Protocol of the Session on June 18, 2009

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Weiterhin sieht das Ausstattungskonzept vor, bei allen Dienststellen mit Dienst rund um die Uhr für besondere Einsatzfälle vier Überziehschutzwesten im Pool vorzuhalten. Das vorstehende Ausstattungskonzept stellt sicher, dass jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte im Außendienst Zugriff auf eine entsprechende Weste hat.

Trotz der optimierten Aus- und Fortbildung sowie der verbesserten Ausrüstung und Ausstattung, die der Sicherheit der Polizeibeamten dienen, kam und kommt es zu persönlich erlittener Gewalt von Polizeibeamten im Dienst. Durch psychische und physische Angriffe geraten Polizeibeamte in Situationen, die nicht zu unterschätzende mentale und körperliche Belastungen darstellen. Dabei ist es von herausragender Bedeutung, die Beamtinnen und Beamten mit ihren Erlebnissen nicht allein zu lassen. Die Sorge um die Mitarbeiter ist eine der wichtigsten Aufgaben der Vorgesetzten. Sie sind insbesondere nach schwierigen Einsatzsituationen in der Pflicht, wachsam und sensibel auf die Belastungen der betroffenen Kollegen einzugehen. Ist die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter Opfer einer Gewalttat im Dienst geworden, ist es notwendig, dass der Vorgesetzte gemeinsam mit der oder dem Betroffenen darüber entscheidet, ob es neben der medizinischen Versorgung von körperlichen Verletzungen weiterer professioneller Unterstützung oder Hilfe zur Verarbeitung des Erlebten bedarf. Eine erzwungene oder festgelegte Form der Hilfe ist nicht sinnvoll, da es auf die Freiwilligkeit des Einzelnen ankommt.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die erfolgreiche Arbeit der regionalen Beratungsstellen, die wir in allen Behörden betreiben. In Bezug auf die Fürsorge für Polizeibeamtinnen und -beamte sind diese ein wichtiges und ortsnahes Instrument zur Hilfeleistung.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir dieses Thema ernst nehmen. Ich hatte schon angekündigt, dass wir auf der nächsten Innenministerkonferenz die Ergebnisse in den einzelnen Arbeitsgruppen auswerten und dann auch darüber zu entscheiden haben, ob wir den rechtlichen Rahmen ebenfalls ausweiten müssen. Aber genauso wichtig ist, dass der Rechtsrahmen, gerade wenn Straftaten gegen Polizeibeamte stattgefunden haben, ausgeschöpft wird. Dies ist meines Erachtens wichtig; denn es kann nicht sein, dass, wenn überhaupt, nur ganz wenige Verurteilungen stattfinden, wenn bei Demonstrationen wie am 1. Mai in Berlin 500 Polizeibeamte verletzt werden. Das muss besonders ins Auge gefasst werden. Wahrscheinlich muss die Beweisführung noch einmal genau untersucht werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich stelle nunmehr die Beschlussfähigkeit des Parlaments fest.

Die erste Zusatzfrage stellt der Kollege Coenen von der CDU-Fraktion. Ich erteile ihm das Wort.

Ich frage die Landesregierung: Ist die Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte nur in Niedersachsen zu verzeichnen, und wie sieht die Statistik in den anderen Bundesländern aus?

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Coenen, dieses Phänomen gibt es bundesweit. In den letzten zehn Jahren gab es bundesweit einen Anstieg von 30 bis 40 %. In Niedersachsen haben wir einen Anstieg um 60 % gehabt. Dies werden wir zusammen mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut untersuchen.

Es gibt einige Erklärungsansätze, warum in Niedersachsen mehr Straftaten begangen worden sind. Zum einen finden bei uns häufiger als in anderen Bundesländern Rechts-Links-Demonstrationsgeschehen statt, in deren Zusammenhang es häufiger zu Straftaten gegen Polizeibeamte kommt. Zum anderen gibt es ein Phänomen, das erst seit einigen Jahren in dieser Form strafrechtlich verfolgt wird, nämlich den Straftatbestand „häusliche Gewalt“. Das scheint sich in den Bundesländern unterschiedlich zu entwickeln. Auch das Anzeigeverhalten scheint unterschiedlich zu sein.

