Protokoll der Sitzung vom 28.08.2009

In diesem Zusammenhang spielen die vielfältigen Aktivitäten der Landesregierung eine wichtige Rolle: zum einen das beitragsfreie Kindergartenjahr, das die Partizipation gerade sozial schwacher Familien im Bereich der frühkindlichen Bildung deutlich erhöht, und zum anderen die große Aufgabe, die wir zu bewältigen haben, nämlich den Ausbau um 45 000 weitere Krippenplätze im Bereich der Null- bis Dreijährigen. Auch hier ist ein wichtiger Beitrag zu leisten, gerade um sozial Schwächeren zu helfen, weil es notwendig ist, eine Betreuung zu gewährleisten, damit man einer Er

werbstätigkeit nachgehen kann. Auch die Ganztagsschulen sind ein wichtiger Beitrag dazu.

Natürlich gab es Investitionsmittel des Bundes. Wer bezahlt denn aber Jahr für Jahr die Lehrerstunden für den Ganztagsbetrieb mit weit über 70 Millionen Euro?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das tun diese Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP.

Darüber hinaus haben wir 1,5 Millionen Euro an Zuschüssen für die Mittagsverpflegung zur Verfügung gestellt. Obwohl dies nicht in unsere ureigene Zuständigkeit fällt, entziehen wir uns nicht dieser sozialen Verantwortung. Das sollte von Ihnen auch einmal entsprechend gewürdigt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch bei den Laptopklassen gibt es entsprechende Möglichkeiten, wie sozial schwachen Familien vor Ort geholfen werden kann.

Grundsätzlich gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen der Opposition und den Regierungsfraktionen. Dieser Unterschied wurde auch gestern deutlich, als wir über den Bereich der frühkindlichen Bildung diskutiert haben. Sie wollen immer mit der Gießkanne über das Land gehen und versprechen Wohltaten. Wir sagen hingegen: Wir müssen ganz gezielt fördern. Deswegen war es auch richtig, die Lernmittelfreiheit - eine pauschale Förderung nach dem Gießkannenprinzip - abzuschaffen und die Mittel gezielt für andere Maßnahmen wie z. B. die Mittagsverpflegung zu nutzen.

Herr Kollege Försterling, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Wir stellen uns dabei also durchaus unserer sozialen Verantwortung. Früher ist in diesem Bereich jeder Schüler nach dem Gießkannenprinzip mit 17,19 Euro gefördert worden. Jetzt erfolgt eine Förderung der sozial schwachen Schüler mit 32,52 Euro. Genau das ist die richtige Politik. Wir müssen dort fördern, wo Bedarf besteht, und dürfen nicht einfach mit der Gießkanne über das Land gehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Borngräber sagen. Ich kann es nicht mehr ertragen, wie die Sozialdemokratie in diesem Land soziale Verantwortung heuchelt. Das ist wirklich unerträglich. Auf großen Plakaten ist zu lesen „Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen“; daneben ist eine schöne Juso-Aktivistin zu sehen, die an einer Privatuni studiert hat, die dafür 590 Euro im Monat nimmt. Das ist Heuchelei.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben das Wort für anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Försterling, wie wollen Sie hier eigentlich anders als mit der Gießkanne fördern, wenn Sie Sozialdaten gezielt überhaupt nicht erheben, wie aus der Großen Anfrage erkennbar wird? Auf die Hälfte der gestellten Fragen weiß die Landesregierung keine Antwort zu geben. Sie aber erzählen uns hier, Sie wollten gezielt fördern. Das geht nur, wenn man ganz genau weiß, wo gezielt gefördert werden kann. Dafür braucht man eine Datengrundlage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Försterling möchte antworten. Auch er hat anderthalb Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Korter, das ist eine unterschiedliche Herangehensweise. Wir haben gesagt: Wir haben die Eigenverantwortliche Schule, und wir wollen die Eltern eben nicht flächendeckend bis ins letzte Detail durch die Schulen zu ihren sozialen Verhältnissen befragen und dann statistische Daten erheben.

Vielleicht sollten Sie, anstatt sich ständig in finnischen Schulen und Kindergärten aufzuhalten, auch einmal niedersächsische Schulen und Kindertagesstätten besuchen. Dort werden vor Ort von den Schulleitungen und den Eltern gemeinsam Lösungen gefunden, wenn es z. B. um Klassenfahrten geht. Deswegen ist auch der Zuschuss für die Mittagsverpflegung unbürokratisch und ohne

eine entsprechende Datenoffenlegung der Eltern gewährt worden.

