Das werden wir tun. Wir werden in der Anhörung darüber reden. Wir werden auch darüber reden, welche Wege bisher beschritten worden sind. Ich glaube, in der Argumentation ist manches verrutscht. Man muss nicht gleich zum Gericht. Das, was hier als hehrer Grundsatz früherer Rechtsstaatlichkeit in Niedersachsen dargestellt wird, nämlich dass sich im Widerspruchsverfahren Behörde, Widerspruchsbehörde und Antragsteller geeinigt haben, war im Einzelfall so.
Fragen Sie doch einmal, wie die Kommunen das jetzt handhaben. Bürgernähe ist nach wie vor gegeben. Ohne Widerspruchsverfahren funktioniert das ebenfalls. Wir können Ihnen eine ganze Reihe von Ergebnissen vorlegen, an denen man sieht, dass Kommunen - unabhängig von der Frage des Widerspruchsverfahrens - sehr wohl und sehr viel stärker als früher den Dialog mit dem Bürger suchen, so dass es gar nicht zur Klage kommen muss.
Weil Sie das bestreiten, möchte ich Sie darauf verweisen, dass Herr van Nieuwland, den Sie gern als Kronzeugen für Ihre Thesen anführen, zum Rückgang der Klageverfahren - man beachte: Rückgang - von 2005 auf 2006 feststellt, dass viele Behörden, um Klageverfahren zu vermeiden, dazu übergegangen sind, dem Empfänger eines belastenden Verwaltungsaktes nahe zu legen, Kontakt mit der Behörde aufzunehmen, wenn er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.
Ja, meine Damen und Herren, das war von uns durchaus so gewollt. Wir wollen weg vom Staat, der immer nur anordnet, wir wollen den Dialog, und wir sehen an zig Beispielen im Land an jedem Tag, dass das hervorragend funktioniert.
Nun möchte ich Ihnen noch Folgendes mit auf den Weg geben: Die Verwaltungsreform, die wir durchgeführt haben, hatte das Widerspruchsverfahren als einen Ansatzpunkt neben einer Reihe weiterer Punkte. 6 743 Stellen können wir damit entbehrlich machen. Das entlastet den Landeshaushalt und gibt uns Spielräume für andere Politikbereiche. Das sollte eigentlich auch in Ihrem Interesse sein.
Ich verstehe nicht, warum Sie immer noch die Vergangenheitskämpfe um das Widerspruchsverfahren in einer solchen Pauschalität führen können. Wenn wir auf die Kassandrarufe von damals gehört hätten, wären wir jetzt in der dritten oder vierten Aufgabenanalyse, in internen Arbeitsgruppen, in Gutachten, Gegengutachten und Anhörungen. Was wir geschafft haben, sind nachhaltige Entbürokratisierung und Deregulierung zum Wohl der Bürger in unserem Land, aber nicht zu deren Schaden. Das stellen Sie hier permanent falsch dar, meine Damen und Herren.
Ich möchte mit einer positiven Bemerkung schließen. Ich fand es gut, dass keine der drei Oppositionsfraktionen mit dem Wort „Bezirksregierung“ hantiert hat und dass man endlich eingesehen hat, dass dieser Behördenaufbau sich überlebt hat. Wir sind auf dem Weg zu einer konsequenten Zweistufigkeit der Verwaltung; diese ist in allen Bereichen fast umgesetzt. Das ist im Interesse aller, auch derjenigen, die möglicherweise in einem Verfahren ihr Recht suchen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die wesentlichen Argumente für den Gesetzentwurf sind vom Kollegen Wiese eben schon hinreichend angesprochen worden. Ich kann mich dem voll anschließen.
Empfehlungen und Details des Gutachtens und der Evaluation werden im Ausschuss ausführlich erörtert werden. Die neuesten Entwicklungen bezüglich der Neueingänge der Verfahren bei den Gerichten werden zu bewerten sein, wie auch die geplanten Weiterentwicklungen in den Bescheid gebenden Behörden. Deshalb appelliere ich an die Opposition: Es ist Zeit. Beenden Sie nach sechs Jahren endlich Ihre Trauerarbeit wegen des Verlustes der Bezirksregierungen.