Das sind aber nur erste Erkenntnisse. Im November/Dezember werden wir vielleicht schon etwas mehr wissen, wenn die ersten Ergebnisse dieser Studie vorliegen. Spätestens nach Abschluss der Auswertung können wir Genaueres dazu sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Oetjen von der FDP-Fraktion.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung: Können Sie uns noch genau

erklären, wie die Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts erarbeitet wird - was genau also untersucht wird -, ob es in der Vergangenheit schon wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema gegeben hat und wie die Ergebnisse gewesen sind?

Herr Minister Schünemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Zeitraum von 1995 bis 2000 liegt eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts vor. Untersucht wurde - um ein wesentliches Kriterium herauszugreifen -, welche Delikte gegen Polizeibeamte vorgelegen haben, die sieben Tage dienstunfähig geschrieben wurden. Das wurde genauer analysiert.

Die Studie, die wir jetzt in Auftrag gegeben haben, wird natürlich ebenfalls genau dies untersuchen, um vergleichen zu können. Wir wollen aber noch mehr wissen. Auch wenn Beamte nur für drei Tage dienstunfähig oder gar nicht dienstunfähig geschrieben worden sind, aber trotzdem eine Straftat angezeigt wurde, wollen wir wissen, was dahinter steckt. Wir wollen hier sehr viel tiefgreifendere Erkenntnisse erlangen, um dann bewerten zu können, ob es notwendig ist, dass der Rechtsrahmen ausgedehnt wird, oder ob es andere Möglichkeiten gibt.

Viel wichtiger für uns sind die Ergebnisse dazu, ob wir auch den Schutz der einzelnen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten noch weiter ausbauen müssen. Dann können wir natürlich genauer sagen, wo die Schwerpunkte liegen. Insofern erhoffen wir uns von dieser Studie Erkenntnisse darüber, ob wir rechtlich etwas tun müssen. Ganz wichtig ist, dass wir unsere Aus- und Fortbildung vorbeugend darauf ausrichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Bode von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich, wenn sich eine Gesellschaft in ihrem Verhalten gegenüber den Polizeibeamten ändert, dies nicht ausschließlich auf

den Bereich körperlicher Gewalttätigkeiten beschränkt, sondern die Entwicklung meistens schon vorher anfängt, frage ich die Landesregierung: Gibt es neben den Erkenntnissen über die Entwicklung bei den körperlichen Gewalttätigkeiten auch Erkenntnisse über Veränderungen und Entwicklungen bei anderen Delikten wie z. B. Ehrverletzungsdelikten oder Beleidigungen gegen Polizeibeamte, und wie bewertet Landesregierung diese?

Herr Minister Schünemann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genau das ist das Problem. Wir kennen jetzt zwar die Gesamtzahl - nämlich 2 500 -, können aber noch nicht genau differenzieren, wie schwer das einzelne Delikt war, ob es sich um Ehrverletzungen bzw. Beleidigungen handelte usw. Deshalb war es notwendig, dass wir diese Studie in Auftrag gegeben haben.

Ich hatte auch gesagt, dass der AK II sich darauf verständigt hat, dass wir in Zukunft bei der PKS automatisch differenzierte Angaben haben, sodass wir in der Zukunft dazu relativ schnell Auskunft geben können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht möglich. Gefühlt - da will ich Ihnen durchaus meine Meinung sagen - habe ich schon den Eindruck, dass gerade die Anerkennung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bei einigen - Gott sei Dank bei wenigen! - nicht so ist, wie wir es uns wünschen.

Damit das in Zukunft geahndet wird, brauchen wir die Erkenntnisse. Dann muss ganz konsequent dagegen vorgegangen werden. Aber da man sich hierbei nicht auf das Gefühl verlassen sollte und wir Erkenntnisse haben wollen, haben wir die Studie in Auftrag gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Angesichts der Tatsache, dass die polizeiliche Kriminalstatistik lediglich eine Statistik der Anzeigen ist, hinsichtlich der vermeintlichen Täter also eine Verdächtigenstatistik, stellt sich die Frage: Wie stellt sich das Bild hinsichtlich der Ver

urteilungen dar, also hinsichtlich der Verurteilungsstatistik, die bei der Justiz geführt wird?

