Protokoll der Sitzung vom 26.08.2009

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ralf Briese [GRÜNE]: Wir wol- len Freiheit in Niedersachsen! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Freiheit statt Ak- tenmief!)

Bisherige Untersuchungen zeigen auch, dass Transparenz - z. B. durch Informationsfreiheitsgesetze - ein wichtiger Beitrag zur Korruptionsprävention ist.

Die wirksamste Kontrolle z. B. im Bereich von Vergabeverfahren ist es doch, wenn Bürgerinnen und Bürger jederzeit Einblick in die Akten nehmen können, jederzeit Einblick in die zugrunde gelegten Kriterien nehmen können und sich so selbst ein Bild von den Entscheidungen machen können.

Meine Damen und Herren, nach der bisherigen Erfahrung zeigt das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes viele positive Wirkungen.

Aber es gibt auch negative Beispiele. Mehrfach haben Bundesbehörden für den Zugang zu Informationen Gebühren in einer Höhe verlangt, die den Informationszugangsanspruch faktisch aushebelt.

Deshalb schlagen wir mit diesem Gesetzentwurf klare Regeln vor: Einfach mündliche und schriftliche Auskünfte müssen grundsätzlich gebührenfrei sein. Ansonsten dürfen Kopierkosten natürlich in Rechnung gestellt werden. Auskünfte von Schulen und Hochschulen sind ebenfalls gebührenbefreit. In jedem Fall ist die Behörde gehalten, bei der Erstellung der Gebührenbescheide darauf zu achten, dass das Recht auf Informationsfreiheit wirksam in Anspruch genommen werden kann.

Natürlich gibt es schutzbedürftige Bereiche, die auch weiterhin geheim bleiben sollen und müssen. Entsprechende Klauseln finden sich im Gesetzentwurf. Auch der Schutz von Persönlichkeitsrechten, der Datenschutz also, kann die Geheimhaltung von Akten gebieten.

Aber in jedem Fall muss eine Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der betroffenen Personen und dem Informationsanspruch stattfinden. Keinesfalls darf es pauschale Ablehnungen von Anträgen geben.

Um ein Nebeneinander verschiedener Auskunftsansprüche so weit wie möglich zu vermeiden, integrieren wir das in Niedersachsen bereits beste

hende Umweltinformationsgesetz in unseren Gesetzentwurf, sodass klar ist, dass die Bürgerinnen und Bürger sich bei Auskunftsersuchen stets auf dieses Landesgesetz stützen können und nicht in einem Nebeneinander verschiedener Anspruchsgrundlagen suchen müssen.

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, ich fordere Sie zu einer ergebnisoffenen Debatte über dieses wichtige Thema auf. Kritisieren Sie unseren Entwurf! Stellen Sie Änderungsanträge! Aber beschäftigen Sie sich ernsthaft mit dem Thema Informationsfreiheit!

Gerade Sie als FDP müssten sich doch an die Zeit vor der Landtagswahl erinnern. Da haben Sie in Wahlprüfsteinen ausdrücklich gesagt, dass Sie sich für ein Landesinformationsfreiheitsgesetz einsetzen werden.

(Jörg Bode [FDP]: Haben wir auch!)

Jetzt kämpfen sie doch einmal für Ihre Inhalte! Machen Sie doch deutlich, dass Sie eigenständige Forderungen haben und nicht nur ein Wahlhilfsverein der CDU sind!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Linken)

Es gibt durchaus weitere Stimmen, denen Informationsfreiheit ein Anliegen ist. Lassen sie mich dazu Folgendes zitieren:

„Ein immer größeres Heer von amtsverschwiegenen Bürokraten macht es den Bürgern immer schwerer, im Dickicht der verwalteten Welt überhaupt noch durchzublicken. … Auf gut Deutsch heißt dies: Dem Bürger wird ein Vertrauen in die Amtsführung abverlangt, ohne ihm die Möglichkeit an die Hand zu geben, die Rechtfertigung dieses Vertrauens nachzuprüfen. … Ein ‚Freedom of Information Act’ würde unserem Staatsverständnis sehr guttun.“

Na, von wem kommt das, meine Damen und Herren von der CDU? - Das war ein Zitat des früheren Kultusministers Dr. Werner Remmers aus dem Jahre 1981. Ich finde, dieser Mann hat sehr recht.

Meine Damen und Herren, machen wir den Weg frei für einen modernen, offenen, transparenten Staat in Niedersachsen! Lassen wir die Bürgerinnen und Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen teilhaben! Wir brauchen ein Informations

freiheitsgesetz in Niedersachsen. Die Zeit ist mehr als reif dafür.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht zum gleichen Thema Herr Kollege Haase.

(Jens Nacke [CDU]: Hört doch sonst auch einmal auf Werner Remmers!)

Wir wollen nicht nur über alte Zeiten reden, als bei Ihnen noch vernünftige Leute waren.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Menschen in unserem Land sollen endlich freien Zugang zu den Informationen von niedersächsischen Behörden - im Land und in den Kommunen - bekommen. Das ist - Herr Limburg hat es gerade gesagt - der Kern des jetzt von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Gesetzentwurfes, der unser Land endlich auf die gleiche Höhe wie den Bund und elf andere Bundesländer bringen will.

