Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Justizminister hat darauf hingewiesen, dass die Frage für die Landesregierung als Organ zu früh kommt, weil wir die Festlegung des Abstimmungsverhaltens im Bundesrat aufgrund der Beratungen der Ausschüsse des Bundesrates, die z. B. am Freitag darüber noch befinden, erst in den nächsten Tagen vornehmen werden.

Ich möchte dennoch zu dem Rahmen, in dem wir uns festlegen wollen, sagen, dass wir keine - das hat Herr Busemann zum Ausdruck gebracht - völlig überzogenen Erwartungen an formale Regelungen haben, sondern hier geht es in hohem Maße um Ethik, um Moral, um Maßstäblichkeit, um Angemessenheit und um Verhältnismäßigkeit. Man kann Leistung entlohnen, und man kann Erfolg entlohnen Das alles muss aber sozusagen maßstäblich bleiben. Wenn das grenzenlos wird wie an den Börsen in New York, dann ist das unvertretbar, unverantwortlich und findet langfristig auch nicht das Vertrauen bei den Menschen, wie wir das ja erlebt haben.

Ich glaube aber auch, es braucht Signale, es braucht Zeichen von Vorbildhaftigkeit von denen, die die Krise angerichtet haben. Wir leiden in diesen Tagen darunter, dass diejenigen, die das Ganze angerichtet haben, zu wenig Selbstkritik zeigen, sich zu wenig zu eigenem Fehlverhalten bekennen und auch zu wenig Verzicht üben.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei der LINKEN)

Es versteht kein Mensch, wenn der Vorstandsvorsitzende von Hypo Real Estate in dieser Art und Weise jetzt über Ruhestandsgelder, über ausstehende Gehaltsforderungen und über Ähnliches Klage führt. Dafür hat man ebenso wenig Verständnis wie für das Verhalten von Flowers, dort als Aktionär eine Lösung der Probleme eher zu behindern.

Ich möchte zu dem Thema - deshalb habe ich mich gemeldet - am Beispiel von Volkswagen und am Beispiel der Norddeutschen Landesbank etwas sagen. Wir haben dort immer die Arbeitsplätze und die Rendite bzw. den Gewinn im Blick, welcher ja die Arbeitsplätze sichert. Als 2003/2004 Volkswagen in der Krise war, sind die Vorstandsgehälter nachhaltig gesenkt worden, auch auf unser Betreiben hin. Jetzt sind sie nach dem erfolgreichsten Jahr in der Unternehmensgeschichte 2008 erhöht worden. Das ist im großen Einvernehmen mit der IG Metall und mit dem Betriebsrat einstimmig erfolgt.

Das Vorgehen wollen wir jetzt verfeinern, indem die Vorstandsbezüge jedes Einzelnen veröffentlich werden müssen. Das habe ich mit durchgesetzt. Diese Veröffentlichung ist gerade bei VW nicht üblich gewesen. Die Fragen, ob nicht der gesamte Aufsichtsrat die Vergütung festlegen muss und nicht nur das Präsidium des Aufsichtsrates und ob nicht auch die Hauptversammlung erweiterte Rechte im Hinblick auf die Vorstandsgehälter haben muss, müssen wir jetzt besprechen. Natürlich setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit und der Langfristigkeit im Sinne Ihrer letzten Frage eine größere Rolle spielt und es nicht um eine kurzfristige Quartalsboniorientierung geht, die dann ermöglicht, den Gewinn durch was auch immer kurzfristig zu steigern, was aber langfristig das gesamte Unternehmen ruiniert, wie wir es ja in der Praxis erlebt haben.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend möchte ich noch etwas zu dem von Ihnen aufgeworfenen Stichwort „Sachkunde der Entscheider“ sagen. Ich finde, der Bundesfinanzminister macht hier einen großen Fehler. Er glaubt nämlich, dass er des Problems der mangelnden Sachkunde dadurch Herr werden könnte, dass er Kriterien festlegt, die die Mitglieder von Kreditausschüssen und von Aufsichtsräten von Sparkassen, Volks- und Genossenschaftsbanken formal erfüllen müssen.