Herr Minister Schünemann!

Zahlen liegen mir nicht vor. Ich schaue hinüber zu Herrn Busemann. - Wenn das jetzt nicht geht, werden wir das nachreichen, sobald uns die Zahlen vorliegen.

Herr Minister Busemann!

Meine Damen und Herren! Herr Kollege, es gibt keine differenziert ausgewiesene Verurteilungsstatistik.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Warum nicht?)

Herr Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Vor dem Hintergrund, dass bereits im Januar dieses Jahres auf Spiegel online nachzulesen war, dass der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg die Gewalt gegen Polizeibeamte wie folgt auf den Punkt gebracht hat:

„Die Ursachen des Problems sind bekannt: gescheiterte Integration, vernachlässigte Erziehung, berufliche Perspektivlosigkeit.“,

frage ich die Landesregierung: Teilt sie diese Einschätzung, und was gedenkt sie diesbezüglich zu tun? Es besteht kein Zweifel, dass der Schutz der Beamten und die Strafahndung wie beschrieben verbessert werden müssen. Hier geht es aber sehr stark um den Präventionsbereich. Teilt die Landesregierung diese Einschätzung von Herrn Freiberg?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schünemann!

In der PKS ist seit einigen Jahren zu erkennen, dass nicht nur die Gewalt gegen Polizeibeamte, sondern die Gewalt insgesamt in der Gesellschaft zugenommen hat. Wir sind ja froh, dass die Gewalt von Kindern und Jugendlichen etwas, um etwa 4 %, zurückgegangen ist. Aber gerade auch bei Kindern und Jugendlichen hatten wir in den letzten Jahren einen enormen Anstieg zu verzeichnen. Es ist somit eigentlich nur eine Stabilisierung auf hohem Niveau, womit wir nicht zufrieden sein können.

Vor dem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass es sich dabei um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Deshalb ist es notwendig, dass wir gerade auf den Bereich der Prävention großen Wert legen. Aus diesem Grunde haben wir in Niedersachsen etwa 200 Präventionsräte und den Landespräventionsrat. Dort werden sehr viele und auch sehr gute Maßnahmen ergriffen. Ich muss hier wohl nicht im Detail darstellen, welche Anstrengungen gerade auch vor Ort unternommen werden.

Natürlich muss insgesamt die Betreuung von Kindern und Jugendlichen mehr in den Fokus rücken. In der Vergangenheit ist oftmals die Familie Halt gewesen. Das ist - Gott sei Dank! - bei vielen jetzt auch noch der Fall. Wir brauchen aber ergänzende Angebote. Deshalb ist der Ausbau von Ganztagsschulen genau der richtige Weg. Dieses Ziel verfolgt in diesem Zusammenhang auch die Landesregierung.

Gerade nach dem Amoklauf von Winnenden ist aber noch einmal deutlich geworden, dass wir uns darüber hinaus auch Gedanken über die Medienkompetenz machen müssen. In dieser Hinsicht bin ich - das wissen Sie - noch nicht ganz zufrieden. Sie wissen, dass wir hier bei der Landesmedienanstalt einige Konzepte durchgeführt haben; das ist richtig und notwendig. Ich habe durchaus Probleme damit, dass gerade auch im öffentlichrechtlichen Bereich immer wieder Gewalt dargestellt wird, und zwar auch zu Zeiten, die meiner Ansicht nach nicht richtig sind. Das muss meiner Meinung nach mehr thematisiert werden.

Der nächste Punkt wird in diesem Haus wohl nicht von allen geteilt: Wenn man sich vorstellt, dass Kinder und Jugendliche mit Killerspielen umgehen, als wenn es sich um normale Spiele handelte, dann ist meine Forderung dazu ziemlich klar. Ich bin sehr froh, dass die Innenministerkonferenz

hierzu einmütig etwas beschlossen hat. Es wäre toll gewesen, wenn die Große Koalition dies auch noch neben der Änderung des Waffenrechts beschlossen hätte.