Danke schön. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Zur federführenden Beratung soll der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres, Sport und Integration überwiesen werden. Mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Sehe ich Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Das ist auch nicht der Fall. Dann ist das einstimmig so beschlossen. Herzlichen Dank.
Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Informationsfreiheit in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1474
Zur Einbringung hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Limburg zu Wort gemeldet. Bitte schön!
ein Entwicklungsland in Sachen Informationsfreiheit. Während mittlerweile in elf Bundesländern, darunter übrigens auch solche mit CDU-Innenministern, Informationsfreiheitsgesetze bestehen, während der Bund ein Informationsfreiheitsgesetz hat, während die Europäische Union Regelungen trifft, um den Zugang zu ihren Dokumenten für alle Bürgerinnen und Bürger zu öffnen, gilt in Niedersachsen weiterhin das preußische Prinzip des Amtsgeheimnisses.
Wir haben gerade unter dem letzten Tagesordnungspunkt so häufig - vom Vertreter der CDUFraktion, vom Innenminister - davon gehört, dass sich das Amtsverständnis in Niedersachsen wandeln soll, dass wir ein modernes Amtsverständnis, ein offenes Amtsverständnis bekommen sollen. Meine Damen und Herren, das kann doch nicht nur für das Widerspruchsverfahren gelten. Das muss doch auch in anderen Bereichen, z. B. im Bereich der Informationsfreiheit, Gültigkeit haben.
Aber in Niedersachsen gilt das Prinzip, dass staatliche Akten erst einmal grundsätzlich vertraulich sind und besondere Gründe vorliegen müssen, damit einfachen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu diesen Akten gewährt wird.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Preußen besteht nicht mehr, Preußen ist aufgelöst. Genauso löst sich das alte Obrigkeitsstaatsverständnis langsam, aber sicher auf und wird verschwinden.
Zu einem modernen, transparenten demokratischen Staat, der auf die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger wert legt, passt eine offene und transparente Verwaltung, aber nicht das Prinzip des geschlossenen Aktendeckels.
Wir Grüne wollen den Aktendeckel öffnen. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger größtmöglichen Einblick in staatliches Handeln haben.
Aufgabe von Politik und Verwaltung muss es doch sein, die Beweggründe für ihr Handeln den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen. Nur so besteht die Chance auf mehr Identifikation mit dem und Engagement für das Gemeinwesen.
Mit unserem Gesetzentwurf kehren wird das Prinzip um: Zukünftig muss nicht mehr die Bürgerin oder der Bürger rechtfertigen, dass sie oder er Einblick in behördliche Akten nehmen möchte; vielmehr muss die Behörde begründen, wenn sie im Einzelfall ein Auskunftsersuchen ablehnt.
Der Auskunftsanspruch der Bürgerinnen und Bürger erstreckt sich dabei grundsätzlich auf alle Akten des Landes sowie der Kommunen. Aber auch juristische Personen des Privatrechts, die faktisch vom Land oder einer Kommune beherrscht werden, sind von diesem Gesetz erfasst. Wir wollen damit eine sogenannte Flucht ins Privatrecht verhindern. Der Informationsfreiheitsanspruch darf nicht durch eine Rechtsformänderung ausgehebelt werden.
Gerade die jüngsten Ereignisse, über die wir heute morgen gesprochen haben - die geheim gehaltenen Gorleben-Akten, die Ungereimtheiten und die Geheimniskrämerei der Regierung rund um die Asse-Akten und nicht zuletzt die Affäre Brandt, die sich ohne Öffnung der Akten für die Öffentlichkeit
wohl nie wird aufklären lassen -, zeigen, wie wichtig es ist, Transparenz und Offenheit im Umgang mit Akten an den Tag zu legen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ralf Briese [GRÜNE]: Wir wol- len Freiheit in Niedersachsen! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Freiheit statt Ak- tenmief!)