Hierzu sage ich deutlich: Ich werde mich im Bundesrat dagegen aussprechen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist schon abgeändert! Das wissen Sie doch!)

- Das ist der Vorschlag von Steinbrück, der in der Diskussion ist. Er ist im Sinne einer flexibleren Regelung leicht abgeändert worden. Aber es bleibt dabei, Herr Kollege Jüttner, dass die Volks- und

Genossenschaftsbanken durch Ihren Bundesfinanzminister und seine Aufsicht im Einzelnen überprüft werden sollen.

Ich kann dazu nur sagen: Aus den Volksbanken, bei denen die Bauern in den Gremien sitzen, sind mir keine Probleme mit Subprime-Produkten aus New York bekannt geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der LINKEN - Thomas Adasch [CDU]: So ist es!)

Diejenigen Leute, die den Mist angezettelt haben, erfüllen alle formalen Kriterien. Sie haben das nämlich so intensiv studiert, dass sie auch noch die letzte Lücke gefunden haben, die die Politik nicht geregelt hat. Sie haben Produkte erfunden, die Leute zwar gekauft, aber nicht verstanden haben. Auch sie selbst haben diese Produkte im Übrigen nicht mehr verstanden, haben aber gleichwohl so getan, als hätten sie sie verstanden.

Diese Leute kriegt man nicht über eine formale Prüfung - sie haben schließlich alle studiert -, sondern nur über eine Prüfung der charakterlichen Eignung. Aber eine solche ist in dem Gesetzesvorschlag von Steinbrück bisher nicht vorgesehen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: We- senstest!)

Mir ist der Bauer in den Volks- oder Raiffeisenbanken in der Fläche lieber, wo das Verhältnis von Angesicht zu Angesicht noch eine wichtige Rolle spielt. Es gibt Leute in der Fläche unseres Landes, die seit 60 Jahren Kredite erhalten und sie auch immer zurückgezahlt haben, eben weil sie für diese Kredite geradestehen. Aber wenn in Zukunft alles nach Basel II usw. gehen soll, werden diese Leute wahrscheinlich gar keine Kredite mehr bekommen.

Wie gesagt, dieses „von Angesicht zu Angesicht“ hat in der Vergangenheit eine zu geringe Rolle gespielt, als wir es uns gewünscht hätten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der LINKEN)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Dr. Biester von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Ich frage die Landesregierung, ob sie die bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen zur Sanktionierung von Fehlverhalten von

Managern für ausreichend hält oder ob sie dort Regelungsbedarf sieht.

(Björn Thümler [CDU]: Eine sehr gute Frage!)

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Biester, in diesem großen Zusammenhang wird in der Tat immer sehr schnell gesagt, die Vorschriften reichen nicht aus, es müssen neue Strafgesetze her und anderes mehr.

Ich habe mir in der Vorbereitung auf diese Dringliche Anfrage einmal einen Überblick über die einschlägigen Vorschriften verschafft, die Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten zu verantwortlichem Handeln ermahnen und die rechtswidriges Handeln sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich sanktionieren. Ich will nur einige dieser Vorschriften anführen: § 93 AktG - Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder -, § 116 AktG - Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder -, § 43 GmbHG - Haftung der Geschäftsführer -, § 266 StGB - Untreue -, § 399 AktG - Falsche Angaben -, § 400 AktG - Unrichtige Darstellung -, § 401 AktG - Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. § 71 AktG regelt den Erwerb eigener Aktien. In § 15 a der Insolvenzordnung geht es um die Antragspflicht und die haftungsauslösende Wirkung. Darüber hinaus gibt es noch verschiedene andere zivilrechtliche Vorschriften.

Es heißt ja gelegentlich, die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Ich kann nur sagen - und darüber besteht in der Justizministerkonferenz auch Konsens -: Die Justiz betrachtet das ganze Malheur rund um die Finanzmarktkrise, das Verhalten von Managern usw. sehr sorgfältig. In vielen Fällen wird bereits ermittelt, verfolgt und geahndet, und zwar sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Ich finde, man sollte die Justiz erst einmal machen lassen.

