Protokoll der Sitzung vom 26.08.2009

Freiheit und Demokratie sind nun einmal schwierig und manchmal auch sehr teuer, setzen aber immer voraus, dass die Menschen in unserem Land auch die Chance haben, das Handeln ihrer Verwaltung zu kontrollieren.

(Christian Dürr [FDP]: Was hat Schily denn gemacht?)

Dazu brauchen sie Informationen. Dazu brauchen wir ein Informationsfreiheitsgesetz. Für eine Zivil

gesellschaft, wie wir sie wollen, ist das in meinen Augen ein unbedingtes Muss.

(Beifall bei der SPD)

Das war ein guter Schlusssatz. Ihre Redezeit ist bereits abgelaufen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Ich habe aber noch einen!)

Einen letzten Satz!

Ich hoffe, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP auf wirklich saubere, ernsthafte Beratungen und nicht auf die platten Argumente der letzten Diskussionen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE] und von Pat- rick-Marc Humke-Focks [LINKE])

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Haase hat sich Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Sie ja in der Debatte die ganze Zeit auf Koalitionsverhandlungen, Wahlprogramme und die Aussagen der FDP abheben, möchte ich Sie, Herr Haase, kurz erinnern, wie es war , als die SPD in Regierungen Verantwortung getragen hat und auch Koalitionen eingegangen ist, wie das bei den Koalitionsverhandlungen war.

Nehmen wir beispielsweise einmal die Verhandlungen nach der letzten Bundestagswahl zur großen Koalition. Was haben Sie denn vorher im Wahlkampf zur Mehrwertsteuer gesagt, und was haben Sie dann beschlossen? War es nicht Ihr Parteivorsitzender Müntefering, der gesagt hat: „Man darf uns doch nicht an den Versprechungen, die wir vor der Wahl gemacht haben, messen“?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Bei der FDP ist das genauso!)

Herr Haase, ich will Ihnen eines sagen: Wir sind mit unserem Wahlprogramm und mit der Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz angetreten und haben diese in die Koalitionsverhand

lungen eingebracht. Da kann man sich in einigen Punkten durchsetzen, und in anderen Punkten kann man sich nicht durchsetzen. Es war nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in anderen Bundesländern. Von daher gilt am Ende das, was in den Koalitionsverhandlungen unter beiden Partnern tatsächlich herausgekommen ist.

Solange Sie nicht die absolute Mehrheit im Bund stellen - das wird ja auch nicht passieren -, werden Sie immer Kompromisse eingehen und sich hinterher an die Kompromisse halten müssen. Das wissen die Menschen auch. Deshalb sollten Sie hier, wo Sie gerade selber genau die gleichen Probleme haben, diese Diskussion nicht so nach vorne stellen.

Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das war auf die Sekunde genau. - Herr Kollege Haase, jetzt haben auch Sie anderthalb Minuten.

Ach, Herr Bode! Man kann ja über vieles lamentieren. Aber wir reden hier heute über das Informationsfreiheitsgesetz. Ich sehe eine FDP, ich sehe eine liberale Partei oder eine Partei, die sich liberal nennt und das immer wieder in ihren Wahlprogrammen hat, die aber nichts tut, sich dafür stark zu machen.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das ist nicht wahr!)

Sie können hier mit uns wahrscheinlich eine breite Mehrheit in einem ordentlichen Verfahren bekommen, und wir werden ein schönes Informationsfreiheitsgesetz erhalten. Ich freue mich auf Ihre konstruktiven Beiträge.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wer wird denn Bezirksschatz- meister? - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Was willst du denn wis- sen? - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Du musst die Akten offenle- gen! - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Welche Akten? - Ge- genruf von Karl-Heinz Klare [CDU]: Wer wird Bezirksschatzmeister?)

Ich finde das unheimlich spannend. Soll ich die Sitzung für einen Augenblick unterbrechen? - Of

fenkundig ist das nicht der Fall. - Von der CDUFraktion hat sich Herr Kollege Nerlich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haase, den Blick in die Vergangenheit, den Sie hinsichtlich vernünftiger Politiker bemüht haben, können wir gerne vertiefen. In seiner Zeit als Innenminister hat Herr Bartling trefflich und in aller Ausführlichkeit begründet, warum er ein Informationsfreiheitsgesetz ablehnt. Dieser Diskussion wollen wir uns im Ausschuss durchaus stellen. Darüber werden wir im Ausschuss in aller Ausführlichkeit diskutieren können.

Der Kollege Dr. Biester hat in der letzten Wahlperiode mit treffender Präzision von diesem Platz aus prognostiziert, dass wir uns nach der Ablehnung in der vorangegangenen Wahlperiode aller Voraussicht nach in dieser Wahlperiode wieder mit einer Gesetzesinitiative der Grünen zum Informationsfreiheitsgesetz befassen werden. Angesichts dieser Tatsache könnte ich im Grunde genommen sagen, alle Argumente unserer Fraktion sind bekannt. In der ersten Beratung will ich mich deswegen auch relativ kurz fassen und nur einige grundsätzliche Anmerkungen machen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Keine neuen Erkenntnisse?)

An diesem Gesetzentwurf wird eines wieder sehr deutlich: Dieser Gesetzentwurf steht für mehr Bürokratie, für mehr Verwaltung, für mehr Vorschriften.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Oh Mann!)