Schluss mit Geheimniskrämerei, mehr Transparenz im Verwaltungshandeln, vielleicht mehr Schutz vor Korruption, auf jeden Fall aber mehr Beteiligungsrechte für unsere Bürgerinnen und Bürger: Dies würde in meinen Augen die Akzeptanz staatlichen Handelns, ob durch Landesbehörden oder auf kommunaler Ebene, entscheidend stärken

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und idealerweise sogar zum Abbau von Misstrauen und Vorurteilen gegenüber der Verwaltung führen. Wir alle betonen doch bei jeder Gelegenheit eine moderne Bürger- und Zivilgesellschaft - das Wort „Dienstleistungsgesellschaft“ ist hier gerade gefallen; wir beschwören sie quasi -, freien Zugang zu den Informationen in unserem Land aber gibt es bislang nicht.

Das ist inkonsequent, meine Damen und Herren. Offensichtlich sollen die Menschen in unserem Land so viel Freiheit dann doch nicht haben. Anders ist die Antwort von Herrn Busemann vom 8. Oktober letzten Jahres auf eine Anfrage der Grünen wohl nicht zu verstehen, als er erklärte, die Niedersächsische Landesregierung sehe für ein solches Gesetz keinen Bedarf, ein solches Gesetz

brächte keinen Nutzen, und - so sagte er sinngemäß - Transparenz sei umfassend gewährleistet.

Meine Damen und Herren, das ist genau die Argumentation, die wir wiederholt in Debatten zu diesem Thema gehört haben und die wir, wie ich befürchte, auch dieses mal wieder in den Ausschussdebatten oder sogar gleich hier hören werden. Sie werden uns erklären, dass es umfangreiche Akteneinsichtsrechte für alle Beteiligten gibt, dass es Veröffentlichungspflichten gibt, dass die Verwaltung für teures Geld ganz viel Mehrarbeit leisten müsste, der Verwaltungsaufwand also ein ganz erheblicher wäre. Vielleicht wird Herr Professor Zielke erneut darauf hinweisen, dass man keine überflüssigen Gesetze schaffen wolle.

Aber ich sage Ihnen: Wir brauchen eine Diskussion mit neuen Argumenten. Wie es nämlich mit Transparenz und Offenheit in unserem Lande aussieht, das müssen zurzeit wir als Abgeordnete mit parlamentarischen Rechten mehr als bitter erleben. Es ist gerade gesagt worden:

Akteneinsicht im Fall Eberhard Brandt? - Am besten alles unter Verschluss, geheim und vertraulich!

Akteneinsicht in der Affäre um die Landeskrankenhäuser? - Die Leute aus dem Sozialausschuss rennen hinter den Akten her. Alles geheim, alles vertraulich.

Das Trauerspiel um die Gorleben-Akten. Alles geheim, am besten gar nicht darüber reden.

Von den Akten in Sachen Asse will ich gar nicht reden. Tröpfelnd treffen sie ein, wenn sie denn eintreffen.

Das ist leider Ihre Transparenz, Ihre Offenheit.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wie mag es da erst dem einfachen Bürger ohne parlamentarische Rechte gehen?

Nein, wir brauchen auch in Niedersachsen endlich ein Informationsfreiheitsgesetz wie in mittlerweile elf anderen Bundesländern, die im Übrigen überwiegend von Schwarz-Gelb regiert werden. Nur die Achse der Stagnation aus Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen scheut offensichtlich die Freiheit. Dagegen feiert ein schwarz-grüner Senat in Hamburg sein Gesetz. NRW und Schleswig-Holstein leben sehr gut damit. Ich frage Sie: Sind da die Verwaltungen zusammengebrochen? - Nein, diese Angst ist nur vorgeschoben, nicht durch Fakten belegbar. Man schiebt sie vor, weil

man ein solches Gesetz nicht will. In keinem der Bundesländer mit einem entsprechenden Gesetz gibt es Klagen darüber, dass die Verwaltung lahmgelegt wäre.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber wir können im Rahmen ernsthafter Beratungen noch einmal intensiv darüber nachdenken und auch nachfragen.

Herr Professor Zielke, die FDP hatte im bayerischen Landtagswahlkampf erneut ganz deutlich im Parteiprogramm: Wir wollen ein Informationsfreiheitsgesetz für Bayern. - Kaum ist sie in der Koalition, ist das vergessen - das gleiche Spiel, das Sie in Niedersachsen gespielt haben: Erst versprechen Sie den Menschen Freiheit, und am Schluss, in den Koalitionen, haben Sie alles vergessen, was vorher versprochen worden war.

Sie sollten sich einmal überlegen, ob Sie damit auf Dauer durchkommen. Wir haben Sie längst entlarvt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich jedenfalls bin froh, dass wir uns nun mit einem ausformulierten Gesetzentwurf auseinandersetzen dürfen, der auch sehr deutlich die Grenzen des Informationsrechtes formuliert. Es soll eben kein Neugierdegesetz werden.

Ich komme zum Schluss. Mehr Informationsfreiheit für die Bürger in unserem Land - dazu sollten auch Sie jetzt in ernsthaften Beratungen endlich den Mut aufbringen und nicht nur jubeln, wenn Herr Schäuble neugierig auf unsere Festplatten schaut oder wenn darüber nachgedacht wird, wie das Internet möglicherweise zensurmäßig noch sicherer gefahren werden kann.

(Glocke der Präsidentin - Christian Dürr [FDP]: Wer hat denn in Berlin mitgestimmt?)

Freiheit und Demokratie sind nun einmal schwierig und manchmal auch sehr teuer, setzen aber immer voraus, dass die Menschen in unserem Land auch die Chance haben, das Handeln ihrer Verwaltung zu kontrollieren.