Wenn es allerdings ein Fehlverhalten gegeben hat, das nach dem Rechtsempfinden aller zwar zu ahnden ist, dieses Fehlverhalten mangels Tatbestandsregelung aber keine rechtlichen Konsequenzen hätte, dann können Sie sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung und wir Justizminister der Länder zur passenden Zeit den Finger

in die Wunde legen und sagen: Hier brauchen wir eine neue Vorschrift.

Hier ist es allerdings wichtig, die richtige Schrittfolge einzuhalten. Wir sollten nicht mit Schnellschüssen Schlagzeilen produzieren, um am Ende feststellen zu müssen, dass sowieso nichts dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Adasch von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Höhe der Vorstandsgehälter zurückkommen und frage die Landesregierung, wie man auf unangemessen hohe Gehälter einwirken und sie in vernünftige Bahnen lenken kann, ohne in Staatswirtschaft zu verfallen.

(Victor Perli [LINKE]: Vermögensteuer einführen! - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Das ist ein untaugli- ches Instrument!)

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Adasch, mit dieser Frage haben wir uns schon befasst. Wenn wir nicht wollen, dass die Vorstandsvergütungen durch Gesetz festgelegt werden - Sie sprachen von „Staatswirtschaft“ -, dann bleibt nur, dass sie von den entsprechenden Gremien - bei den Aktiengesellschaften also dem Aufsichtsrat - ausgehandelt und festgelegt werden. Hier sind sicherlich auch verschiedene Varianten denkbar, etwa ein Grundgehalt mit Aktienoptionen oder eine leistungsbezogene Vergütung, wobei das Stichwort „Nachhaltigkeit“ natürlich eine Rolle spielen sollte. Ich warne allerdings davor, von außen einzugreifen. Dass wir nach den Erfahrungen der letzten Jahre jedoch zunehmend auch den Aufsichtsrat in die Pflicht nehmen sollten, ist allerdings richtig.

In Bezug auf den Gesetzesvorschlag, der zurzeit in Berlin diskutiert, in den nächsten Tagen beschlossen werden und dann auch in den Bundesrat kommen wird, meine ich bei aller Zurückhaltung: Er geht schon in die richtige Richtung.

Die §§ 87 ff. AktG legen fest, innerhalb welcher Rahmenbedingungen die Vorstandsvergütungen in Zukunft festzulegen und wie sie anzupassen sind. Wenn es das Unternehmen auf dem Markt schwer hat und wenn die Erträge eingebrochen sind, dann müssen die Vergütungen angepasst werden. Dann sind die Aufsichtsräte entsprechend gefordert.

Hier und da wird ja auch diskutiert, ob es nicht besser wäre, dass nicht der gesamte Aufsichtsrat, sondern ein Untergremium des Aufsichtsrats die Vorstandsvergütungen festlegen würde. Ich meine allerdings, dass der Aufsichtsrat die richtige Ebene ist, das zu tun, was wir bislang vermisst haben.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass ich nicht ernsthaft glauben mag, was uns Minister Busemann weismachen wollte, nämlich dass sich die Landesregierung zu zentralen Fragen der Finanzkrise, über die seit einem halben Jahr weltweit diskutiert wird, noch keine Position gebildet hat, frage ich die Landesregierung ganz konkret: Wird sie sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Entscheidungen über die Höhe der Vorstandsgehälter vom gesamten Aufsichtsrat getroffen werden und nicht nur von einem Teilgremium und dass auch die Hauptversammlung - also die Aktionäre - die Möglichkeit hat, dafür einen entsprechenden Rahmen vorzugeben?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Busemann, bitte!

Herr Präsident! Herr Kollege Klein, Sie wollen, dass wir eine Position zu einem Gesetzentwurf des Bundes äußern, der in den nächsten Tagen erst eingebracht wird und den wir noch gar nicht kennen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben doch eine Position!)

Lassen Sie uns bitte die Möglichkeit, das Gesetz mit seinen Auswirkungen und seinen Mechanismen zunächst in Ruhe zu betrachten. Dann werden wir uns auf eine Position festlegen und uns mit

dieser Position auch einbringen. Das Thema ist uns wichtig genug. Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns im Verbund mit den Ländern abstimmen werden, um im Rechtsausschuss und im Plenum des Bundesrats die passenden Antworten zu geben.