Es geht darum, die Mittel zu den Eltern zu bringen. Das ist viel wichtiger als statistische Erhebungen und Bürokratie, die Sie wollen. Die Menschen müssen gefördert werden. Sie sollten nicht dazu gezwungen werden, ihre Daten offenzulegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Kollegin Zimmermann zu Wort gemeldet. Sie haben noch eine Restredezeit von 1:38 Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Försterling, was Sie manchmal erzählen, finde ich - auch gerade heute - ziemlich erschreckend. Es ist den Realitäten überhaupt nicht nah. Ich will Ihnen einmal etwas erzählen: In meinem Haushalt sind sechs Kinder aufgewachsen. Ich war fünf Jahre arbeitslos. Ich wusste manchmal nicht, wie ich den Kindern den Aufenthalt im Gymnasium finanzieren soll. Sie glauben doch wohl wirklich nicht ernsthaft, dass dies an irgendeiner Stelle besser geworden ist. Es ist auch durch die Eigenverantwortliche Schule nicht besser geworden. Es gibt einfach keine gerechten Bildungschancen in Ihrem Schulsystem. Es gibt nur Ungerechtigkeiten. Der Bildungszugang bzw. die Bildungskarriere der Kinder ist vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Das ist die Wahrheit. Das können Sie auch mit Ihren Worten nicht vertuschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP hat noch eine Restredezeit von 2:01 Minuten. Herr Kollege Försterling, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Ich möchte hier nur einmal etwas aus meiner eigenen Biografie heraus feststellen. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema meiner Biografie bei Ihren Ausführungen eben ein bisschen mitgeschwungen hat.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ich kenne Ihre Biografie nicht!)

Ihre Ausführungen enthielten aber eine gewisse Unterstellung. Es gibt Kollegen hier im Haus, die

meine Biografie kennen. Sie wissen, dass es bei mir zu Hause nicht immer einfach gewesen ist, entsprechende Mittel aufzubringen.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Ich rede von meinen Kindern, nicht von Ihnen!)

Es hat trotzdem funktioniert. Das bringt doch deutlich zum Ausdruck, dass die Bildungschancen eben nicht maßgeblich vom Geldbeutel der Eltern abhängen. In unserem niedersächsischen Bildungssystem hat jeder die Chance, seinen Weg zu gehen, und zwar auf verschiedene Art und Weise. Das ist nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Wir haben in unserer sozialen Verantwortung, die wir als CDU/FDP-Koalition wahrnehmen, dafür gesorgt, dass es Sicherungssysteme gibt und dass jeder Schüler am Ende sein eigenes Erfolgserlebnis haben kann. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Es liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Försterling vor. Zunächst hat Frau Kollegin Heiligenstadt von der SPD-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Försterling, ich kann ja nachvollziehen, dass Sie es gerne so hätten, wie Sie es erzählen. Aber sogar die Zahlen in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Linken belegen eindeutig, dass bei einem Anteil von 14 % von Kindern aus Armutsfamilien - so nenne ich sie jetzt einmal - im Kindergarten zum Teil mehr als 45 % der Kinder aus armen Familien die Hauptschule und die Förderschule besuchen. Allein diese Zahlenangabe der von Ihnen getragenen Landesregierung belegt eindeutig, dass Sie hier nicht die Wahrheit sagen, wenn Sie sagen, dass der Bildungserfolg in Niedersachsen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Nun hat Frau Kollegin Reichwaldt für ebenfalls anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, wie kann man in dieser Art und Weise die Realität einfach nicht wahrnehmen oder in einer anderen Realität leben? Wir haben keine Bildungsgerechtigkeit.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie hat ihr persönliches Beispiel genannt! Das mag schlimm genug sein!)

Bildung hängt bei uns vom Geldbeutel ab. Liberale haben aber auch einmal anders gedacht. Ich zitiere hier einmal Frau Hamm-Brücher - ich unterstreiche das, was sie gesagt hat, ganz deutlich, weil der Ideologievorwurf ständig erhoben wird -: Die Ideologie ist ein heftiger Virus in der ganzen Bildungspolitik, und zwar schon in der Weimarer Republik, als die Progressiven, die Liberalen und die Sozialdemokraten eine längere Schulzeit für alle Kinder und keine Trennung schon nach dem vierten Schuljahr wünschten und mehr Förderung für Kinder in ausbildungsfernen Familien verlangten. - Es gab also auch einmal Liberale, die die Realitäten gesehen haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Danke schön. - Herr Kollege Försterling möchte antworten. Auch ihm stehen anderthalb Minuten zur Verfügung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu der Realität, wie sie sich aus der Antwort der Landesregierung ergibt: Wenn Sie sich die Zahlen, die Frau Heiligenstadt gerade angesprochen hat, einmal ganz genau ansehen, dann werden Sie feststellen, dass im Vergleich zum sonstigen Bildungssystem auf eine integrierte Gesamtschule unterdurchschnittlich wenige ärmere Schülerinnen und Schüler gehen. Angesichts dessen frage ich Sie, durch welches System hier soziale Selektion vorgenommen wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Sie wissen alle, dass Beschlüsse zur Sache in der Besprechung nach § 45 Abs. 5 Satz 3 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst werden. Ich kann

damit feststellen, dass die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Bewährte Behördenstrukturen erhalten - keine Experimente mit dem NLBV - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1320 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 16/1523

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.