Protokoll der Sitzung vom 28.08.2009

(Beifall bei der LINKEN)

Aber was macht diese Regierung? - Sie lassen 600 Millionen Euro, vor allem Einkommen- und Umsatzsteuer, wegen fehlender Steuerprüfer und Steuerfahnder einfach mal so auf der Straße liegen.

(Björn Thümler [CDU]: Das alte Mär- chen!)

Herrn Wulff interessiert das nicht; er ist gerade beschäftigt. Wir wissen, dass es ihn nicht interessiert. Sonst hätte er schon etwas gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erwarten, dass Niedersachsen im Bund Vorreiter für eine neue, gerechte Steuerpolitik wird. Ich fürchte, Herr Thiele, wir werden uns an dieser Stelle nicht auf das Gleiche verständigen können. Wir verstehen darunter etwas anderes.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist uns klar! Das wäre auch komisch!)

Aber ich will auch Ihnen gerne noch einmal erklären, was wir darunter verstehen. Sie sagen hier, Sie wollen mit Maß und Mitte aus der Krise. Sie versuchen es also mit Mittelmaß. Das ist alles, was Sie da versuchen.

(Beifall bei der LINKEN - Reinhold Coenen [CDU]: Mit Augenmaß!)

Allein die Wiedererhebung einer reformierten, verfassungsfesten Vermögensteuer würde netto 1 Milliarde Euro Mehreinnahmen für das Land Niedersachsen bringen. Auch die nachhaltige Besteuerung großer Erbschaften, die Wiederbelebung der Gewerbesteuer durch eine breitere Bemessungsbasis, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Einführung einer Börsenumsatzsteuer wie in Großbritannien würden deutliche Einnahmezuwächse für dieses Land bedeuten.

(David McAllister [CDU]: Haben Sie nicht noch mehr Steuererhöhungen?)

- Wir haben vor allem Steuerumgestaltungen zur Erreichung von mehr Gerechtigkeit.

(David McAllister [CDU]: Ah, so heißt das!)

Sie wissen offensichtlich nicht, was das ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir könnten die Finanzen der Städte und Gemeinden und auch des Landes bedeutend stärken, wenn Sie das politisch wollen würden.

(David McAllister [CDU]: Enteignun- gen! - Gegenruf von der LINKEN: Das machen Sie doch in Gorleben!)

Ich fordere alle Fraktionen in diesem Landtag auf, sich im aufgezeigten Sinne für Niedersachsen einzusetzen. Auf unseren Einsatz kann dieses Land jedenfalls zählen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Du hast jetzt die einmalige Chance, eine gute Rede zu halten!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr McAllister, ich habe mir gerade vorgestellt - - -

(David McAllister [CDU]: Nicht schon wieder ich! - Heiterkeit - Wolfgang Jüttner [SPD]: Immer auf die Dicken! - Weitere Zurufe)

- Ich wollte aber jetzt nicht mit der Atompolitik anfangen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Glück gehabt!)

Heute ist ja Herr Wulff da; dann kann ich ihn auch direkt ansprechen.

Herr McAllister, ich habe mir gerade vorgestellt, dass in 10 oder 20 Jahren ein Historiker die heutige Landtagsdebatte nachliest und sich die Frage stellt: Waren die sich damals eigentlich der Lage bewusst, in der sie sich befanden? Haben sie ihre Situation wirtschaftspolitisch, umweltpolitisch, sozialpolitisch richtig eingeschätzt? Haben sie die richtigen Analysen, die richtigen Schlüsse gezogen? Haben sie konstruktiv an einer Lösung gearbeitet?

(Björn Thümler [CDU]: Nur! - Dr. Karl- Ludwig von Danwitz [CDU]: Wir arbei- ten jeden Tag!)

Haben sie ernsthaft und zielstrebig an einer Lösung gearbeitet?

Ich habe hier Sätze wie die folgenden gehört: Wir brauchen neues Wachstum und neue Beschäftigung. Weiter so wie bisher! - Ich hatte zwischendurch den Eindruck, die Hauptakteure der großen Volksparteien hier hätten ganz vergessen, wer überhaupt regiert. Wir haben eine Große Koalition.

(Jörg Bode [FDP]: Aber nicht hier! - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Sie sagen, es ist Wahlkampf. Aber Sie meinen den Bundestagswahlkampf, Herr Jüttner, und im Bund regiert eine Große Koalition.

