstehen.

(Unruhe)

Vielen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, vielleicht besteht die Möglichkeit, die Gespräche etwas zu reduzieren. - Der Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle gleich zwei Fragen.

Die erste Frage: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Justizminister eben im Zusammenhang mit der Vertragsfreiheit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bei der Vereinbarung der Bezüge der Vorstandsmitglieder von Sachkunde gesprochen hat, frage ich die Landesregierung, ob das, was wir angesichts der Finanzkrise und Wirtschaftskrise in den letzten Monaten erfahren mussten, nicht doch dazu drängt, diese Sachkunde infrage zu stellen und darauf hinzuwirken, dass Anreizsysteme geschaffen werden, durch die die Vorstandsgehälter an langfristigen Unternehmensinteressen und an der Erhaltung von Arbeitsplätzen orientiert werden.

Die zweite Frage: Ist es angesichts der Tatsache, dass private Geldvermögen in Deutschland schneller gewachsen sind als die Wirtschaftsleistung und sich die Lohnquote, also der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen, zunehmend verschlechtert hat, nicht angezeigt, mit einer Begrenzung der Managergehälter wenigstens ein Zeichen zu setzen, um eine Entwicklung einzuleiten, die der Maßlosigkeit des Gewinnstrebens Grenzen setzt?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Adler, ich fange vielleicht mit der zweiten Frage an.

Es ist ja der Impetus der gesamten Fragestellung oder auch Ihres Weltbildes, dass Sie sagen, hier muss gedeckelt werden, hier müssen Höchstbeträge her, damit die Volksseele die notwendige Befriedung erfährt. Aber das geht ins Mark unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Wenn Sie an einer vielleicht auch sehr sensiblen oder auch richtigen Stelle anfangen, festzusetzen, zu deckeln usw., dann ist die Vertragsfreiheit in unserem Rechts- und Wirtschaftssystem im Eimer. Dann ist, nebenbei bemerkt, auch die Tarifautonomie in Deutschland im Eimer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann setzen Sie genau fest. Ich habe nicht ohne Grund das Beispiel aus dem Bundestag erwähnt. Es war ja seinerzeit Ihr Weltbild: das 20-Fache des Einkommens eines Geringverdienenden. Nehmen wir einmal die Diskussion um den Mindestlohn: 7,50 Euro mal 40 Wochenstunden mal 4 Wochen heißt: 1 200 Euro wären für einen bestimmten Arbeitnehmer vorzusehen. - Sie nicken. - Das 20Fache für den Chef von VW, der Deutschen Bank und von Siemens bedeutete dann 24 000 Euro.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es gibt kei- ne Pflicht zum Mindestlohn! Man kann auch höher bezahlen!)

- Nein, nein, Herr Jüttner, wir kriegen da keinen Streit. - Nur eine rechnerische Überlegung: 24 000 Euro soll dann der Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens mit 300 000, 400 000 Beschäftigten und mit dreistelligen Milliardenumsätzen haben. Dazu wird einer sagen, dass das ja wunderbar ist. Aber bei mir bewegt sich da was. 24 000 Euro?

Wissen Sie, dass die Herren Ballack, Ribery und wie sie heißen, das pro Tag verdienen? Wo ist da Ihr Aufbegehren?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn Sie an einer Ecke, die noch so sensibel sein mag, anfangen, mit Höchstbeträgen und Festsetzungen abseits von Vertragsfreiheit und Tarifautonomie zu operieren, müssen Sie das für die gesamte Gesellschaft letztlich durchdenken. Und dann nimmt diese Gesellschaft das Schicksal der DDR.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der LINKEN)

Für den, der das nicht mehr in Erinnerung hat: Das ist ja für Sie der Impetus des ganzen Antrags.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch albern!)

Sie können sich in anderen Ländern - ein oder zwei dieser Art gibt es noch auf der Welt - angucken, wie so etwas gründlich schiefgeht.

Zur ersten Frage nach Sachkunde und Anreizsystemen: Wenn es Fehlentwicklungen oder Verfehlungen gegeben hat, ist immer auch die Rückfrage erlaubt: Waren das Personen, die vielleicht nicht die notwendige Sachkunde hatten?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja, und die kriegen dann eine Abfindung!)

Waren das vielleicht aber auch Personen, die die Sachkunde hatten, aber sich zu Fehlverhalten haben verleiten lassen? - Das mag dabei eine Rolle spielen und immer wieder auch die Überprüfung durch die Gremien erforderlich machen, um zu gucken: Wen schicken wir mit welchem Sachverstand in die jeweiligen Gremien, also in den Aufsichtsrat? - Das ist selbstverständlich einer ständigen Überprüfung wert.

Das Thema Anreizsysteme ist natürlich schwierig, gerade auch im Bereich von Vorstandsvergütungen. Wenn der Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit gewahrt bleibt - der Gesetzentwurf der Bundesregierung will eine Vierjahreskarenz für Aktienoptionen einbauen -, dann halte ich es durchaus für vertretbar, entsprechende Anreizsysteme zu zeitigen, wie wir das auch in anderen Bereichen der Gesellschaft finden. Auch bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sagen wir durchaus: Es gibt eine Grundvergütung, es gibt leistungsbezogene

Merkmale usw. - Da ist es ja auch nicht verwerflich, sich über solche Merkmale zu unterhalten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das glaubt nur die FDP!)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident. Bitte!