CDU, FDP und die Landesregierung stehen für weniger Bürokratie, für weniger Vorschriften, für weniger Gesetze.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Das haben wir in der vergangenen Wahlperiode bewiesen und dazu stehen wir noch immer. Deswegen ist es für uns notwendig, dass sich ein Bedarf für ein neues Gesetz und ein konkreter Nutzen daraus ergibt. Den Beweis dafür sind Sie noch schuldig geblieben. Vielleicht ergibt das die Diskussion in den Ausschüssen. Denn Sie tun ja so - ich denke, das ist verkehrt -, als ob kein Bürger dieses Landes ein Recht auf auch nur irgendeine Information hätte. Herr Haase, Sie haben es doch selber treffend ausgeführt: Für alle, die betroffen sind, gibt es zahlreiche Informationsrechte, im

Verwaltungsverfahrensgesetz, in Spezialgesetzen. Insofern sehen wir keine Notwendigkeit, den umfassenden Informationsanspruch, den es jetzt schon gibt, noch weiter durch ein neues Gesetz auszuführen. Jeder Betroffene hat Einsichts- und Informationsrechte. Das ist aus unserer Sicht auch richtig und gut. Aber mehr ist dazu aus unserer Sicht nicht notwendig.

Herr Nerlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Haase?

Ich stimme Ihnen ja zu, dass es in vielen Gesetzen jeweils einzelne Anspruchsgrundlagen für Informationen gibt. Aber würden Sie mir zustimmen, dass das dem Bürger meist völlig unbekannt ist und dass wir einfach ein einziges Gesetz brauchen, das als einheitliche, allgemein bekannte Grundlage einen umfassenden Rechtsanspruch für die Bürger begründet?

Herr Nerlich!

Herr Kollege Haase, es mag sein, dass den Bürgern noch unbekannt ist, welche Informationsrechte sie haben. Aber ich glaube nicht, dass Sie die Situation in Bezug auf diese Unkenntnis verbessern, indem Sie im Parlament einfach ein neues Gesetz verabschieden. Über die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger können wir schon jetzt aufklären. Daran ändert das neue Gesetz überhaupt nichts.

Ich sehe meine kleine Kommune, in der ich wohne, mit ihrer kleinen Verwaltung und stelle mir vor, dass nach diesem Gesetzentwurf nicht nur jeder Bürger dieser Gemeinde, jeder Bürger der Samtgemeinde, jeder Bürger des Landkreises, sondern auch jeder Bürger aus Niedersachsen, aus ganz Deutschland, auch jeder Bürger weltweit ein Informationsrecht gegenüber dieser Gemeinde mit ihrer Miniverwaltung haben soll. Welcher Aufwand müsste dafür betrieben werden? Ohne dass jemand einen konkreten Anlass hat, wollen Sie ihm dieses Recht geben. Sie können doch nicht bestreiten, dass das zu mehr Verwaltungsaufwand

gerade für kleine Kommunen und kleine Verwaltungen und dass es auch zu mehr Kosten führt.

Herr Nerlich, ich unterbreche wieder. Jetzt möchte Herr Kollege Limburg Ihnen eine Frage stellen.

Jetzt spreche ich erst einmal zu Ende. - Eines finde ich verkehrt: Das Bild des Obrigkeitsstaates, das der Kollege Limburg, der Kollege Briese und in Teilen auch Sie gezeichnet haben, entspricht doch in Niedersachsen nicht mehr der Realität. Ich sage das ausdrücklich für die kommunale Praxis. Herr Haase, Sie als Kommunalpolitiker wissen das doch auch: Die Kommunen verstehen sich schon heute als Dienstleister des Bürgers. Kommunen arbeiten mit Bürgerinnen und Bürgern Hand in Hand. Das ist jedenfalls das, was ich aus kommunaler Praxis kenne. Deswegen sage ich: Das Bild des Obrigkeitsstaates, des Staates, der Kommune, die den Bürger als Bittsteller abfertigen, existiert hier nicht. Auch deswegen brauchen wir dieses weitreichende Informationsfreiheitsgesetz an dieser Stelle nicht.

Ich freue mich auf die weitere Beratung im Ausschuss, auf den Austausch weiterer Argumente, und beantrage für die CDU-Fraktion, weil wir meinen, dass es fachlich in das Ressort des Innenministeriums gehört, dass der Innenausschuss federführend für die Beratungen wird und der Rechtsausschuss und der Haushaltsausschuss weiterhin mitberatend dabei sind.

Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Nerlich hat Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, anderthalb Minuten!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Die Grundfrage in dieser Auseinandersetzung ist, Kollege Nerlich: Wem gehört der Staat? - Der Bürger hat sich nicht zu rechtfertigen, sondern umgekehrt hat sich der Staat zu rechtfertigen, wenn er dem Bürger etwas verweigert. Das ist der Wandel, den wir einführen wollen. Das blockieren Sie immer und sagen: Die Rechte sind schon ausgiebig. - Den Bürgerinnen und Bürgern dieser Gesellschaft gehören die Insti

tutionen. Deswegen müssen sie sich nicht rechtfertigen oder es irgendwie untermauern, wenn sie das entsprechende Wissen abfragen wollen.