Sie sind ja darauf voll eingestiegen und haben den Ball aufgenommen. Ich kann nur sagen: Wenn wir

an dieser Stelle urteilen und gucken, was geschehen ist und in welcher Situation wir stehen, dann müssen wir auch beurteilen, was diese Große Koalition angesichts einer Wirtschafts- und Finanzkrise wirtschaftspolitisch bewegt hat, die so fundamental ist und auch auf unseren Landeshaushalt so heftig durchschlägt wie kein Ereignis zuvor in der Geschichte des Landes.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie sagen etwas, was nicht konstruktiv ist, und graben sich dann ein!)

Sie kennen wahrscheinlich schon die Zahlen, die Grundlage des Entwurfs für den Landeshaushalt für 2010 oder auch für 2011 sein werden. Die Zahlen sind wirklich dramatisch.

Was hat die Große Koalition getan? - Die Große Koalition hat insbesondere versucht, den Status quo zu erhalten. Meine Befürchtung ist: Sie hat insbesondere auf das Datum 27. September geschielt und hat versucht, bis dahin den Eindruck zu erwecken, dass diese große Finanzkrise uns weitgehend unbeschadet zurücklässt. Meine Damen und Herren, daran möchte ich ernsthafte Zweifel anmelden. Auch wenn sich die Börsenkurse an der einen oder anderen Stelle wieder einmal ein bisschen erholt haben, glaube ich, dass wir noch längst nicht durch diese Krise sind.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie sind in großem Stil in Kurzarbeit gegangen. Das ist erst einmal gut. Aber irgendwann beginnt ein Unternehmen zu rechnen, ob der Umsatz wieder auf das alte Niveau kommt oder ob man sich auf ein um 20 %, 30 % oder 40 % niedrigeres Niveau einlassen muss. Dann kann das Unternehmen die Kurzarbeit nicht dauerhaft auf dem Niveau halten und wird irgendwann anfangen zu prüfen, was notwendig ist.

Auch die Abwrackprämie - Verzicht auf ökologische Steuerungsmechanismen - ist ein klassisches Instrument, um das alte Niveau, den Status quo aufrechtzuerhalten und sogar noch große Spritfresser staatlich zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Konjunkturprogramm: in wesentlichen Teilen Erhalt des Status quo und in vielen Fällen schlicht und einfach Investition an der falschen Stelle.

Von daher werden wir im Herbst in eine Situation kommen, in der die Autoindustrie und der Maschinenbau sehr stark unter Druck kommen. Das wer

den wir hier im Land noch sehr bitter zu spüren bekommen, weil es natürlich immer auf die Steuereinnahmen des Landes und insbesondere unserer Kommunen durchschlägt.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Die Haushaltsspielräume für alles, was wir in den nächsten Jahren tun können, sind verdammt eng. Sie werden noch viel enger, als wir es bislang erlebt haben. Von daher ist es ein zusätzliches Problem, dass die Regulierung der Finanzmärkte, die wir alle als Notwendigkeit gesehen haben, noch nicht erfolgt ist. Im internationalen Kontext laufen Verhandlungen, und es gibt viele Erklärungen. Aber die eigentlich notwendige Regulierung ist bisher nicht durchgeführt worden. Von daher sind es schon wieder Ratingagenturen, die den Takt angeben und plötzlich wieder den Druck ausüben, den sie auch vorher ausgeübt haben.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, das macht mich besorgt. Von daher haben wir ein Konzept vorgelegt, das besagt: Wir müssen die Chancen nutzen, die wir nutzen können, wenn wir die Herausforderungen der Klimakrise mit dem verbinden, was uns die Finanz- und Wirtschaftskrise abfordert. - Deshalb haben wir gesagt: Hier ist der Sektor, die Umwelttechnik, in den wir ganz massiv und mit klaren Botschaften hineingehen und investieren müssen. Die Autoindustrie und der Maschinenbau werden auch ohne Wirtschaftskrise eher stagnieren. In der Umwelttechnik können wir richtig nach vorn gehen. Dazu haben wir ein Programm vorgelegt. Aber wir reden von 1 Million Arbeitsplätzen; 4 Millionen halten wir angesichts der Herausforderungen nicht für realistisch.

Aber hier brauchen wir - ich komme zum Ende, Herr Präsident - klare Botschaften. Was Sie z. B. atompolitisch machen, Herr Wulff, ist absolut kontraproduktiv, weil es Investitionen in der richtigen Richtung verhindert und weil wir den Umbau der Weltenergiewirtschaft in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten schaffen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Kurt Herzog [LINKE])

Die ganze Welt braucht diese Technologie. Wenn wir diese Technologie schaffen, wenn wir die Maschinenbauer, Unternehmen und Mittelständler haben, die das können - viele haben die Voraussetzungen -, dann schaffen wir es auch, diese tiefe wirtschaftliche Talsohle einigermaßen zu überste